Donnerstag , 28 März 2024
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Achtung Satire: Gutschein, Gutschein – über ahalles…

Meine Damen und Herren, es ist endlich soweit, Hartz4 wird gemäß einem Gerichtsurteil korrigiert. Das Gericht hatte nämlich festgestellt, dass sich die Regierung einen Teufel um die Kinder und ihre Bedürfnisse schert. Nun ja, ich gebe es zu, dies war und ist so nicht ganz richtig. Selbstredend kümmert sich die Regierung um Kinder, nämlich um jene, deren Eltern ein etwas angehobenes Einkommen haben, nämlich höher als H4. Nur ein Euro über dem Bemessungswert, und schon ist man Mittelschicht. So einfach geht das.

hartz4_gutscheinDieses C im Namen einer der beteiligten Parteien darf durchaus als Signal, nein als Fanal, verstanden werden. Damit ist in einer nicht mehr aktuellen Schreibweise „das Clientel“ gemeint. Die gelbe Fraktion freut sich über das Zukunftspotential an Wunschwählern. Der momentan amtierende und Urlaubsvertretende Regierungschef hat verbindlich festgelegt, im Dezember 2027 wird ein revolutionäres Steuervereinfachungsgesetz verabschiedet, von dem diese (wichtigen) Kinder etwas haben werden. Ab 2027 wird die Gesamthöhe der Abzüge auf 68 % begrenzt, endlich Kalkulationssicherheit für die Dann-Bürgerinnen und Dannbürger, wunderbar. Und damit wir dies nicht vergessen, morgen wird ein von der FDP eingebrachter Gesetzesentwurf verabschiedet, dass alle Kindergärten in Deutschland in blau und gelb gestrichen werden. Horte werden nicht gestrichen, da sind auch viele HartzIV-Kinder anzutreffen. Und gespart werden muss ja schließlich auch noch.

Die leistungstechnisch weniger dynamischen Restbürger werden ebenfalls entlastet. Alle Einkommen, welche pro Monat und Person unter € 121,34 liegen, werden komplett von Steuern und Abgaben befreit. Ferner befreit man diese Menschen von allen Transferleistungen des Staates. Da kann man nur noch feststellen – frei, endlich frei, freiheihei…

Jetzt zu den leistungsdynamisch weniger ausgeprägten Restkindern, da ändert sich einiges zum Besseren, nein – zum endlich Guten. Die Gutscheine kommen, und alles wird besser. Natürlich werden als erstes die Barbezüge zurückgeschraubt, Verzeihung: angepasst.

Damit das System tatsächlich greift, müssen, pardon, dürfen H4-Kinder etwas dazu verdienen. Der erwirtschaftete Betrag wird dann vom Amt, der Arge, oder von wem auch immer, wieder einbehalten. Die sollen gefälligst auf die Schule gehen, etwas lernen.

 

Vor einigen Wochen hat eine der Argen einen Prozess verloren. Dies ist nicht weiter erwähnenswert, passiert es doch jeden Tag. Der Grund war der Hammer. Ein Hartz4-Kind, welches ein Gymnasium besuchte, dies war 20 Kilometer entfernt, bekam vom Amt kein Fahrgeld mehr. Begründung war, dass im Heimatort eine Realschule vorhanden sei, welche problemlos zu Fuß erreicht werden könne. Merken Sie was: Da wird doch auf „Teufel komm raus“ darauf geachtet, dass dem Recht in Deutschland kein Unrecht geschieht.

Individuelle Probleme der einzelnen Hartz IV-Bezieher, sofern es überhaupt welche geben kann, selbstredend wurden diese erkannt und in der neuen Regelung berücksichtigt. Man hat per Verordnung diese Störfaktoren für nicht existent erklärt. Und schon sind sie weg, klasse – gell?

Die eventuellen Restprobleme der Kinder – nun ja, Kinder haben doch eigentlich keine Probleme, anders formuliert, sie haben keine zu haben, basta – werden jetzt mit Gutscheinen gelöst. Gutschein deswegen, damit jeder sofort erkennt, mit welchen Früchtchen sie oder er es zu tun hat. Und wenn man das weiß, dann weiß man auch sofort, es handelt sich um Teilnehmer, evtl. sogar Teilhaber an sozialen Zerrüttungsorgien. Der Vater säuft und guckt den ganzen Tag Pornofilme, und die Mutter, na ja – aber das weiß man doch, wie es dort zugeht. Hat das Kind Glück und eine alleinerziehende Mutter, dann hat diese Pech, weil sie eine alleinerziehende Mutter ist. Transparenz, Glasnost – danke Gutschein, danke.

Nun gut, Gutscheine halt, zur Verwaltung wird es neuer Stellen oder sogar Ämter bedürfen. Ich will das nicht im einzelnen beschreiben. Klar ist nur, für die Absolventen der Verwaltungshochschulen und für Volljuristen brechen goldene Zeiten an. Es ist unglaublich, die Regierung hält ihr Versprechen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Fraktion ist in den Berechnungen zur Wahlwahrscheinlichkeit auch deutlich wichtiger, wir sie doch die Hand des Herrn nicht beißen, jede Wette.

Jetzt wirklich zu den Gutscheinen: es gibt welche für Nachhilfeunterricht, Sportverein, Gesangsverein, Schwimmverein und, und, und…

Wo es Gutscheine gibt, da gibt es genehmigte Kontingente. Was passiert, wenn Mathe ausgeschöpft ist? Kein Problem, auf der VHS ist im Kurs für paragonische Mitternachtsbatik noch Platz frei, reichlich. Gitarrenunterricht ist nicht, wo kämen wir da hin, hä? Stattdessen erteilt ein ehemaliger Schiedsrichter Intensivunterricht im Pfeifen, Bohlen macht da bestimmt auf RTL ein neues Format draus. Da der Gutschein für den Schwimmverein ausschließlich für das Becken gilt, ist der Aufenthalt in Dusche und Umkleideraum nicht statthaft und führt zum Verlust des Gutscheins. Nein, nein – keine Angst, keine weiteren Beispiele mehr. Viele wahre und schrecklichere kommen auf uns zu.

Nur an die Kernfrage traut sich keiner ran. Wollen wir überhaupt, dass diese Subjekte mit Gutscheinen überschüttet werden, welche nur das Lotterleben einer unproduktiven Elternschaft unterstützen? Niemals!

Wir wollen, dass diese Kinder mit all dem ausgestattet werden, welches ihnen ein Leben in Freiheit, Selbstbestimmtheit und Kultur ermöglicht. Wir wollen, dass diesen Kindern alle Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten offen stehen, die sie verdienen.

Aber es ist wie immer, uns fragt ja keiner.

 

© Peter Reuter

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