Die Bürger eines Staates formen – im Idealfall – eine Gemeinschaft. Unverzichtbare Grundvoraussetzung für harmonisches Zusammenleben ist mit Sicherheit der gegenseitige Respekt. Analysen bezüglich möglicher Probleme im Zusammenhang mit der Integration von Zuwanderern, insbesondere wenn sie der islamischen Glaubensgemeinschaft angehören, befassen sich in erster Linie mit der möglichen Ablehnung der fremden Kultur durch Deutsche. Setzen wir uns jedoch mit den Grundprinzipien islamischen Denkens näher auseinander, so wird deutlich, dass es sich bei den Vorurteilen gegen sogenannte „Ungläubige“ um die erste – und vielleicht sogar unüberwindbare – Barriere handelt.
Ein Mann, der darum gebeten hat, seinen Namen nicht zu veröffentlichen, hat uns einen Artikel in englischer Sprache zur Verfügung gestellt, der sich am Ende des Beitrages im Originaltext nachlesen lässt. Er lebt selbst als Einwanderer in Nordamerika, ist sowohl mit dem christlichen als auch dem muslimischen Glauben bestens vertraut, und der Umstand, dass er Deutschland nur von außen her kennt, bringt mit Sicherheit einen erhöhten Grad an Objektivität mit sich.
Wie der erste Teil des Artikels zeigt, ist der Autor mit der Entwicklung der Situation in Deutschland bestens vertraut. Er verweist auf den Ursprung der Einwanderungswelle, aufgrund des wirtschaftlichen Booms der 1960er- und 1970er-Jahre. Integration sei jedoch kein Thema gewesen, denn, so erinnert er an eine offizielle Stellungsnahme von damals, Deutschland war kein Einwanderungsland. Über Jahrzehnte hinweg dominierte die naive Erwartung, „Gastarbeiter“ würden nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages wieder in ihre Heimat zurück kehren und Integrationsprogramme lagen über lange Zeit nur für sogenannte „Spätaussiedler“ vor. Erst seit einigen Jahren wird die mögliche Integration von Zuwanderern, die anderen Kulturkreisen entstammen, in der Öffentlichkeit diskutiert. Dazu schreibt der Autor wörtlich:
„Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es wichtig klarzustellen, dass es sich bei Integration um eine freiwillige Entscheidung handelt, welche die ernsthafte Bereitwilligkeit, einen aktiven Status in der Gesellschaft des Gastlandes einzunehmen, einschließt, während es sich bei Assimilation um soziale, religiöse oder kulturelle Unterdrückung handeln könnte. Assimilation ist nicht unser Thema.“
Der folgende Absatz, den ich ebenfalls wörtlich übersetze, könnte als persönliche Meinung betrachtet werden. Keinesfalls jedoch lässt sich dieser Aussage der Sinn absprechen:
„Offensichtlich handelt es sich bei Deutschland um einen nichtkirchlichen Staat, obwohl christliche und jüdische Traditionen seit Jahrhunderten das öffentliche Leben prägen. Demzufolge erfordert ein aufrichtiges und ehrliches Verlangen nach Integration, dass Einwanderer ihr soziales, religiöses und kulturelles Verhalten bzw. ihre Einstellung modifizieren oder anpassen, um dieses harmonisch und erfolgreich mit dem der etablierten bestehenden Gesellschaft zusammen zu führen und zu verbinden.“
Deutschland hat, so gibt sich der Außenstehende überzeugt, seinen Anteil an diesem Harmonisierungsprozess zur Gänze geleistet, was er insbesondere in der absoluten Gleichstellung von Zuwanderern im Bereich sozialer Förderungen wie Arbeitslosen- oder Kindergeld erkennt. Gleichzeitig sieht er jedoch Mängel im Dialog zwischen der deutschen Regierung und Vertretern des Islams, was er darauf zurück führt, dass es in dem Land mit mehr als 2.500 Moscheen zumindest 13 verschiedene Organisationen sind, die den Anspruch erheben, die Ideologie des Islams in Deutschland zu vertreten.
Die Kompliziertheit der Ausarbeitung eines Dialogs mit möglichen Schritten zur gesellschaftlichen Harmonisierung lässt sich jedoch am besten dadurch veranschaulichen, dass die islamische Lehre keinen Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Leben vorsieht. Der Koran als „Wort Gottes“, der Menschheit durch den Propheten offenbart, gibt die Regeln sowohl für das private als auch das öffentliche und politische Leben vor. Demzufolge findet sich der gläubige Muslim, der den Geboten des Korans zu folgen versucht, mit ernsthaften Problemen konfrontiert, wenn er gleichzeitig danach strebt, die entsprechenden Vorgaben mit dem säkularen Lebensstil in Deutschland in Verbindung zu bringen.
Dazu einige Beispiele aus dem Koran:
„Zeige uns den rechten Weg, den Weg derer, die Du begünstigt hast; nicht den (Weg) derer, die Deinen Ärger hervorrufen, noch derer, die in die Irre gehen“ (Sure 1, „Eröffnung“)
Bei der Feststellung, dass sich die beiden Formulierungen: „Derer, die (Allahs) Ärger hervorrufen“ auf Juden und: „Derer, die in die Irre gehen“, auf Christen beziehen, handelt es sich keineswegs um eine spekulative Auslegung, sondern um allgemeines Gedankengut
„O ihr, die ihr glaubt, nehmt nicht eure Väter und eure Brüder zu Beschützern, wenn sie den Unglauben dem Glauben vorziehen. Und diejenigen von euch, die sie zu Beschützern nehmen – das sind die Ungerechten.“ (Sure 9, 23, „Buße“)
Hierbei handelt es sich um eine dringliche Empfehlung, sich von Nicht-Muslimen abzuwenden, selbst wenn es sich um die nächsten Familienmitglieder handelt.
„O ihr, die ihr glaubt! Wahrlich, die Götzendiener sind unrein. Darum dürfen sie sich nach diesem ihrem Jahr der heiligen Moschee nicht nähern. Und falls ihr Armut befürchtet, so wird euch Allah gewiss aus Seiner Fülle reich machen, wenn Er will. Wahrlich, Allah ist Allwissend, Allweise.
Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag glauben, und die das nicht für verboten erklären, was Allah und Sein Gesandter für verboten erklärt haben, und die nicht dem wahren Glauben folgen – von denen, die die Schrift erhalten haben, bis sie eigenhändig den Tribut in voller Unterwerfung entrichten.
Und die Juden sagen, Esra sei Allahs Sohn, und die Christen sagen, der Messias sei Allahs Sohn. Das ist das Wort aus ihrem Mund. Sie ahmen die Rede derer nach, die vordem ungläubig waren. Allahs Fluch über sie! Wie sind sie (doch) irregeleitet!
Sie haben sich ihre Schriftgelehrten und Mönche zu Herren genommen außer Allah; und den Messias, den Sohn der Maria. Und doch war ihnen geboten worden, allein den Einzigen Gott anzubeten. Es ist kein Gott außer Ihm. Gepriesen sei Er über das, was sie (Ihm) zur Seite stellen!“ (Sure 9, 28 – 31, „Buße“)
Mit „Götzendienern“ werden u. a. Christen bezeichnet, was sich auf Gebete vor Statuen von Jesus, Maria oder Heiligen bezieht. „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah … glauben!“ Als „Schrift“ wird die christliche Bibel bezeichnet, und der Kampf hat so lange anzudauern, „bis sie eigenhändig den Tribut in voller Unterwerfung entrichten“.
Und sollte in diesem Zusammenhang irgend jemand davon ausgehen, dass es sich bei diesen Worten um rein symbolische Aussagen handelt, so ist er sich der Bedeutung und der wörtlichen Auslegung des Korans im Leben von Muslimen nicht im geringsten bewusst.
„Und bekämpft die Götzendiener allesamt, wie sie euch allesamt bekämpfen; und wisset, dass Allah mit denjenigen ist, die Ihn fürchten.“ (Sure 9, 36, „Buße“)
„Und tötet sie, wo immer ihr auf sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben, denn Verfolgung ist schlimmer als Töten! Kämpft jedoch nicht gegen sie bei der geschützten Gebetsstätte, bis sie dort (zuerst) gegen euch kämpfen. Wenn sie aber (dort) gegen euch kämpfen, dann tötet sie. Solcherart ist der Lohn der Ungläubigen.
Wenn sie jedoch aufhören, so ist Allah Allvergebend und Barmherzig.
Und kämpft gegen sie, bis es keine Verfolgung mehr gibt und die Religion (allein) Allahs ist. Wenn sie jedoch aufhören, dann darf es kein feindseliges Vorgehen geben außer gegen die Ungerechten.“ (Sure 2, 191 – 193, „Die Kuh“)
„Wahrlich, jene, die ungläubig sind unter dem Volk der Schrift und die Götzendiener werden im Feuer der Dschahannam sein; ewig werden sie darin bleiben; diese sind die schlechtesten der Geschöpfe.“ (Sure 98, 6, „Der klare Beweis“)
Noch einmal möchte ich festhalten, dass Muslime dem Koran wesentlich mehr Bedeutung zumessen als selbst gläubige Christen der Bibel. Natürlich soll dies keinesfalls bedeuten, dass jeder Muselman danach trachtet, sich an der Ausführung der zitierten Aufforderungen auch selbst zu beteiligen. Das Problem liegt im Widerspruch zwischen den religiösen Anforderungen und dem Versuch, mit „Ungläubigen“ in Harmonie zu leben. Aus der Sicht gläubiger Muslime ist der Konflikt erst dann zu Ende, wenn sich Nicht-Muslime bereitwillig der Herrschaft des Islams unterwerfen und freiwillig ihnen auferlegte Steuern entrichten.
Abschließend möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen, dass weder der vorliegende Artikel in englischer Sprache noch die deutsche Zusammenfassung dem Ziel dienen, antiislamische Stimmung zu schaffen. Die Ausführungen veranschaulichen religiöse Gebote und verweisen auf den hohen Stellenwert, den diese im alltäglichen Leben gläubiger Muslime bekleiden.
Während ich – als Autor des deutschen Textes – jeglichen Vorwurf von „Islamfeindlichkeit“ aufs schärfste zurückweise, lade ich gleichzeitig aber auch jeden Muslimen dazu ein, eine Lösung dieses scheinbar unlösbaren Widerspruchs anzubieten.
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