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Cholera und menschliches Versagen – ein tödliches Gespann

cholera_bakterienNach über 100 Jahren ist die Cholera nach Haiti zurückgekehrt. Nein, an Geld und mangelnder Hilfsbereitschaft kann es nicht liegen. Nach dem verehrenden Erdbeben, das am 12. Januar 2010 schätzungsweise 230.000 Menschen in den Tod riss und die Existenz von Millionen überlebender mit einem Stoß zerstörte, spendeten allein die deutschen Bundesbürger bis Mitte März rund 195 Millionen Euro. Mit das höchste absolute Spendenvolumen in Europa, so das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen, kurz: DZI. Bei dem Spendenaufkommen pro Kopf steht die Bundesrepublik mit 2,40 € immerhin an dritter Stelle, nur noch übertroffen von den Schweizern (7,20 €) und den Niederländern (4,10 €). Wenn man weiß, dass man laut UNICEF für 52 € schon 10.000 Wasserreinigungstabletten erhält, mit denen man 50.000 Liter Trinkwasser reinigen kann, eine stolze Summe.

Zehntausende internationale Helfer leisteten zudem in den vergangenen Monaten vor Ort, wo es möglich war, medizinische Nothilfe, bargen Tote und Verletzte, errichteten Notunterkünfte und mobile Trinkwasseraufbereitungseinheiten und verteilten Lebensmittel. Noch am 19. Oktober zeigte sich Catherine Bragg, die stellvertretende UN-Nothilfekoordinatorin, äußerst zuversichtlich: „Unser humanitäres Ziel wurde erreicht, lebensrettende Hilfe zu leisten“. Jeden Tag würden mehr als sechs Millionen Liter Trinkwasser an mehr als eine Million Menschen verteilt. Auch die Mangelernährung sei im Griff.

Die Kommunikation der Koordinatoren offensichtlich nicht. Eine flächendeckende Versorgung durch Hilfsorganisationen über Port-au-Prince hinaus kann immer noch nicht gewährleistet werden, ein staatliches Gesundheitssystem gibt es erst gar nicht. So passierte es, dass sich im Norden Haitis, genauer in Saint-Marc, die Katastrophe unbemerkt anbahnen konnte. Tausende Gerettete sammelten sich dort in überlasteten und heillos überfüllten Notcamps, es fehlt an Latrinen, an den einfachsten sanitären Einrichtungen. Im Überlebenskampf wird das Wasser des Flusses Artibonite nicht nur zum Durst stillen, sondern auch zum Kochen, Waschen und als Kloake benutzt. Die in Katastrophenschutz geübten Offiziellen verschlossen stetig die Augen vor einer drohenden Choleraepidemie, galt die Seuche auf Haiti doch seit 100 Jahren als ausgerottet. Ein tödlicher Irrtum, wie wir seit dieser Woche wissen.

 

Hätten die Hilfsorganisationen rechtzeitig auf die Gefahren verseuchten Wassers hinweisen und einfache Hygieneschulungen durchführen können, hätten sie die Wasserqualität überwachen und verbessern können, wären vielleicht über 300 Menschenleben und mehr gerettet worden. Doch abermals reagierten die Verantwortlichen viel zu spät: Erst nach Tagen wurde das Gebiet um Saint-Marc abgeriegelt, in der Hauptstadt wurden erste Cholerafälle registriert, offiziell spricht man von über 3000 Infizierten – die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher.

Wieder sind es die internationalen Hilfsorganisationen, die verzweifelt versuchen, mit Lieferungen von Antibiotika, Wasserreinigungstabletten, Plastikhandschuhen und Mundschutz die weitere Verbreitung einzudämmen:

Das DRK beispielsweise schickte Konvois mit großen Zelten und Feldbetten nach Saint-Marc, um mehr Patienten im Krankenhaus aufnehmen zu können. Darüber hinaus wurden Aufklärungskampagnen zur persönlichen Hygiene über Radio und per SMS-Versand gestartet.

Die Malteser International beteiligen sich mit drei Zelten an einem kurzfristig einzurichtenden Cholera-Hospital in Léogâne, westlich der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince. Zusammen mit „Ärzte ohne Grenzen“ werden die Malteser 300 Betten vorhalten.

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob ihre Bemühungen erfolgreich sind. Der Mensch ist nun mal nicht vollkommen – in Fällen wie diesen kann menschliches Versagen tödlich sein.

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