Donnerstag , 28 März 2024
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Yoga: Der Sonnengruß

yoga_3_naturIm Anschluss an den am vergangenen Sonntag auf dieser Plattform veröffentlichten Artikel, der einen Überblick über die Yoga-Lehre im allgemeinen zu vermitteln versuchte, möchte ich einige Anleitungen zur Durchführung von Asanas, Yogastellungen, abgeben. Bei den Stellungen, die in diesem und in folgenden Beiträgen beschrieben werden, handelt es sich um wirklich einfach durchzuführende Übungen. Diesbezüglich möchte ich aber auch gleich eine dringliche Empfehlung aussprechen: Wenn Sie Yogastellungen aus Büchern oder durch Webseiten erlernen, beschränken Sie sich ernstlich auf solche, die Ihrem Körper auch sicher keinen Schaden zufügen können. Extremere Übungen führen Sie grundsätzlich nur unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers durch. Vergessen Sie niemals, dass Yoga absolut nichts mit Leistungsdenken zu tun hat. Fortschritte beschränken sich auf Geist und Empfinden. Die äußere Erscheinung ist sekundär.

Falls Sie meinen einführenden Artikel vom vergangenen Sonntag nicht gelesen haben, so rate ich, dies zu tun, bevor Sie sich mit einzelnen Übungen des Hatha-Yoga befassen.

Nachdem Yoga Harmonie und Ausgeglichenheit ins tägliche Leben bringen soll, ist es wesentlich empfehlenswerter, täglich eine beschränkte Auswahl von Übungen durchzuführen, anstatt einmal wöchentlich – wie beim Besuch eines Fitness-Centers – bis zur Erschöpfung zu praktizieren. Wählen Sie einen Raum, in dem Sie ungestört sind. Wenn Sie möchten, lassen Sie sanfte Musik erklingen, wenn nicht, lauschen Sie der inneren Ruhe. Auch das Anzünden einer Kerze oder das Verbrennen von Räucherstäbchen hängt völlig von Ihren eigenen Vorstellungen ab. Ob Sie zu Beginn schlicht die Augen schließen und einige Male durchatmen oder ob es Ihrer Ausgeglichenheit dient, Mantras zu wiederholen, bleibt ausschließlich Ihnen überlassen. Wiederholen Sie mehrmals mit sanfter Stimme langsam: „Ohm“, so könnte es sein, dass sich bereits dadurch ein Zustand der Entspannung einstellt.

Breiten Sie eine weiche Unterlage, eine Matte oder Decke, am Boden aus. Im günstigsten Fall sollte diese nach der Ost-West-Achse ausgerichtet sein. Das Magnetfeld der Erde übt Einfluss auf unseren Geist aus. Wir leben im Magnetfeld. Richten Sie Ihren Blick nach Osten. Manchen Empfehlungen zufolge, sollte der Sonnengruß, wenn er in den Abendstunden ausgeführt wird, nach Westen ausgerichtet sein.

In Indien werden die frühen Morgenstunden als beste Tageszeit für das Praktizieren von Hatha-Yoga genannt. Zwingen Sie sich aber nicht dazu. Liegt es Ihnen eher, den Nachmittag oder die Ruhe des Abends zu nutzen, folgen Sie Ihrer eigenen Tendenz.

Die Bergstellung – Tadasana

Dabei handelt es sich um den Anfang jeder Reihe von Übungen, ungeachtet wie viele verschiedene Stellungen Sie in Folge ausführen werden. In den verschiedenen Beschreibungen von Asanas finden sich oft kleine Unterschiede in den Details. Meist sind solche unwesentlich. So wird bezüglich der Bergstellung gelegentlich empfohlen, mit leicht gespreizten Beinen Stellung einzunehmen. Ich gebe die Erklärungen in der Art weiter, wie ich sie von meinem eigenen Lehrer in Rishikesh übernommen habe.

Stehen Sie mit geschlossenen Beinen völlig gerade. Die Augen geöffnet. Fühlen Sie die leichten Schwankungen ihres Körpers. Wenn nötig, korrigieren Sie die Position Ihrer Füße. Verlagern sie das Ihr Gewicht, ohne die gerade Haltung aufzugeben, leicht nach vorne und dann nach hinten. Finden Sie auf diesem Wege, einem Pendel gleich, die stabilste Lage. Sobald Sie diese gefunden haben, führen Sie die gleiche Pendelbewegung nach rechts und links aus.

Gleich einer Statue, verharren Sie nun völlig still. Ihre Arme hängen natürlich und zwanglos  an Ihrer Seite. Strecken Sie den Körper, von den Knien bis zum Hals. Stellen Sie sich vor, dass Sie größer werden. Wenn Sie möchten, schließen Sie jetzt die Augen. Es bleibt Ihnen überlassen, wie lange Sie in dieser Position verweilen. Eine Minute, zwei oder länger.

Der Sonnengruß – Surya Namaskar

Dabei handelt es sich um eine Reihe einzelner Bewegungen, die sowohl die Gelenkigkeit steigern als auch die Muskeln beanspruchen. Das Tempo bleibt Ihnen überlassen. Gewöhnen Sie sich von Anfang an den richtigen Atemrhythmus an. Ein Zyklus besteht aus zwölf Schritten. Wie viele Zyklen Sie wiederholen, hängt von ihrer physischen Verfassung ab. Beginnen Sie mit vier, sechs oder zehn. Praktizieren Sie regelmäßig, können Sie die Zahl langsam steigern.

sonnengruss_11.) Wie in der Bergstellung, stehen Sie gerade, etwa ein Drittel vom vorderen Rand ihrer Matte entfernt. Falten Sie die Hände vor der Brust. Halten Sie dabei die Unterarme im rechten Winkel zum Körper. Ihre Daumen befinden sich somit etwa auf der Höhe des Herzens.

sonnengruss_22.) Strecken Sie beide Arme in die Höhe, die Daumen ineinander verschränkt. Bringen Sie Ihre gesteckten Arme hinter den Kopf und biegen gleichzeitig Ihren Oberkörper etwas nach hinten (nicht übertreiben). Während Sie diese Bewegung ausführen, atmen Sie ein.

sonnengruss_33.) Beugen Sie Ihren Oberkörper nach vorne. Die Knie bleiben gestreckt. Wenn möglich, berühren Sie mit den Handflächen den Boden direkt vor Ihren Füßen. Ausatmen.

sonnengruss_44.) Während Sie das rechte Bein abwinkeln, strecken Sie das linke gerade nach hinten (beim nächsten Zyklus umgekehrt). Einatmen.

sonnengruss_55.) Nun strecken Sie auch das rechte Bein nach hinten und nehmen dadurch eine Stellung ein, als würden Sie Liegestütz ausführen. Ausatmen.

sonnengruss_66.) Und genau wie beim Ausführen von Liegstütz, legen Sie sich flach auf den Boden. Bei diesem Schritt führen Sie keinen Atemzug durch.

sonnengruss_77.) Jetzt strecken Sie die Arme wieder, lassen Ihren Oberkörper aber durchhängen. Einatmen.

sonnengruss_88.) Ihre Hände und Füße bleiben am selben Platz. Die Körpermitte heben Sie an und formen eine Art Dachgiebel. Ausatmen.

sonnengruss_49.) Nach außen einen Halbkreis andeutend, ziehen Sie das linke Bein (beim nächsten Mal das rechte) an. Der Fuß kommt der auf der Unerlage ruhenden Hand etwa so nahe wie bei Schritt 3 und 4. Einatmen.

sonnengruss_310.) Jetzt ziehen Sie Ihr rechtes Bein (und beim nächsten Mal natürlich das linke) in der gleichen Weise, einen Halbkreis andeutend, an. Dabei strecken Sie beide Beine durch, Ihre Hände bleiben weiter am Boden. Sie nehmen somit die selbe Stellung ein wie in Schritt 3. Ausatmen.

sonnengruss_211.) Sie richten sich völlig auf und bringen dabei wieder beide Hände, die Daumen verschränkt, etwas hinter Ihren Kopf, den Oberkörper leicht nach hinten gebogen. Einatmen.

sonnengruss_112.) Sie nehmen wieder eine völlig gerade Position ein und falten die Hände vor Ihrer Brust wie in der Ausgangsstellung. Ausatmen.

 

Sollten Sie außer Atem sein (hoffentlich nicht nach dem ersten Durchgang), können Sie ein paar Atemzüge abwarten. Ansonsten gehen Sie ohne Unterbrechung zu Schritt 2.

Entspannungs- oder Totenstellung – Shavasana

totenstellungDiese Position nehmen Sie nach jeder einzelnen Übung so lange ein, bis Ihr Atem wieder völlig ausgeglichen ist und Ihr Herzschlag dem Rhythmus des Ruhezustandes entspricht. Die im folgenden beschriebene geistige Hilfe, Muskel um Muskel einzeln zu entspannen, kann bei der Wiederholung nach anderen Übungen entfallen. Hat sich der physische Entspannungszustand in ihrem Gedächtnis eingeprägt, ist es einfach, alle Muskeln gleichzeitig, während des Ausatmens, in Ruhezustand zu versetzen.

Sie legen sich auf den Rücken. Die Beine ausgestreckt und leicht gespreizt, die Arme etwa 20 bis 30 Zentimeter neben Ihrem Körper, die Handflächen nach oben. Ihre Augen halten Sie geschlossen.

Bewegen Sie leicht und kurz Ihre beiden großen Zehen, gleichzeitig. Wiederholen Sie dies mit allen Zehen, eine nach der anderen. (Kümmern Sie sich nicht darum, dass es nicht exakt funktioniert.) Die Muskeln Ihrer Zehen sind nun völlig entspannt. Lösen Sie im Anschluss die Spannung der gesamten Fußmuskulatur. Entspannen Sie ihre Unterschenkel, danach die Knie, die Muskulatur der Oberschenkel. Ihre Hüften ruhen unbeweglich auf der Unterlage. Entspannen Sie ebenso den Anus und das Geschlechtsteil. Gehen Sie gedanklich zurück zu Ihren Füßen und den Zehen und suchen Sie Körperteil um Körperteil nach restlichen Spannungen ab. Sie fühlen deutlich den Unterschied. Von den Hüften abwärts ist Ihr Körper nun völlig regungslos.

Lassen Sie Ihre Gedanken durch die Rückenmuskulatur ziehen. Sie entspannen Ihre Schultern, danach die Brust- und Bauchmuskeln. Völlig regungslos, bewegungsunfähig, ruht das Zentrum Ihres Körpers auf der weichen Unterlage. Fühlen Sie Ihre Wirbelsäule und die Form Ihrer Rippen. Fühlen Sie ihre Nieren und versuchen Sie, diese zu entspannen. Danach die Leber. Dann das Herz.

Von den Schultern wandern Sie im Geist durch die Oberarme und lösen bewusst die Spannung jedes einzelnen Muskels. Dann die Unterarme. Immer beide gleichzeitig. Bewegen Sie leicht ihre Finger, um auch diese in eine regungslose Position sinken zu lassen.

Neigen Sie Ihren Kopf leicht nach links, dann nach rechts und danach lassen sie ihn ruhen. Auch Ihre Nackenmuskel sind nun völlig gelöst. Über den Hinterkopf ziehen Ihre Gedanken zur Stirn. Auch diese entspannen Sie, die Schläfen, die Augen, , die Lider, die Backen, die Nasenflügel, Oberlippe, Zunge, Unterlippe.

Nur Ihr Geist ist noch zu Bewegungen fähig. Noch einmal lassen Sie ihn durch Ihren ganzen Körper ziehen, von den Zehen über die Beine in den Oberkörper. Suchen Sie nach Resten von Anspannungen.

Fühlen Sie Ihre eigenen Knochen in einem schwerelosen Körper, der sich regungs- und empfindungslos in völligem Ruhezustand befindet.

Stellen Sie sich im Gedanken diesen unbeweglichen Körper vor. Betrachten Sie ihn von außerhalb. Während dieser in angenehmer Ausgeglichenheit auf dem Boden ruht, kann sich Ihr Geist frei im Raum bewegen. Verlassen Sie den Raum. Stellen Sie sich das Dach Ihres Hauses vor. Steigen Sie höher. Sie sehen Ihr Wohnviertel wie aus einem Flugzeug, die ganze Stadt. Sie steigen höher und erkennen die Krümmung der Erde – sie ist blau und von Wolkenformationen umhüllt. In Distanz sehen Sie den Mond, sehen die leuchtende Sonne. Auch diese entschwindet Ihrem Blick. Nur eine endlose Zahl von Sternen gleitet in der dunklen Stille an Ihnen vorüber.

Kehren Sie langsam wieder um. Betrachten Sie die Sonne und dann den blauen Planeten, der vor ihrem inneren Auge immer größer wird. Sie erkennen die Stadt, Ihr Wohnviertel, Ihr Haus.

Sie kehren in ihren Körper zurück. Füllen ihn aus.

Als erstes öffnen Sie die Augen. Dann bewegen Sie Ihre Finger, die Zehen und danach erst langsam den Rest des Körpers.

 

Nehmen Sie sich täglich die kurze Zeit, vielleicht eine Viertelstunde, um diese Übungen auszuführen, so werden Sie in wenigen Tagen feststellen, dass ein wahrnehmbares Gefühl der Ausgeglichenheit in Ihr Leben tritt. Natürlich dürfen Sie mit keinen Wundern rechnen. Schrauben Sie Ihre Erwartungen nicht zu hoch. Den Rest des Tages finden Sie sich schließlich weiterhin mit dem gewohnten Stress konfrontiert.

Für den Anfang reicht es jedenfalls völlig aus, mit Bergstellung beginnend und mit der Entspannungsstellung endend, einige Sonnengrüße durchzuführen. Am nächsten Sonntag melde ich mich wieder mit einigen weiteren Übungen. Und bis dahin, wünsche ich gutes gelingen.

 

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