Mittwoch , 24 April 2024
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Es droht das Ende unserer sozialen Errungenschaften

sweatshop asiaSparsamkeit soll eine Tugend sein. Fällt es dabei auf, wie sehr sich unsere Gesellschaft in zwei Lager spaltet? Auf der einen Seite eine sehr kleine Gruppe von sogenannten Superreichen, die meist fernab des Blickfeldes der Öffentlichkeit ihren Luxus genießen und sich vertrauensvoll auf die Macht ihres Reichtums stützen. Auf der anderen eine stetig wachsende Gruppe von Menschen, denen es zusehends schwerer fällt, so recht und schlecht durchs Leben zu kommen. Welche der beiden Gruppen schafft die Regeln? Wohl die, die sich der Macht des Geldes bedient.

In Griechenland ist es bereits beschlossene Sache. In meiner Heimat Österreich, ebenso wie in vielen anderen europäischen Staaten, wird derzeit an Sparpaketen gebastelt, die voll sind mit Grauslichkeiten.

Kurz zusammengefasst kann gesagt werden, dass viele Milliarden bei den Pensionen, den Beamten, im Gesundheitswesen und bei der Verwaltung eingespart werden sollen. Im Klartext heißt das: Länger arbeiten, weniger verdienen, Personal abbauen und eine Abnahme der Möglichkeiten, sein Leben auf einer soliden Grundbasis zu planen. Gleichzeitig lassen wir uns aber auch von den Wirtschaftsexperten erklären, dass der einzige Weg, um das System aufrecht zu erhalten, Wirtschaftswachstum ist. Also, einerseits wird dem Volk der Gürtel enger geschnallt, andererseits soll aber die Wirtschaft wachsen. Wie lässt sich ein Schwein mit weniger Futter mästen?

Der Bericht, auf den ich erst kürzlich gestoßen bin, ist rund anderthalb Jahre alt. Deswegen unterlasse ich es, die Namen jener deutschen Unternehmen zu wiederholen, die damals bei der Süddeutschen angeprangert wurden. Es war zu lesen – und ich bezweifle nicht, dass es auch heute noch so ist – dass in großem Maße von chinesischen Zulieferfirmen gekauft wird, die ihre Angestellten schlechter als Sklaven behandeln. Die Löhne zahlen, die kaum zum Überleben reichen. Die bis zu 130 Überstunden – oft unbezahlt – pro Monat fordern, was das gesetzliche Limit selbst in China um 150% übersteigt.

Halten wir uns das Schicksal dieser Männer und Frauen einmal vor Augen: Wie Legehennen in der Hühnerbatterie sitzen die Menschen an ihren engen Arbeitsplätzen, führen immer und immer wieder die selbe Bewegung aus und nutzen die kurzen Arbeitspausen für dringend benötigten Schlaf. Gelegentlich lesen wir von schweren Depressionen, von arbeitsbedingten Selbstmorden. Schenken wir diesen seltenen Berichten Aufmerksamkeit? Nicht unbedingt. China ist weit weg – und außerdem, gäbe es diese billigen Zulieferer nicht, dann müssten wir doch für unsere schicken Sportjacken, Elektrogeräte und was sonst noch alles im Fernen Osten hergestellt wird, noch mehr Geld bezahlen.

Zwischen 158 Millionen (UNICEF) und 218 Millionen (Terre des Hommes) Kinder arbeiten mehrere Stunden täglich unter oft menschenverachtenden Bedingungen. Überbelastung und oft auch Misshandlungen bringen bleibende Schäden an Körper und Seele mit sich. Und das passiert auf unserem Planeten. In Ländern, aus denen wir unsere Waren beziehen. Und jetzt kommt das Schlimmste: Der freie Welthandel bringt mit sich, dass wir selbst mit diesen Herstellern im Fernen Osten in Konkurrenz stehen.

Wie lautet die Botschaft so mancher Wirtschaftsbosse? Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, von sozialen Errungenschaften Abschied zu nehmen. Wir müssen uns auf niedrigere Einkommen einstellen. Denn schließlich stehen wir mit diesen fleißigen und tüchtigen Menschen im asiatischen Raum im Konkurrenzkampf. Und immer noch freuen wir uns über die billigen T-Shirts, ohne auch nur entfernt daran zu denken, unter welchen Bedingungen die Menschen leiden, die ihr Leben mit der Herstellung dieser Waren verbringen. Und noch immer übersehen wir, worauf auch wir zusteuern.

Worauf bereitet man uns da Schritt um Schritt vor? Wie „weich will man uns klopfen“? Wie oft wird wiederholt, wir hätten schon zu lange über unsere Verhältnisse gelebt? Fühlen Sie sich damit angesprochen? Ich jedenfalls nicht.

Ob es unseren Politikern an Verständnis fehlt oder an Charakter, das wage ich nicht zu beurteilen. Fest steht, dass wir uns auf unsere politische Führung keineswegs verlassen können. In einer stillen Stunde dürfen wir, jeder für sich selbst, überlegen, ob jene Werte, die uns von den Superreichen und ihren Handlangern vorgegeben werden, auch wirklich so wertvoll, so unverzichtbar sind. Würden wir verhungern oder verdursten, sobald wir uns für ein etwas „schaumgebremsteres“ Leben entscheiden?

Auch wenn es so viele unserer Mitbürger noch immer nicht wahrhaben wollen, wir stehen vor der schlimmsten Krise – weil dieses Mal wirklich weltumspannend – mit der sich die Menschheit je konfrontiert sah. Wollen wir uns weiter von diesen Finanzjongleuren und ihren Erfüllungsgehilfen hypnotisieren lassen? Oder sollten wir doch eher beginnen, für uns selbst zu denken? Um dazu einen Ansatz zu finden, schlage ich vor, zu überdenken, was wir zum Leben wirklich brauchen. So vieles, was uns glücklich macht oder machen könnte, trägt keineswegs zur Steigerung des Reichtums der Eliten bei.

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