Samstag , 20 April 2024
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Rauchen abgewöhnen mit Hilfe von Yoga

lake_mohawk_570Yoga ist in erster Linie eine Aktivität des Geistes. Physische Übungen dienen als Ergänzung, um den Körper gesund und frisch zu halten. Dementsprechend ist natürlich auch die passende Diät empfehlenswert sowie der Verzicht auf den Genuss von alkoholischen Getränken. Das gleiche gilt auch für Zigaretten. Jeder Raucher kennt die Probleme. Reduzierte Leistungsfähigkeit, Atemnot und nicht zuletzt das Suchtverhalten schlechthin. Trotz gewisser Hilfsmittel wie Kaugummi und Nikotinpflaster ist es aber nicht einfach, sich von der Sucht zu lösen. Zwei Wochen in intensive Übungen zu investieren, hilft nicht nur, das Verlangen nach Zigaretten zu überwinden, sondern auch, einen allgemeinen Zustand von zuvor nie gekannter Ausgeglichenheit zu erleben.

Es gibt wohl kaum einen Raucher, der noch nie versucht hat, es sich abzugewöhnen. Woran scheitert der Versuch üblicherweise?

Als erstes Hindernis lässt sich die schlichte Gewohnheit nennen. Die Zigarette zum Kaffee. Die Zigarette nach dem Essen, beim Fernsehen, wenn das Telefon läutet. Dutzende Male pro Tag findet sich der Raucher in einer Situation, die ihn ganz automatisch an eine Zigarette denken lässt. Besonders schlimm wird dies, wenn andere Leute in der Umgebung rauchen. Dazu kommt aber auch, dass nach einer bestimmten Zeitspanne Entzugserscheinungen einsetzen. Die Konzentration lässt nach. Ein Gefühl von Benommenheit tritt auf. Auch erhöhte Reizbarkeit gehört zu den unliebsamen Begleiterscheinungen. Wie lässt sich mit derartigen Problemen, die jede einzelne Minuten präsent zu sein scheinen, der ganze Tag verbringen? Wie lassen sich die ständig auftauchenden Konfrontationen bewältigen? Wie lässt sich bei reduzierter Konzentrationsfähigkeit die geforderte Leistung erbringen?

Grundvoraussetzung für den Erfolg ist natürlich der tiefe Wunsch, den Rest seines Lebens ohne dieser Abhängigkeit von Nikotin zu verbringen. Was ich im folgenden erkläre, braucht nicht als direkte Anleitung verstanden zu werden. Ich erzähle einfach, wie ich selbst die Nikotinsucht innerhalb weniger Tage überwunden habe. Und zwar ohne lästige Konfrontationen und ohne Qual. Ich war übrigens gewohnt, zumindest zwei Schachteln pro Tag zu rauchen. Mehr als zwanzig Jahre lang.

Als wesentlichstes Element erachte ich das Loslassen von wirklich allen Gewohnheiten. Ich mietete ein Zimmer in einer einfachen Pension am Waldrand. Ich ließ mich von einem Freund hinbringen. Ich wollte nicht einmal mein Auto vor der Tür stehen haben. Dass ich weder ein Handy noch einen Computer bei mir hatte, entsprach vor fünfzehn Jahren noch eher dem Normalfall. Ich würde aber auch heute diese Dinge zuhause lassen.

Die ersten beiden Tage verbrachte ich überwiegend im Bett. Natürlich verließ ich mehrere Male mein Zimmer, unternahm kurze Spaziergänge, versuchte zu lesen, doch es fehlte einfach an Konzentration. Die gewohnten drei Tassen Kaffee zum Frühstück fehlten mir ebenso wie – natürlich – die Zigaretten. Ich trank Wasser und ernährte mich von Vollkornbrot und rohem Gemüse.

Am dritten Morgen war die Benommenheit vorüber. Zwar war ich schon von meiner Kindheit an ein Morgenmuffel, doch noch zwei Tagen, die ich fast nur schlafend verbracht hatte, erwachte ich vor Sonnenaufgang. Ich begab mich ins Freie und führte rund zwei Stunden lang mein Programm von Yoga-Übungen durch. Asanas, Pranayamas, Meditation. Es hätte einen Frühstücksraum gegeben. Ich wollte jedoch weder normales Essen zu mir nehmen noch mit Leuten sprechen. Außerdem, für die nächsten drei Tage hatte ich ohnehin vor, ausschließlich Äpfel zu essen.

Nach dem Frühstücksapfel mit klarem Wasser machte ich mich auf den Weg in den Wald. Ich wanderte eine gute Stunde steil bergauf bis zu einem kleinen See mit Namen „Lake Mohawk“. Es war ein durchaus erfrischendes Erlebnis. Die Benommenheit war völlig vorüber. Ich konnte frei durchatmen. Obwohl der Weg wirklich anstrengend war, fühlte ich mein Herz wesentlich rhythmischer schlagen als sonst.

Ich suchte mir einen gemütlichen Platz am Ufer des Sees, beobachtete kleine Fische, lauschte dem Gesang der Vögel, dem Rauschen des Windes. Ich verbrannte Räucherstäbchen, schloss meine Augen, meditierte.

Am späten Nachmittag traf ich wieder bei meiner Pension ein. Ich aß meinen dritten Apfel, trank mehr klares Wasser, las einige Seiten in einem Buch vom Dalai Lama. „The Way to Freedom“, lautet der engliche Titel.

Müde war ich bei Sonnenuntergang noch lange nicht. Mein Zimmer glich in seiner Bescheidenheit einer Mönchszelle. In einem Aufenthaltsraum stand zwar ein Fernsehgerät, doch wollte ich mich für zwei Wochen vom Rest der Welt verschließen. Obwohl ich keineswegs gewohnt war, so zeitig schlafen zu gehen, legte ich mich ins Bett und schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete, war es vier Uhr morgens. Zeit für die Yoga-Übungen.

In der gleichen Art verbrachte ich die folgenden Tage. Nach der Apfeldiät, die ich problemlos – und auch ohne Hungergefühl – hätte weiter führen können, nahm ich dann doch wieder Vollkornbrot mit Erdnussbutter, rohe Karotten, Tomaten und grüne Paprika zu mir. Meine Wanderungen dehnte ich an manchen Tagen aus, genoss den Blick über die sanften Hügel der Region, die „Eastern Townships“ genannt wird, etwa 100 km östlich von Montreal.

Nach einer Woche waren meine Futtervorräte zu Ende. Zu Fuß nahm der Weg nach Sutton eine gute Stunde in Anspruch. Es war Mittagszeit und so beschloss ich, vor dem Besuch des Supermarktes, doch einmal ein warmes Essen zu mir zu nehmen. Ich fand ein gemütliches Pub und bestellte das einzige vegetarische Gericht. Pasta mit Oliven.

Es war also das erste Mal, dass ich mich wieder einer eher normalen Situation aussetzte. Mein nicht besonders schmackhaftes, dafür aber überteuertes, Gericht war verzehrt. Ich nahm einen Schluck Mineralwasser und starrte auf das Bierglas, das die Kellnerin gerade für einen anderen Gast füllte. Ob ich mir nach einer Woche der Abgeschiedenheit nicht doch ein Bier gönnen könnte, ging es mir durch den Kopf. Damals standen auch in Kanada noch Aschenbecher auf den Tischen. Allein der Gedanke an eine Zigarette erfüllte mich mit einem Wonnegefühl. Würden ein paar Züge wirklich meine Pläne auf den Kopf stellen?

Ich rief die Kellnerin. Und ich bat um die Rechnung.

Sobald ich das Lokal verlassen hatte, war die Zigarette ebenso vergessen wie das Bier. Ich füllte meinen Rucksack wieder mit den gewohnten Nahrungsmitteln und wanderte zurück zu meiner Pension.

Der Tagesablauf war immer der gleiche. Yoga-Übungen am frühen Morgen, der Aufstieg zum Lake Mohawk, teils ausgedehntere Wanderungen, anstatt der  Meditation am Seeufer, und dann doch wieder bloß Fische füttern und die werbenden Frösche belauschen. Ein paar Seiten im Buch vom Dalai Lama lesen. Zeitig ins Bett. Und, trotz der ungewohnt frühen Stunde, hatte ich keinerlei Probleme mit dem Einschlafen.

Die große, alles umfassende Erkenntnis, die ich in der Abgeschiedenheit zu finden gehofft hatte, stellte sich leider nicht ein. Ich war einfach entspannt, wirklich restlos ausgeglichen. Das Verlangen nach einer Zigarette, wie es sich noch beim Pub-Besuch in Sutton aufgedrängt hatte, blieb auch nach meine Rückkehr nach Montreal aus. Obwohl meine Frau rauchte. Sie zeigte sich rücksichtsvoll, wollte vor dem Anzünden der Zigarette das Zimmer verlassen, doch es störte mich tatsächlich nicht. Genau dabei handelt es sich schließlich um das beste Anzeichen dafür, ob die Sucht überwunden ist. Trotz der Anwesenheit von Rauchern, nicht einmal daran zu denken, selbst eine Zigarette anzustecken.

Ich ernährte mich weiter vegetarisch und verzichtete auf Alkohol. Dank dieser Disziplin konnte ich auch auf Ersatzbefriedigungen verzichten, das Verschlingen von Kartoffelchips oder Bonbons, was bei vielen Menschen zu Gewichtszunahme führt. Bei mir war das Gegenteil der Fall. Dank der regelmäßigen Bewegung und einer fleischlosen Diät, musste ich meinen Gürtel bald um zwei Löcher enger schnallen.

Es mag vielleicht ein Problem damit geben, zwei Wochen Zeit zu finden, um sich von der Welt, vor allem jedoch von den täglichen Gewohnheiten, abzuschotten. Allerdings, eine herkömmliche Urlaubsreise mag Erlebnisse und eine Vielzahl von Eindrücken mit sich bringen. Sich in die Einsamkeit zurückzuziehen führt jedoch zu einer Erfahrung, die für die meisten Menschen eine völlig neue wäre. Zwei Wochen ganz mit sich alleine verbringen. Von keinem Zeitplan gedrängt zu sein, von niemandem nach Erklärungen gefragt zu werden. Einfach nur vor sich hin denken, die frische, duftende Luft des Waldes einsaugen, die Natur genießen.

Dass es auf diesem Weg wirklich einfach ist, das Rauchen aufzugeben, mag vielleicht sogar eine Randerscheinung sein. Was ich als wesentlich wichtiger bezeichnen würde, ist die Harmonie mit sich selbst. Welche Erkenntnisse sich unter derartigen Voraussetzungen finden lassen, hängt natürlich vom einzelnen Menschen ab. Welchen Einfluss so eine Erfahrung auf das weitere Leben ausüben könnte, unterliegt ebenfalls individuellen Umständen. Zwei Wochen ohne jeglichen Stress zu verbringen, dabei handelt es sich jedenfalls um ein Erlebnis, das sich jeder Mensch wirklich einmal gönnen sollte. Auch wenn er nicht zu den Rauchern zählt, wenn es bloß darum geht, Distanz zu den so vieles überschattenden Gewohnheiten des Alltags zu finden.

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