Samstag , 7 Dezember 2024

Abgestumpft!

thrive energy ballWirtschaftskrise. Haben wir davon nicht schon genug gehört? Volksaufstände und Bürgerkrieg. Doch nicht bei uns! Es geht uns doch allen gut, sagen die Einen. Wir werden ausgebeutet, sagen die Anderen. Das bestehende System zu kritisieren, mag ja noch leicht sein. Allgemein zufriedenstellende Lösungen zu finden, gleicht hingegen einer Unmöglichkeit. Schmeckt ein Gericht einmal verdorben, lässt sich dieser Geschmack durch die Zugabe neuer Gewürze auch nicht mehr verbessern. Und Demokratie ist, zumindest in der Form, wie sie in den westlichen Industrienationen angewandt wird, nichts anderes als ein Deckmantel zum Ruhigstellen des Humankapitals.

Wie ist es möglich, dass Kommentare zur Lebenssituation in Deutschland oft so unterschiedlich ausfallen? „In diesem Land geht es doch niemandem schlecht!“, lässt sich oft genug vernehmen, während Andere klagen, dass sie trotz Vollzeitbeschäftigung finanziell einfach nicht zurechtkommen.

„Weil sie nicht wirtschaften können“, mag der Einwand der Konformisten lauten. Eine Studie des Marktforschungsinstutes GfK in Nürberg aus dem Vorjahr besagt, dass jedem Deutschen im Durchschnitt 5.329 Euro jährlich als Kaufkraft für den Einzelhandel zur Verfügung stehen. Das wäre das Bruttoeinkommen abzüglich Steuern, Versicherung, Wohn- und Transportkosten. Die genannten 5.329 Euro dienen also für Essen, Trinken, Kleidung, Hygiene, Bildung, Unterhaltung, Möbel, Küchengeräte … 5.329 : 365 = 14,6. Zweifellos lässt es sich mit knapp 15 Euro pro Tag überleben. Zigmillionen Deutsche schaffen es und klagen nicht einmal darüber. Denken wir näher nach, ob dieser Betrag, der Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen für die täglichen Ausgaben zur Verfügung steht, einen ausgewogenen Leistungsaustausch repräsentiert, drängen sich Zweifel auf.

Wann und wo ist es den Menschen denn jemals besser ergangen? Diese Frage verfügt zweifellos über Schlagkraft. Und, wenn wir einen Blick auf den materiellen Komfort des Durchschnittsbürgers werfen, auf sein Auto, seine Kleidung und die auch kostengünstig verfügbare Speisenwahl, so müssen wir eingestehen, dass weder unsere Urgroßeltern noch die Bewohner vieler anderer Regionen von derartigem „Luxus“ auch nur träumen konnten oder können.

Trotzdem sind es immer mehr Menschen, die nicht mehr daran glauben, dass wir in einer „heilen Welt“ leben. Die über den eigenen Alltag hinausblicken. Die sich um die eigene Zukunft und mehr noch um die ihrer Kinder Sorgen machen. Denn wir brauchen bloß einen Rechenstift zur Hand zu nehmen, um festzustellen, dass dieses System, das uns diesen trügerischen Wohlstand beschert, langfristig nicht tragbar ist. Unübersehbar sind die Umweltschäden, der Raubbau an Rohstoffen, die Ungerechtigkeiten in der Vermögensverteilung – und nicht zuletzt der psychische Druck, der immer stärker auf dem Einzelnen lastet.

Im September des Vorjahres berichtete die ÄrzteZeitung, dass 38 Prozent der Europäer unter psychischen Störungen leiden. Das ist mehr als jeder Dritte. Lässt sich hier wirklich behaupten, dass doch Jeder selbst daran Schuld trage, wenn er bei diesem Rattenrennen nicht mithalten kann? Die Pharmaindustrie freut sich natürlich über solche Zahlen. Denn kranke Menschen bedeuten mehr Geschäft. Doch, obwohl diese Meldung durch die Massenmedien weitergegeben wurde, zeigte sich nirgends jene Reaktion, die zu erwarten gewesen wäre: Wenn die Lebensbedingungen nämlich krank machen, dann wäre es das Naheliegendste, die Bedingungen zu ändern, anstatt diese beizubehalten und den Betroffenen Drogen, hierzulande Medizin genannt, zu verabreichen.

Gewiss, wie die Reaktionen auf einen damals verfassten Artikel zeigten, sind es durchaus viele Menschen, die sich durch derart schockierende Fakten wachrütteln lassen. Doch folgte eine öffentliche Diskussion? Wurde das Problem von unseren Politikern behandelt? Oder kümmern sich diese lieber darum, den Finanzsektor zufriedenzustellen?

An dieser Stelle möchte ich an die Kosten unseres Gesundheitssystems erinnern. Jeder Arbeitnehmer bezahlt, den Arbeitgeberanteil natürlich berücksichtigend, ein Fünftel seines Einkommens für die Krankenvorsorge. Rechnen Sie einmal hoch, wie viel Sie im Laufe eines Jahres in diese Zwangsversicherung einbezahlen. Wie viel im Laufe von zehn Jahren. Und dann bedenken Sie, welche Behandlung Ihnen als „Kassenpatient“ zuteil wird, wenn Sie wirklich einmal eine Leistung in Anspruch nehmen müssen. (Es mag zwar nichts ändern, doch erklären Sie dem oder der Angestellten im Krankenhaus, wie viel Sie in diese Versicherung bereits einbezahlt haben, wenn Sie das nächste Mal überheblich als drittklassiger Patient behandelt werden.)

Dazu noch ein Denkanstoß: Wenn fast Jeder ein Fünftel seines Einkommens für die Krankheitsvorsorge aufwendet, dann müsste in einer Gemeinschaft auch annähernd jeder Fünfte sein Einkommen direkt oder indirekt aus dem Gesundheitswesen beziehen, was aber keineswegs der Fall ist. Ist es moralisch zu rechtfertigen, wenn Pharmakonzerne Vermögen mit den Krankheiten von Menschen verdienen? Und dazu noch eine Überlegung, die sich jedoch nur sehr vorsichtig äußern lässt: Wenn sich durch Krankheiten Geld verdienen lässt, würde es nicht ökonomischen Prinzipien entsprechen, Krankheiten mehr zu fördern als Gesundheit?

Werfen Sie einen weiteren Blick auf Ihre Lohnabrechnung, so findet sich nach Abzug der Zwangsversicherung noch ein nicht unerheblicher Betrag, der als Lohnsteuer in Abzug gebracht wird. Sobald Sie den verbleibenden Rest ausgeben, dürfen Sie dann nochmals an den Staat bezahlen und zwar in Form von Umsatzsteuer.

(So wie sich die Sozialabgaben aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zusammensetzen, gibt es direkte und indirekte Steuern, um vor Demjenigen, der alles bezahlt, zu verbergen, dass er es ist, der dafür aufkommt!)

Wie an anderer Stelle bereits näher erläutert, entstammen 58% der Staatseinnahmen in Deutschland der Lohn- und Umsatzsteuer, werden also vom Bürger direkt getragen. Dazu kommen dann noch Versicherungssteuer, Tabaksteuer, Kaffeesteuer, Branntweinsteuer, Alkopopsteuer, Schaumweinsteuer, Biersteuer, Stromsteuer und Lotteriesteuer. Was erhalten Sie vom Staat dafür als Gegenleistung?

Das Straßennetz muss erhalten werden? Dafür dienen die Steuern auf Treibstoff, die in der vorangegangenen Auflistung nicht angeführt sind. Selbstverständlich verursacht die Verwaltung eines Staates nennenswerte Unkosten. Doch werden Sie nicht extra zur Kasse gebeten, wenn immer Sie von irgendeiner Behörde etwas benötigen, wie etwa die Ausstellung eines Reisepasses oder die Anmeldung eines Gewerbes? Und abgesehen davon, dass Politiker eigentlich von jenen Konzernen und Finanzinstituten bezahlt werden könnten, deren Interessen sie auch vertreten, in Vergleich zum gesamten Staatshaushalt fallen deren Einkommen kaum ins Gewicht.

Aber, obwohl Sie von Ihrem ersten Einkommen an regelmäßig an den Staat bezahlt haben, haften Sie trotzdem für die Staatsschulden mit. Und falls Sie es noch nicht gehört haben, Ihr Anteil entspricht 25.000 Euro.

Aber natürlich wissen Sie das. Sie wissen ja auch, dass Deutschland die Griechen und die Spanier und die Iren und die Portugiesen und bald auch noch Andere mitfinanzieren muss. So oft haben Sie dies schon gehört und gelesen, dass sie es gar nicht mehr hören und lesen wollen. Und, genaugenommen, hat sich an Ihrer persönlichen Situation während der vergangenen drei Jahre, während dieses Geredes über Schulden und EMS und Fiskalpakt und der Aufgabe der ohnehin nicht vorhandenen Souveränität des Staates kein Ende zu nehmen scheint, irgendetwas geändert? Lassen wir den Dingen doch einfach ihren Lauf.

Es heißt, wir leben heute im sogenannten Informationszeitalter. Ein etwas hinkender Vergleich besagt, dass eine einzige Tageszeitung mehr Informationen enthält, als ein Durchschnittsmensch des 18. Jahrhunderts während seines ganzen Lebens aufgenommen hatte.

Diese Informationen, die unentwegt auf uns einströmen, zeichnen sich durch gravierende Qualitätsunterschiede aus. Auch bei der Handlung eines Spielfilms handelt es sich um Information. Auch bei Sportergebnissen, bei Unterhaltungssendungen, Talkshows, TV-Diskussionen, Dokumentationen, bei der Unmenge von täglich erscheinenden Nachrichten – und bei der Klage des Ehepartners – um nicht zu sagen: der Ehepartnerin – dass Sie wieder einmal vergessen haben, den Müll wegzuschaffen.

Ist dem Menschen des 18. Jahrhunderts eine schockierende Neuigkeit zu Ohren gekommen, so können wir davon ausgehen, dass ihm diese Information über lange Zeit hinweg nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Doch heute würde uns der Kopf vermutlich platzen, wären all die Unregelmäßigkeiten und alles Sonderbare zu jedem Zeitpunkt in unserem Denken präsent.

Ja, wir wissen, dass an der offiziellen Erklärung über die Terroranschläge vom 11. September 2001 so manches einfach nicht stimmen kann. Wir wissen, dass es sich bei Osama Bin Ladens Präsenz in Afghanistan nur um einen Vorwand für den Angriffskrieg gehandelt hat. Wir wissen, dass Deutschland sich aus wirtschaftlichen Gründen an diesem Feldzug beteiligt. Wir wissen auch, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gegeben hat, dass Bush & Co vor den Vereinten Nationen gelogen haben, dass es sich um ein Kriegsverbrechen handelt, dem mehr als eine Million Menschen zum Opfer fiel. Dass es sich bei den offiziellen Angaben, die bei rund 100.000 Toten liegen, um eine unverschämte Lüge handelt, die das Andenken der Opfer und ihrer Hinterbliebenen beleidigt. Wir wissen, dass Gaddafi aus wirtschaftlichen Gründen ermordet wurde, und sicher nicht, um das libysche Volk von seinem Diktator zu befreien, denn die Lebensqualität in Libyen war unter Gaddafi deutlich besser als anderswo.

So wissen wir auch – also die, die sich dafür interessieren – dass Geld von Geschäftsbanken geschöpft wird, dass sich Staaten eigentlich gar nicht zu verschulden bräuchten. Wir wissen, dass Goldman Sachs geholfen hat, die griechischen Bilanzen zu fälschen und dass es wenige Jahre später die amerikanischen Ratingagenturen waren, von denen die Eurokrise ausgelöst wurde. Die Hilfeleistungen, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden, wandern direkt auf die Konten privater Geldinstitute – und verschwinden letztendlich in unkontrollierbaren Steueroasen, wie Jersey, den Bahamas oder den Britischen Jungferninseln. Jahr für Jahr wird die Finanzelite reicher, während den Bürgern demokratischer Länder erklärt wird, dass die „fetten Jahre“ nun vorüber seien, dass wir uns den Gürtel nun enger schnallen müssten.

Wir brauchen bloß die Leserkommentare bei bekannten Online-Zeitungen – und damit meine ich die seit langem etablierten – zu beachten, um zu erkennen, wie groß die Zahl der Menschen ist, die am Wahrheitsgehalt der Meldungen zweifeln. Welchen Beifalls erfreuen sich die treffenden Aussagen bekannter Kabarettisten, wie Georg Schramm oder Volker Pispers?

Einer von der Universität Hohenheim ausgearbeiteten Studie zufolge, sind 90% der Deutschen der Ansicht, dass Politiker die Krise verschleiern. Der Anteil derer, die Politikern und auch den Lohnschreibern der großen Tageszeitungen noch vertrauen, ist schockierend niedrig. Und trotzdem scheint es, als würde Jedermann einfach alles hinnehmen, was ihm vorgesetzt wird. Warum?

Könnte es daran liegen, dass die wesentlichen Informationen, die wir aufnehmen, von der Unmenge der unwesentlichen einfach erdrückt werden? Ist die Summe der Ungereimtheiten bereits so groß angeschwollen, dass wir aufgegeben haben, auch nur daran zu denken, etwas zu unternehmen? Wie sonst lässt sich erklären, dass so viele Menschen mit all diesen Lügen leben, die uns aufgetischt werden, und es trotzdem zulassen, dass wir uns weiterhin in dieselbe Richtung bewegen?

thrive gamble sceneVielleicht würde es sich lohnen, sich den Dokumentarfilm THRIVE noch einmal anzusehen. Der Beginn, der sich nicht nur mit Spekulationen zu alternativen Energieformen befasst, sondern auch die tatsächlich sonderbaren Kornkreise hinterfragt, mag vielleicht verwirrend erscheinen. Danach folgen jedoch unanzweifelbare Fakten zu unserem Geld- und Wirtschaftssystem. Höchster Respekt gebührt dieser Dokumentation doch zweifellos wegen des letzten Abschnittes, der bildlich darstellt, wie unsere Welt aussehen könnte. Ein Ort, an dem Menschen tatsächlich glücklich und harmonisch miteinander leben und gemeinsam an der Erhaltung dieser Lebensbedingungen arbeiten.

Informationen stehen uns zweifellos in unüberschaubarer Menge zur Verfügung. Es liegt an uns, den wesentlichen davon die entsprechende Beachtung zu schenken. Es liegt an uns, unsere Zukunft zu gestalten, so wie wir sie uns wünschen. Immerhin, wir leben in einer Demokratie. Und wenn diese nicht ganz so aussieht, wie es wünschenswert wäre, dann sollten wir als Bürger darauf bestehen, dass die Gegebenheiten zeitgerecht korrigiert werden.

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