Dienstag , 19 März 2024
Startseite » Gesellschaft » Soziales » Modelle für eine Kultur des Friedens

Modelle für eine Kultur des Friedens

green phoenix logoDer Green Phoenix Kongress 2012 erforschte eine Woche lang die Möglichkeiten eines grundlegenden Systemwechsels hin zu einer globalen Kultur des Friedens. – Bei Green Phoenix handelt es sich um ein jährliches internationales Treffen im „Zentrum der Einheit“ Schweibenalp, auf 1100 Meter Höhe am Brienzer See gelegen mit herrlichem Blick auf ein traumhaftes Alpenpanorama. Das Thema hieß in diesem Jahr „Modelle für eine Kultur des Friedens“ und es wurden, vor allem um dieses Thema gemeinsam in Foren, Vorträgen und World-Cafés vertiefen zu können, Vertreter von internationalen Bewegungen im Sinne der Nachhaltigkeit und solche von wegweisenden Lebensgemeinschaften eingeladen, aber ebenso auch verschiedene einflussreiche Forscher und Aktivisten.

Anwesend waren insgesamt Vertreter von 16 oft sich recht unterschiedlich definierenden Gemeinschaften wie Findhorn (Schottland), Damanhur (Italien), Ananda (Italien), Tamera (Portugal), Lilleoru (Estland), Neot Semadar (Israel), Favela da Paz (Brasilien) und Comunidad de Paz de San José de Apartado (Kolumbien), die aber alle wesentliche Arbeit in den Bereichen Nachhaltigkeit und Bewusstseinsarbeit leisten, und gleichzeitig sich für eine neue friedliche Weltkultur einsetzen, in der statt nach dem Prinzip der Kommerzialisierung nach dem Prinzip des Teilens gelebt wird. Es wachsen derzeit weltweit immer mehr solcher Lebensgemeinschaften zusammen u.a. auch im Rahmen der Vereinigung „Global Eco Villages“, die alle ganz unterschiedliche Schwierigkeiten zu überwinden haben und auf ihrem Weg modellhafte alternative Lebensweisen erforschen. Zudem gibt es auch inzwischen schon mehr als 1000 „Transition-Towns“ (frei übersetzt: Städte im Wandel), 75 davon allein in Deutschland. Was all die unterschiedlichen Menschen auf diesem Kongress offensichtlich miteinander verband, war dann auch vor allem die Suche nach ganz praktischen Wegen hin zu einer gerechten Welt, durch die eine ganz neue Lebensqualität auf diesem Planeten etabliert werden kann.

Permakultur-Gärtnerinnen und -Gärtner entwickeln in diesem Sinne etwa Methoden ausgehend davon, dass in der Natur alles mit allem zusammenhängt. Die Permakultur (permanent agriculture) verbindet uraltes Wissen mit neuesten Erkenntnissen um Landwirtschaft im Einklang mit der Natur zu betreiben. Einfache Lösungen wie Sonnentrockner für Alpenkräuter und Solarspiegel zur Energiegewinnung kommen dabei zum Einsatz und steigern den Ertrag und die Qualität der Ernte – ganz ohne Mineraldünger oder Spritzmittel.

Getrieben werden solche Entwicklungen von der Erkenntnis, dass, wenn wir die Erde nicht weiter zerstören wollen, wir durch naturgerechtes Anbauen unseren Verbrauch von Ressourcen vor allem hier im Westen stark verringern sollten. Bei der „Transition-Town“-Bewegung geht es neben nachhaltiger Landwirtschaft auch um das Miteinander-Teilen von Alltagsgegenständen, um „Reskilling“ (das Wiederbeleben alter Handwerkstechniken) und das Etablieren regionaler Wirtschaftskreisläufe. Wesentlich dabei ist zudem aber auch die innere Arbeit im Rahmen von Gruppen, in denen sich Menschen gegenseitig die Gelegenheit geben, sich untereinander – und als Teil der Stadt-Natur – unmittelbar zu erleben.

Erleben fängt dort an, wo alles „du sollst“ oder „du musst“ aufhört, denn es ist etwas ganz anderes als das Verstehen.

Immer mehr, vor allem junge Menschen, treten inzwischen in dieses direkte Erleben ein, um eine erleuchtete Weltzivilisation aufzubauen. Dieser Eindruck war auf dem Green Phoenix Kongress allgegenwärtig. Sie tuen dies, indem sie sich zum Beispiel der Kontaktimprovisation, oder anderen spielerisch im Alltag zu übenden Bewusstseinsschulungen widmen, oder sich eben solchen Bewegungen wie „Transition Towns“ anschließen.

Virtuelle Gemeinschaften wie das „Shift Network“ oder die „Akademie der Wissenschaft der Zukunft“, die sich auf dem Kongress vorstellten, sind dementsprechend dabei, eine Physik des Bewusstseins zu etablieren, die den gemeinsamen Dialog von Mystikern und Wissenschaftlern ermöglicht,oder die unterschiedlichsten Friedensaktivisten miteinander zu vernetzen. Dafür stellen sie in ihren Unternehmungen die Universalität des Denkens ins Zentrum der Vermittlung, um so Menschen dafür auszurüsten, den sozialen Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. In einer Zukunftswerkstatt, wie dem Schloss Tempelhof bei Kreßberg, werden wiederum zurzeit gemeinschaftsbildende Prozesse erforscht die Eigenreflexion mit Reflexion in Gruppen kombinieren. Solche Forschungen bilden dann jeweils die Grundlage für das mögliche sich Finden und Erblühen weiterer neuer friedlicher nachhaltiger Lebensmodelle.

Viele Teilnehmer bei diesem Kongress kamen auch aus Regionen, die momentan sehr schwierige soziale Bedingungen aufweisen, und es war ganz besonders ergreifend mitzuerleben, wie die Gemeinschaften durch gegenseitiges Fundraising dabei sind, sich solidarisch miteinander zu verbinden und so das Prinzip des Teilens im Sinne der „einen Menschheit“ direkt umzusetzen.

Philip Munyasia aus Kenia, der mir davon erzählte, wie sein Großvater noch als Schamane arbeitete und darüber in Kontakt mit den Naturgeistern stand, sieht das große Problem bei seiner Aufbauarbeit in Kenia in der religiösen Verwirrung vieler seiner Landsleute heutzutage, die im großen Maße einer nicht mehr authentischen Religiosität folgen. Seine Arbeit als „Independent Farming Professional“ bei dem Project OTEPIC, welches er ins Leben gerufen hat, und das Frauen und Kindern Permakultur unterrichtet, sieht er so vor allem auch als Quelle, aus der Vertrauen zwischen den verschiedenen Stämmen wachsen kann, um so eine neue friedvolle geistige Kultur einzuleiten.

Eine andere beeindruckende Initiative zur Förderung des Friedens, die sich vorstellte, ist die “Peace Research Village Association“, die sich zusammensetzt aus erfahrenden Friedensaktivisten aus Palestina, Israel und Europa. Mehrere Beiträge, unter anderem von einem mitreißenden Christian Felber und einem überaus humorvollen sowie unerschrockenem Daniele Ganser, beschäftigten sich darüber hinaus mit dem Ausblick auf einen Gesellschaftswandel, der eingeleitet wird, sobald die Gemeingüter auf allen Ebenen anerkannt und zum Nutzen aller verwaltet werden.

Ein weiterer hochkarätiger Sprecher bei Green Phoenix 2012, der viele Anwesende wohl besonders inspirierte, war der Schweizer Stadtplaner Carl Fingerhuth, der einen faszinierenden Ausblick auf die Möglichkeiten der Stadtentwicklung im Sinne der Spiritualität gab. Nach Fingerhuth bewegen wir uns in Richtung eines Gewahrseins, welches keinen Dogmen mehr unterliegt, weil die Menschen zunehmend nun lernen werden, sich direkt der Komplexität und den Widersprüchen des Daseins zu stellen. Dadurch werden neuartige geistige Energien zugänglich, die uns nun dabei unterstützen werden, ein Bewusstsein für die Polarität der Dinge zu entwickeln, für die Bedeutung der Hinterlassenschaften alter Kulturen, für die Notwendigkeit der Reintegration der Potentiale die im Inneren von jedem Menschen vorhanden sind und für die Dringlichkeit unsere bisherige Kultur der Trennung zu überwinden.

In einem Gespräch, welches ich mit Carl Fingerhuth führen konnte, sagte dieser, es entstehe jetzt ein Bewusstsein der Verknüpfung von Raum und Zeit und der Einheit von Körper, Seele und Geist. Es entstehe ein Bewusstsein von der Dringlichkeit der Reintegration von Emotionen, Sinnlichkeit und Spiritualität in unser von der Rationalität des Denkens geprägtes Leben. Das alles ist unsere neue „Identität“. Die zukünftigen Städte werden so errichtet werden, dass sie das Bewusstsein der Harmonie zwischen Mensch und Universum ausdrücken.

Zum Abschluss noch ein erhellendes Erlebnis auf einem Spaziergang durch die Berge mit einem internationalen Friedensforscher von einer Universität in Österreich, das ich nicht verschweigen möchte. Dieser Herr versuchte tatsächlich unter anderem mir zu erklären, wieso das Streben nach Gerechtigkeit die Quelle aller Kriege sei, wohingegen ich ihm deutlich sagte, dass das Teilen aller Güter der Erde sofort Gerechtigkeit bringen wird – und somit auch wirklich Frieden. Wie war das mit dem Entwickeln eines Bewusstseins für die Polarität der Dinge?

Check Also

Ungleichheit in Deutschland: Armut steigt und verfestigt sich

Inhaltsverzeichnis1 Die Schere öffnet sich stetig weiter2 Nimm von den Armen, gebe den Reichen3 Der …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert