Donnerstag , 25 April 2024
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Sind die heutigen Abiturfeiern völlig übertrieben?

Bildquellenangabe: ©Dieter Schütz / pixelio.deSauftour nach Schweden, Abiball auf Mallorca oder im besten Hotel der Stadt? Der Schulabschluss wird hierzulande zunehmend teurer, aufwendiger und „klassenbewusster“ gefeiert. Manche Familien müssen dafür Summen aufbringen, die das Haushaltsbudget eigentlich nicht hergibt.

Haben Sie noch in einer Zeit Abi gemacht, als in der Aula Reden gehalten wurden, in denen den Absolventen gute Ratschläge mit auf den Weg gegeben wurden? Oder stammen Sie aus der Generation der „Null Bock“-Abiturienten, die alles spießig fanden, was Feiern und Feste betraf? Heute geht es vielerorts so zu, wie es die Großeltern aus den 50er- und 60er-Jahren kennen: Hochfrisur und Ballkleid sind angesagt, und auf den Einladungen zum „Event“ Abiball steht als Dresscode „black tie“, damit ja kein männlicher Ballbesucher in Jeans und Sakko aufkreuzt.

Prall gefüllt Abikassen

Um sich eine standesgemäße Abschlussfeier leisten zu können, sparen viele Klassen beizeiten an. Sie suchen sich sogar Sponsoren, damit vom Feinsten gespeist, getrunken, gefeiert und getanzt werden kann. Natürlich mit einer Live-Band und vielen stolzen Eltern und Verwandten. Wohlgemerkt, es ist die Rede von einem Schulabschluss, der rund eine halbe Million Abiturienten pro Jahr in Deutschland betrifft.

Es gibt inzwischen spezielle Ratgeber im Internet, die junge Leute anleiten, wie sie ihre Abikasse in Eigeninitiative füllen können. Da ist von „Geld-mach-Aktionen“ die Rede, die zukünftige BWLer bereits als Übung für spätere Manageraufgaben umsetzen können. Sie finden dort auch Anregungen, wie sie sich vor dem Abitur bereits als Veranstalter von sogenannten Abipartys lukrativ betätigen können. Und dabei stets das Ziel im Auge behalten: Zum Abi lassen wir es krachen, da soll es uns und unseren Gästen an nichts fehlen.

Kritiker betrachten diese Entwicklung mit Skepsis und glauben, in luxuriösen Abifeiern einen „Ausweis sozialer Differenz“ zu erkennen – nach dem Motto „Die Elite feiert – und der Rest bleibt draußen“. Zukünftige Akademiker bereiten sich auf das Gesellschaftsleben vor und beweisen bereits als frischgebackene Erwachsene Lebensart oder das, was sie dafür halten. Professionelle Event-Veranstalter verdienen sich damit eine goldene Nase. In Berlin sorgte vor einigen Jahren ein Fall für Schlagzeilen, als sich ein solcher Veranstalter mit der Abikasse, die über 40.000 Euro enthielt, aus dem Staube machte. Die geprellten Abiturienten starteten daraufhin eine Spendenaktion, um ihren Abiball zu retten.

Der Trend zum Protzen und zur Übertreibung ist nicht zu übersehen – was mit dem Abiball beginnt, setzt sich zu anderen Anlässen fort, beispielsweise bei pompösen, mit allem Brimborium inszenierten Hochzeitsfeiern.

Bild: ©tjschloss / Flickr.com

Schule vorbei – das muss gefeiert werden!

Natürlich ist das Abitur ein wichtiges Ereignis im Leben und ein Grund zum Feiern. Eine tolle Party sollte mindestens veranstaltet werden – früher fanden diese oft im Freien statt, und haufenweise Schulhefte landeten im Lagerfeuer. Auch eine Abizeitung mit Anekdoten aus der Schulzeit und mehr oder weniger ironischen Porträts von Klassenkameradinnen und Klassenkameraden hat Tradition. Sie bietet eine gute Gelegenheit, die Lehrer noch einmal richtig durch den Kakao zu ziehen. Es soll Eltern geben, die ihren Nachwuchs anhand der Abizeitung aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachten. Der aufmüpfige Knabe daheim soll das soziale Gewissen der Klasse gewesen sein? Die scheue Tochter die umschwärmte Stimmungskanone? Investigativer Nachwuchsjournalismus bringt manches gut gehütete Geheimnis an den Tag.

Wurden in früheren Zeiten Abizeitungen und Einladungen zum Abiball noch mit Letraset und Klebestift fabriziert, lassen sie sich heute am PC mit professionellem Layout und tadelloser Typografie gestalten.

Witzige Ideen für die Abschlussfeier

In den meisten Schulen und ehrwürdigen Gymnasien findet eine offizielle Schlussfeier mit Musik und Ansprachen statt. Die Abiturienten müssen sich dafür nicht in Schale werfen, sondern können in Ermangelung einer Schuluniform beispielsweise im Einheitslook erscheinen – weiße Bluse, weißes Hemd und schwarze Hose, oder sie tragen alles das gleiche T-Shirt, das mit einem passenden Spruch zur Feier des Tages bedruckt ist.

Meistens wird einer ausgeguckt, der oder die im Namen der Abiturienten eine Rede hält und sich von der Schule verabschiedet. So läuft es traditionell, könnte aber auch anders gemacht werden – etwa mit einem Sketch oder einer kabarettistischen Einlage, an der sich mehrere beteiligen. Es gibt auch Möglichkeiten, die gesamte Klasse als eine Art Chor mit einzubeziehen.

Letztendlich ist es eine Frage des Stils und auch des sozialen Bewusstseins, ob sich Abiturienten wie Mitglieder der High Society aufführen wollen. Es geht auch anders – origineller, jünger und kreativer. Der Überraschungsfaktor dürfte für alle Beteiligten weitaus größer sein, wenn sich der Rahmen für ein rauschendes Fest nicht an den Konventionen und den Angeboten der Nobelgastronomie orientiert. Das echte Lebensgefühl der Abiturienten spiegelt sich in einem First-Class-Ball kaum wider. Sie sind durchweg ganz normale junge Leute und unterscheiden sich von anderen vor allem dadurch, dass sie länger zur Schule gegangen sind und in den meisten Fällen noch kein Geld verdient haben.

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