Donnerstag , 28 März 2024
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Welchem Zweck dient die Fastenzeit?

girl meditating riverSechs und eine halbe Woche vor Ostern, am Aschermittwoch, beginnt für Christen die sogenannte Fastenzeit. Die von den Kirchen empfohlenen Regeln wurden vor allem während der vergangenen Jahrzehnte immer mehr gelockert. An Freitagen sollte eher Fisch, anstatt Fleisch, konsumiert werden. Es sei eine Zeit der Einkehr. Auf eine Verbindung mit dem 40-tägigen Fasten von Jesus, vor dem Einsetzen seiner Lehrtätigkeit, wird verwiesen. Der ursprüngliche Sinn vieler christlicher Gebräuche ist seit langem vergessen. Um diesen jedoch wiederzufinden und auch dessen Wert anzuerkennen, ist es keineswegs von Nöten, dem christlichen Glauben verschrieben zu sein. Geistige Übungen, die von Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme begleitet sind, dienen der Bewusstseinserweiterung. Das Endziel wird in östlichen Lehren als Erleuchtung bezeichnet.

Ostern, der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling, fällt dieses Jahr auf den 8. April. Dementsprechend setzt auch die Fastenzeit relativ früh ein. Nachdem es von Aschermittwoch bis Ostersonntag jedoch 46 Tage sind, gelten die Sonntage nicht als Fasttage, wodurch deren Zahl wiederum auf 40 reduziert wird.

Der Karneval steht damit in direktem Zusammenhang. Carne-vale. Der Abschied vom Fleisch (Italienisch: carne). So wie einst die Martinsgans am 11. November. Denn bis ins Mittelalter gab es zwei Fastenzeiten: vor Ostern und vor Weihnachten. Zwei astronomische Ereignisse. Weihnachten, die Neugeburt oder Wiederkehr der Sonne, korrespondiert mit der Wintersonnenwende. Warum zu Ostern nicht nur der Frühlingsbeginn, sondern auch der Vollmond im Spiel ist, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Auch der Zusammenhang mit dem israelitischen Pessachfest, während dessen des Auszuges aus Ägypten gedacht wird, gibt nicht die volle Antwort. Denn es bleibt die Frage, warum sich die Israeliten bei der Bestimmung dieser Festtage nach dem Mond orientierten. Zwar unabhängig vom Ostermond, doch werden u. a. auch in vielen indischen Tempeln Vollmondzeremonien abgehalten. Die Schwerkraft des Mondes beeinflusst das Magnetfeld der Erde, was wiederum Einfluss auf unser Bewusstsein ausüben könnte. An Vollmondtagen steht der Mond, von der Erde aus betrachtet, der Sonne gegenüber. Somit „zerren“ die beiden einflussreichsten Himmelskörper in entgegengesetzter Richtung am Magnetfeld.

Nur wenigen Menschen ist bewusst, welchen Veränderungen die christlichen Lehren während der vergangenen zweitausend Jahre unterlagen. Es wäre zu umfassend, diesbezüglich auf Details einzugehen, die wenigen Überlieferungen gnostischer Konzepte zu behandeln oder jene der späteren Katharer. In Irland, so erklärt Thomas Cahill in seinem Buch „Wie die Iren die Zivilisation retteten“, sollen die ursprünglichen Lehren Jesu, aufgrund der Distanz zu Rom, bis übers Mittelalter hinaus erhalten geblieben sein. Doch stehen uns heutzutage ohnehin ausreichende Möglichkeiten für ein besseres, für ein tieferes Verständnis zur Verfügung. Es genügt, Vergleiche mit anderen Religionen oder Philosophien anzustellen. Setzen wir göttliche Kraft und eine menschliche Seele voraus, so wäre es absurd, die Überlieferungen anderer Zivilisationen zu ignorieren. Und viele Rituale des Christentums zeigen deutliche Parallelen zu „heidnischen“ Gebräuchen.

Um diesbezüglich nur ein einziges, jedoch überaus markantes, Beispiel anzuführen, werfen wir einen Blick auf die Taufe. Zwar finden sich Erklärungen, dass dadurch der Eintritt in ein „Leben mit Christus“ symbolisiert werden soll, doch handelt es sich gleichzeitig auch um ein „Reinwaschen von der Erbsünde“. Und selbstverständlich hat jeder Christ gelernt, dass ein gewisser Johannes am Ufer des Jordan rituelle Waschungen durchgeführt hätte.

Genau dasselbe Ritual wird allerdings auch in Indien praktiziert, an den Ufern des Ganges. Und zwar nicht mit Neugeborenen, sondern, so wie in den Geschichten von Johannes, Erwachsene geben sich dem Versuch hin, ihre Sünden wegzuspülen.

Von welchen Sünden soll ein gerade erst zur Welt gekommener Erdenbürger freigewaschen werden? Weder in der jüdischen Überlieferung noch in den Lehren von Jesus, wie sie in den Evangelien nachzulesen sind, findet sich ein Hinweis auf eine sogenannte Erbsünde. (Sie soll in Zusammenhang mit Adam und Eva und der „verbotenen Frucht“ vom „Baum der Erkenntnis“ stehen, erklären die Katholiken.) Schließen wir hingegen das Konzept der Reinkarnation ein, das davon ausgeht, das Seelenwesen immer wieder neu geboren werden, ergibt die rituelle Waschung eines Neugeborenen durchaus Sinn. Der Grund für die ständige Wiederkehr ist schließlich das fehlerhafte Verhalten während jeder Lebensspanne. Eine Wiederholung. Ein Neubeginn. Ein neuer Versuch, sich bewusst in die kosmische Harmonie einzugliedern. Und wenn es einen Menschen von neuem auf diese Erde verschlägt, dann gab’s im Vorleben wohl eine Menge Sünden, die es „wegzuwaschen“ gilt.

Doch kommen wir zurück zur Fastenzeit und ihrer tiefen Bedeutung. Die folgende Darstellung korrespondiert in keiner Weise mit christlichen Lehren, wie wir sie heute kennen. Mit dem soeben Beschriebenen möchte ich jedoch meine Vermutung unterstützen, dass die ursprünglichen Christen vergleichbare Ziele verfolgt haben könnten.

Es liegt mir natürlich fern, praktizierende Christen zu schulmeistern. Wer für sich selbst den Sinn seiner Praktiken erkennt, zu denen reduzierter Fleischgenuss zählen mag, hat wohl einen Weg eingeschlagen, der für ihn ein geeigneter ist. Ich bin gleichzeitig aber auch überzeugt, dass vielen Weisheitssuchenden die Darstellungen der christlichen Kirchen bei weitem zu oberflächlich sind. Östliche Konzepte bieten diesbezüglich wesentlich tiefere Einblicke.

Der moderne Materialismus geht davon aus, dass es sich bei Bewusstsein um das Ergebnis biochemischer Vorgänge im Gehirn handelt. Sowohl die Gehirnforschung als auch die Quantenphysik bieten mittlerweile jedoch Anhaltspunkte, auf wissenschaftlicher Erkenntnis basierend, die auf das Gegenteil schließen lassen: Bewusstsein ist nicht das Produkt von Materie. Das Abbild der Welt, wie wir sie kennen, entsteht ausschließlich im Bewusstsein.

Was war zuerst: Geist oder Materie?

Nachdem jedes Bemühen, sogenannte Rationalisten von der Existenz des Geistes zu überzeugen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist, möchte ich diesbezüglich lediglich auf einige Artikel verweisen, die ich schon im Vorjahr geschrieben habe: Unser Weltbild ist noch lange nicht vollständig, Wiedergeburt und Karma, Das Mysterium Bewusstsein – und zum letztgenannten Punkt möchte ich ganz besonders einen Beitrag von Adnan Sattar anführen, Autor des herausragenden Buches „Was ist Bewusstsein“.

Nachdem wir von frühester Kindheit an gelernt haben, uns als inkarnierte Wesen in einer materiellen Welt zurechtzufinden, wir unsere Sinneseindrücke dabei ausschließlich aus dieser materiellen Welt empfangen, stoßen wir bei der Suche nach besserem Verständnis auf eine nur schwer zu überwindende Barriere. Alle unsere Eindrücke, alle Erfahrungen sind fast ausnahmslos materieller Natur. Demzufolge findet sich auch der Weisheitssuchende oft genug mit Zweifel konfrontiert. Wie sollte es möglich sein, eine nicht-wahrnehmbare Welt als „wahr“ anzuerkennen? Warum ist es so schwer – und scheinbar sogar unmöglich – mittels des Geistes, sofern ein solcher tatsächlich in unabhängiger Form existiert, direkten Einfluss auf Materie auszuüben, wenn diese wiederum ein Produkt von Bewusstsein ist?

Eine hervorragende Hilfestellung für ein besseres Verständnis der Situation bieten moderne Computerspiele. Schon vor sieben Jahrzehnten bezeichnete Max Planck, der als Begründer der Quantenphysik gilt, die sinnlich wahrnehmbare Welt als Matrix. Hier möchte ich nochmals daran erinnern, wie Informationen in unserem Gehirn verarbeitet werden:

Mittels der Sinne werden Reize wahrgenommen. Photonen treffen auf die Netzhaut, Schallwellen versetzen das Trommelfell in Schwingungen, zwischen der Haut und externen Objekten wird ein Kontakt hergestellt. Im Gehirn werden diese Reize in elektromagnetische Impulse umgewandelt. Das Abbild der Welt, wie wir sie kennen, entsteht dabei ausschließlich in unserem Bewusstsein. All die Farbenpracht, unendliche Weiten, Berge und Meere, was immer wir sehen, existiert in der wahrgenommenen Form ausschließlich innerhalb des Gehirns oder des Geistes, ausgelöst durch elektromagnetische Impulse. Sollte tatsächlich jemand denken, dass ich Objekte, die ich sehe, aber auch betasten kann, erinnere ich daran, dass auch diese Reize auf dem gleichen Weg in unser Bewusstsein gelangen. Nachdem alle Sinne übereinstimmende Eindrücke vermitteln und wir nichts anderes als diese wahrnehmen, leben wir in der Überzeugung, dass es sich dabei um Realität handeln muss.

Der Vergleich mit Computerspielen beschränkt sich dabei auf optische und akustische Wahrnehmungen. Ich bin zwar mit keinem dieser Spiele näher vertraut, doch sind dabei Figuren, Avatare in ein bestimmtes Geschehen verwickelt. Sie kommunizieren miteinander, interagieren, bewegen sich, benützen Fahrzeuge. Wenn es das Programm so vorsieht, könnte es sein, dass in regelmäßigen Abständen Nahrung aufgenommen werden muss. Die Spielebene ist eine in sich abgeschlossene Welt. Und wie leicht kann es geschehen, auf eine bestimmte Zeitspanne völlig zu vergessen, dass es sich lediglich um ein Spiel handelt?

An diesem Beispiel lässt sich auch sehr deutlich die Unmöglichkeit erkennen, Rationalisten von höherer Existenz zu überzeugen. Weil innerhalb der „Spielebene“ schließlich nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Stellen Sie sich vor, sie kommunizieren als Avatar mit einem anderen Avatar, der sich kategorisch weigert zu akzeptieren, dass er eigentlich ein Mensch ist, der gerade an einem Computer sitzt und sich die Zeit vertreibt. So sehr Sie sich selbst der Situation auch bewusst sein mögen, es wird Ihnen nicht gelingen, innerhalb der Spielebene zu demonstrieren, dass es sich um eine Matrix handelt. Der Spielpartner, von dem Sie nicht einmal wissen, in welchem Land er sich gerade aufhält, stellt sich dumm. Teilen Sie ihm mit, dass er Ihnen schließlich ein Email schreiben könnte, zeigt er sich unverständig. Denn innerhalb des Spiels gibt es keine Möglichkeit zum Versenden von Mails. Er verhält sich, als wäre er überzeugt, tatsächlich dieser Avatar zu sein. Er weigert sich, sein Menschsein anzuerkennen.

Den Spielpartner mögen wir als verrückt bezeichnen. Doch wie sieht es mit der „Spielebene“ aus, in der wir unser „reales Leben“ verbringen? Wenn wir niemals mit irgendetwas konfrontiert wurden, was nicht Teil des vorgegebenen Programmes ist, was sollte uns zur Annahme führen, dass es darüber hinaus noch Anderes geben könnte. Auch wenn wir träumen, wissen wir nicht, dass wir träumen. Des Traumes als solchen werden wir uns erst im Wachzustand bewusst.

Gehen wir nun davon aus, dass wir unsterbliche Seelenwesen sind, die sich Leben um Leben eines neuen Avatars bedienen, um eine Welt, die wir als die materielle kennen, zu erforschen. Oder sich selbst zu erforschen, in der eigenen Relation zu dieser Welt. Sich selbst – also als Seele – immer weiter der Perfektion zu nähern, um eines Tages wieder mit dem Ursprung allen Seins zu verschmelzen.

Es ließe sich endlos darüber philosophieren, warum diese materielle Welt überhaupt entstanden sein mag. Warum Seelenwesen, in Unkenntnis ihrer wahren Natur, auf dem Planeten Erde und vielleicht, wahrscheinlich, auch auf anderen Planeten umherirren. Warum die Voraussetzungen so geschaffen wurden, dass das Erkennen des wahren Selbst mit so vielen Hindernissen verbunden ist. Doch, bevor wir auch nur im entferntesten daran denken können, die Motive der Schöpfungskraft zu verstehen, müssen wir erst einmal zur Überzeugung gelangen, dass wir nicht Menschen sind, die vielleicht über eine Seele verfügen, sondern Seelen, die sich eines Körpers bedienen. Wir müssen erst eine Vorstellung darüber finden, wie eine nicht-wahrnehmbare Welt beschaffen sein könnte. Wir müssen aufhören, uns mit der Persönlichkeit, die wir zu sein glauben, zu identifizieren. Und ausgedehnte Übungen, Meditationen und Gebete, selektierte Nahrungsaufnahme und ein Verschließen gegenüber den durch das Alltagsgeschehen hervorgerufenen Ablenkungen, sind dazu der geeignete Weg.

Wäre es denkbar, ein Drogenproblem zu bewältigen, ohne gleichzeitig auf die fortgesetzte Einnahme von Drogen zu verzichten? Würde es ein leidenschaftlicher Roulettespieler zustande bringen, die Sinnlosigkeit seines Laster zu begreifen, solange er seine Nächte überwiegend im Kasino verbringt? Wie sollte es also gelingen, sich von einem falschen Weltbild zu befreien, solange wir von genau den Gegebenheiten umschlossen sind, von denen dieses Weltbild hervorgerufen wurde?

Auch wenn es begrüßenswert wäre, so steht doch den meisten von uns die Möglichkeit, sich auf Wochen in die Abgeschiedenheit zurückzuziehen, kaum offen. Trotzdem steht es uns frei, uns von vielen unserer Gewohnheiten, auch ohne örtliche Veränderung, zu lösen. Vegetarische Ernährung ist diesbezüglich immer ein hilfreicher Schritt. Der Verzicht auf Alkohol und andere Drogen sollte in diesem Zusammenhang natürlich selbstverständlich sein. Worauf sonst ließe sich noch verzichten? Unterhaltungsshows, Sportereignisse, Zusammenkünfte mit Freunden, die vorwiegend der Kurzweil dienen. Nicht, dass das Genannte unbedingt negative Auswirkungen auf unser Seelenleben ausübt, es geht um die Veränderung von Gewohnheiten. Wie gesagt, ideale Voraussetzungen fänden sich in der Abgeschiedenheit. Zwingen die Umstände jedoch dazu, sein Leben in der Stadt weiterzuführen, lassen sich aber auch dort entsprechende Voraussetzungen schaffen.

Bei Fastenübungen geht es nicht darum, sich einfach in Verzicht zu üben. Es geht um das Loslassen von all dem, was wir als wichtig, oft sogar als notwendig, als unverzichtbar glauben. Doch keineswegs in der Absicht, sich selbst zu quälen, sich für mögliches Fehlerverhalten zu bestrafen, sondern als Weg zur Erkenntnis. Es dient einer Neubewertung. Doch zuerst muss eine andere Art des Daseins praktiziert werden, um überhaupt fähig zu sein, seine eigenen Gewohnheiten objektiv zu beurteilen.

Ausgedehnte Fastenübungen entsprechen einem symbolischen Tod. Wir trennen uns von all den Eigenschaften, die diese physische Hülle mitsamt ihrem Schaltzentrum namens Gehirn im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zu ihrer Identität verhalfen. Wir trennen uns von dieser Persönlichkeit, als die man uns kennt, schätzt, liebt oder auch verachtet. Jeder Einzelne von uns weiß über sich selbst bestens bescheid. Wir mögen zufrieden oder unzufrieden mit dem sein, „was aus uns geworden ist“. Doch dieser Mensch, den wir als „Ich“ bezeichnen, ist bloß der Avatar, mit dem wir die Spielebene des Seins erleben.

Die Zahl der Menschen, die Interesse am Erforschen der wahren Beschaffenheit des Seins bekunden, ist gewiss gering. Doch noch um vieles geringer ist die Zahl derer, die auch tatsächlich bereit wären, alles Bekannte aufzugeben. Die ein bedingungsloses Loslassen akzeptieren würden. Wer das Auflösen seiner Persönlichkeit anstrebt, befreit sich damit nicht nur von Sorgen und Ängsten, sondern auch von jenen zweifelhaften Freuden, die das herkömmliche Leben bietet. Wer sich nach Sinnesfreuden und Abenteuern sehnt, ist weit von der inneren Bereitschaft entfernt, die wahrnehmbare Welt als bloße Spielebene zu erkennen.

Doch auch dies hat seine Gründe und ist keineswegs zu verurteilen. Gehen wir davon aus, dass die Schöpfung Sinnloses bestenfalls als Übergangsphasen zu Erneuerungen hervorbringt, dürfen wir jenen Jahren unseres Lebens, während derer wir Erfahrungen suchen und sammeln, nicht ihre Bedeutung absprechen. Nur wirklich Erlebtes lässt sich auch mit entsprechender Überzeugung bewerten. Somit sollte jeder Mensch erst einmal seine inneren Sehnsüchte ausleben. Das Streben nach Selbsterkenntnis lässt sich nicht mit einem wissenschaftlichen Studium vergleichen. Dieser Weg lässt sich erst dann einschlagen, wenn die sinnlich wahrnehmbare Welt keine Verlockungen mehr bieten kann. So wie Kinder sich voller Begeisterung ihren Spielen hingeben, denen wir als Erwachsene jedoch nichts mehr abgewinnen können, so engagieren wir uns leidenschaftlich in unserem gewohnten Dasein. Der nächste Schritt wäre das Erkennen sogenannter höherer Werte. Sobald sich diesbezüglich gewisses Verständnis abzeichnet, sinkt die Bedeutung all jener Ereignisse und Konfrontationen, denen sich die Menschheit aus tiefster Überzeugung hingibt, auf den gleichen Rang wie das Spiel der Kinder in den Augen der Erwachsenen.

Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Gegenteilig zum allgemeinen Verständnis religiöser Lehren, dienen ausgedehnte Fastenübungen nicht selbstprovoziertem Leiden mit dem Ziel, seine Hingabe zu einem nicht-wahrnehmbaren Gott zu demonstrieren, sondern eher einem „Aushungern“ der eigenen Persönlichkeit. Doch nicht nur die Veränderungen in der Nahrungsmittelaufnahme sind von Bedeutung, sondern auch die Aufgabe von Aktivitäten, die rein der Unterhaltung dienen. Was natürlich nicht bedeuten darf, dass gleichzeitig auf Pflichten, der Familie, der Umgebung oder sich selbst gegenüber, vergessen werden sollten. Das eigentliche Ziel der Übungen ist die restlose Aufgabe der eigenen Persönlichkeit. Die Überzeugung zu finden, ein unsterbliches Wesen zu sein, das sich dieses Körpers nur bedient, anstatt sich weiterhin mit dieser physischen Erscheinung zu identifizieren. Der Vergleich mit einem symbolischen Tod ist dabei durchaus treffend.

Wenn sich ein Mensch bereit erklärt, sich von allen irdischen Freuden zu lösen, was hat ihm seine weitere Existenz auf Erden dann noch zu bieten? Buddhistische Lehren versprechen anhaltendes Glücksgefühl. Doch reicht die zu erlangende Erkenntnis natürlich wesentlich weiter. Vielleicht lässt sich auch hier der Traum als Vergleich hernehmen. Obwohl sich ein solcher ausschließlich in unserem Bewusstsein ereignet, sind wir selten dazu fähig, die Geschehnisse zu beeinflussen. Wir wissen nicht einmal, dass wir bloß träumen. Wir geben uns Glücksempfindungen, Hoffnungen, Leidenschaften und Ängsten in der vollen Überzeugung hin, eine Realität zu erleben. Wäre es nicht erstrebenswert, schon während des Traumes um die wahre Bedeutung der Erlebnisse bescheid zu wissen?

Ein Schüler des indischen Weisheitslehrers Jiddu Krishnamurti (1895 – 1986) soll geäußert haben: „So wie Sie sprechen, sind Sie ein Atheist!“ Krishnamurtis Antwort soll gelautet haben: „Ich war auch ein Atheist, bis ich erkannt habe, dass ich Gott bin!“

Bei dieser Aussage handelt es sich übrigens keineswegs um maßlose Überheblichkeit. Diesen Lehren zufolge, sind nämlich auch Sie und ich Gottwesen, die sich dessen bloß bewusst zu werden brauchen.

Abschließend möchte ich noch die Antwort auf eine Frage geben, die ich zu Beginn dieses Artikels gestellt habe: Wenn die wahrnehmbare Welt nur in unserem Bewusstsein existiert, warum ist es dann nicht möglich, bewusst Einfluss auf bestimmte Entwicklungen zu nehmen, direkten Einfluss mittels der eigenen Geisteskraft?

Die Antwort darauf ist ziemlich einfach. Wieder dient das Computerspiel als einleuchtendes Beispiel. Die Regeln innerhalb der Matrix sind vorgegeben. Nehmen Sie an so einem interaktiven Spiel Teil, so nützt Ihnen Ihr Wissen, in Wahrheit außerhalb der Spielebene zu existieren, nichts, um sich innerhalb des Spiels Vorteile zu verschaffen. Was immer das Ziel dieses Spiels sein mag, es bleibt unumgänglich, sich an die vorgegebenen Regeln zu halten. Ist es Teil des Programms, Schwerkraft zu simulieren, so kann der Spieler daran nichts ändern, auch wenn er noch so sehr weiß, dass für alles bloß elektrische Impulse verantwortlich sind.

Im „Spiel des Seins“ mag es vielleicht Möglichkeiten der Einflussnahme geben. Dazu reicht allerdings nicht das bloße Wissen um die Zusammenhänge, es bedarf wohl der höchstmöglichen Realisation. So wie Gautama Buddha nach erfahrener Erleuchtung von dunklen Mächten herausgefordert wurde, seine „Kräfte“ für persönlichen Komfort einzusetzen, soll, der Überlieferung nach, auch Jesus vom „Teufel“ das Angebot erhalten haben, ihm alle Königreiche der Welt zu schenken. Den Uneingeweihten mag es natürlich überraschen, dass von beiden das Angebot ausgeschlagen wurde. Doch dies liegt bloß daran, dass wir so fest glauben, dass es sich bei der wahrnehmbaren Welt um die einzige Realität handelt. Vorausgesetzt, dass sich Gewinne bei einem Computerspiel nicht in Geld ablösen lassen, wem würde es wirklich Freude bereiten, das vorgegebene Programm zu manipulieren, um zum uneingeschränkten Herrscher über ein Spiel zu werden?

Nein, natürlich bezweifle ich nicht, dass es Menschen gibt, die solcherlei Scherze liebend gerne betreiben. Doch gehe ich davon aus, dass Menschen mit derartiger Einstellung einen Artikel wie diesen kaum bis zum Ende lesen. Und dass Leute, die sich für Unsinniges begeistern können, sich mit Sicherheit keinen Fasten- oder anderen spirituellen Übungen hingeben, liegt wohl an ihrer inneren Einstellung. Doch diese kann sich, wie zuvor erwähnt, sobald einmal eine Sättigung erreicht ist, ja immer noch ändern.

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