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Gedenken an Christa Wolf und Vaclav Havel und das Jahr 1989

vaclav_havelAm 1. Dezember starb die Schriftstellerin Christa Wolf in ihrem 82. Lebensjahr. Gestern, am 4. Advent, ist der Schriftsteller, Bürgerrechtler und ehemalige tschechische Präsident Vaclav Havel 75-jährig gestorben. Innerhalb von 18 Tagen sind damit zwei der wichtigsten Intellektuellen und Schriftsteller aus den ehemaligen Ostblockstaaten DDR und CSSR von uns gegangen, die uns anderen durch ihre Haltung, ihre Worte und Werke geholfen haben, die Zeit bis zu den Friedlichen Revolutionen 1989 durchzustehen. Das gilt besonders für die Zeit nach der Zerschlagung des Prager Frühlings im August 1968 und der Biermann-Ausbürgerung im November 1976.

Im Frühjahr 1968 wehte der Wind des Prager Frühling in kürzester Zeit eine Hoffnungswelle durch die meisten ehemaligen Ostblockstaaten. Dank des in Prag von der tschechoslowakischen Regierung geäußerten Mottos vom Sozialismus mit menschlichem Antlitz hofften die Menschen in den osteuropäischen Staaten auf längst fällige Änderungen in den erstarrten, sogenannten sozialistischen Systemen. Dass sich diese Hoffnung so schnell verbreitete, lag wohl auch daran, dass die Tschechoslowakei mit ihrer schönen Hauptstadt Prag zu den beliebtesten und relativ leicht zugänglichen Reisezielen der Ostblockbewohner gehörte. Als im August 1968 Panzer der Verbündeten des Warschauer Pakts in Prag einrollten und den Prager Frühling beendeten, waren viele der zuvor Hoffnungsvollen wütend, enttäuscht und um eine große Hoffnung ärmer. Den westeuropäischen Studentenbewegungen konnten wir alle nur noch als Zaungäste zusehen, auch wenn wir dieselbe Musik hören, viele der damals aktuellen Filme sehen und Bücher lesen und in Wohngemeinschaften leben konnten, wenn wir das wollten. Die Verhältnisse hat das nicht geändert, aber die Menschen ein wenig schon.

christa_wolfZu denen, die mit uns zusammen hilflos zusehen mussten, wie unsere Hoffnungen zerstoben und die Dinge sich anderswo bewegten, gehörten auch Christa Wolf und Vaclav Havel. Havel kritisierte bereits 1967 auf einem Schriftstellerkongress in Prag staatliche Zensurmaßnahmen und den kommunistischen Machtapparat. Christa Wolf brachte auf dem 11. ZK-Plenum der SED im Dezember 1965 als Einzige den Mut auf, den Verboten bedeutender Bücher und Filme sowie kriminalisierenden Anwürfen gegen den Schriftstellerverband zu widersprechen. Sie gehörte auch zu denen, die sich öffentlich gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns am 16. November 1976 aussprachen. Nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann begann in der DDR der Exodus der Intellektuellen und Künstler und davon erholte sich die DDR nicht mehr. Die Bürgerrechtler, die im Land blieben, trafen sich auf Friedensdekaden, Umwelt- und anderen Aktionen, in der Tschechoslowakei wurde 1977 von Vaclav Havel und seinen Mitstreitern die Charta 77 gegründet, die gegen Menschenrechtsverletzungen durch die kommunistische Führung Position bezog und 1980 in Polen, aus einer Streikbewegung heraus, durch Lech Wa??sa und seine Mitstreiter die erste freie Gewerkschaft Solidarno??.

Bis zu den Friedlichen Revolutionen in diesen drei und allen anderen Ostblockstaaten dauerte es nach Gründung der Solidarno?? noch neun Jahre. Im Jahr 1989 gehörte Vaclav Havel zu den Führern der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei, während Christa Wolf im November 1989 noch auf einen anderen Sozialismus hoffte. Die beiden Schriftsteller gingen auch in den folgenden Jahren sehr verschiedene Wege: Vaclav Havel wurde nach der Teilung der Tschechoslowakei 1993 das erste Staatsoberhaupt der tschechischen Republik. In seiner Amtszeit betrieb er die Anbindung seines Landes an EU und Nato. Christa Wolf schrieb auch nach 1990 bedeutende Bücher, in denen sie sich auch mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzte. Beide, Vaclav Havel und Christa Wolf, werden jedoch immer im Zusammenhang mit dem in Europa alles verändernden Jahr 1989 und all dem, was dazu geführt hat, genannt und erinnert werden. Wir, die wir in diesen Ländern lebten, werden sie sowieso nicht vergessen.

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