Dienstag , 16 April 2024
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Von munteren Bürschlein und dem großen Ariernachweis

burschenschaftEs war einmal eine Gruppe von Bürschchen, die hatten alle gemeinsam die gleichen Angewohnheiten. Sie tranken viel Bier und trugen die gleiche Kleidung. Von Zeit zu Zeit ergriffen sie einen Degen oder einen Säbel, fochten dann lustig pfeifend gegeneinander und versetzten sich die eine oder andere Scharte in ihre Gesichter. Selbstverständlich studierten sie alle oder hatten studiert, mit Abschluss – wie es sich gehört. Wenn man das Studium mit Auszeichnung und Scharte, in der Fachsprache auch Schmiss genannt, hinter sich gebracht hatte, dann war man immer noch Bursche. Zumindest bedeutete dies, man war kein Bürschlein mehr.

Die Bürschlein beriefen sich auf eine lange Tradition, warum sie sich Burschen nannten. Wichtig war, dass man sich Deutsche Burschenschaft nennen durfte – es auch sein wollte, und auch war und ist. Und damit die Welt wusste, was deutsche Burschen repräsentieren, deswegen richteten die Spätknaben eine Webseite ein, die hatte die Adresse www.burschenschaft.de. Auf der ersten Seite stand zu lesen:

Willkommen bei der Deutschen Burschenschaft

Vor rund zwei Jahrhunderten – im Jahre 1815 – begann die Geschichte der Burschenschaft als revolutionäre Bewegung für die Freiheit und Einheit der deutschen Nation, gegen feudale Kleinstaaterei, für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung des Bürgers in der Politik.

Heute präsentiert sich die Deutsche Burschenschaft als ein Verband von studierenden sowie bereits im Beruf stehenden Mitgliedern in über 120 einzelnen Burschenschaften. Insgesamt ist die Deutsche Burschenschaft an mehr als 50 Hochschulorten in Deutschland, Österreich und Chile durch ihre Mitglieder vertreten.“

So richtig ernst wollten sie das nicht verstanden wissen. Wichtig war die jetzige oder spätere Führungsposition und der Nachweis – eben deutsch zu sein.

Aber wir wissen aus der Erfahrung, das Glück ist uns nicht immer gegönnt, auch den Burschen nicht. Eine der Zellen hatte ein stolzes deutsches Mitglied, welches wie die anderen Bürschlein viel Bier trank, künstlich herbeigeführte Macken im Gesicht hatte, die Kleidung wie die anderen auch trug und einen deutschen Pass hatte. Bis dahin gut, aber dann. Der mittrinkende Schartenträger hatte chinesische Eltern, das war dazu auch noch deutlich zu sehen. Wir wollen jetzt nicht darauf eingehen, wie sich diese Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erschlichen hatten, dies soll ein anderes Mal das Thema sein. Auf jeden Fall bleibt festzustellen, vorher waren sie Chinesen.

Für diesen Fall machte man sich in den Bürschleinstatuten kundig. Dort stand geschrieben, die Abstammung, die deutsche, sie ist es – und sie gilt es nachzuweisen. Jetzt hatte unser chinesischer Deutscher den Salat, die Abstammung. Wörtlich war in den Statuten zu lesen:

Eine Überprüfung hat in folgenden Fällen zu erfolgen:
1. Bei einem Bewerber, der nicht dem deutschen Volk angehört.
2. Bei einem Bewerber, dessen Eltern nicht beide dem deutschen Volk angehören.
3. Bei einem Bewerber, dessen Eltern zwar deutsche Volksangehörige sind, der selbst aber einem anderen Volk angehört.“

Einer der beiden Verfasser des Gutachtens ist Hans Merkel, 77, Mitglied der CSU, ehemals Ministerialdirigent des Bundestages und Büroleiter des früheren Bundestagspräsidenten Richard Stücklen. Merkel war nach der Wiedervereinigung erster Direktor des sächsischen Landtags. (Quelle: Spiegel.de)

Es gab keinen Entscheidungsspielraum, alternativloses Handeln war gefragt, drängte sich auf. Die Entscheidung, welche bald verkündet wird, sie lautet, der chinesische Deutsche und seine Zelle haben in der Landesvereinigung der Bürschlein nichts mehr zu suchen. Weg, raus, Ende Gelände, Schicht im Schacht, so geht ein Chinese nicht mit der Burschenschaft um.

Nun, trotzdem die Altbuben hatten nicht mit soviel öffentlichem Aufsehen gerechnet. Es musste etwas getan werden, damit sich diese Situation mit einer nicht gerade positiven Außenwirkung nicht wiederholt. Image ist auch für diesen Verein nicht ganz unwichtig.

Und so überlegten sich Neu- und Altburschen, wie man das in Zukunft deutlich geräuschloser lösen könnte. Man studierte intensiv das alte Schriftgut. Es war nicht denkbar, dass sich die vormaligen Oberburschen nicht des Problems bewusst gewesen seien. Alt- und Oberburschen wussten eh über alles Bescheid, wenn es um Deutschtum ging, geht und gehen soll. Juchhe, man wurde fündig. Am 1. August 1940 erließ eine deutsche Regierung folgende Verordnung:

Verordnung über den Nachweis deutschblütiger Abstammung

aufgehoben durch das Gesetz Nr. 1 des Alliierten Kontrollrats für Deutschland (ABl. S. 6)

Auf Grund gesetzlicher Ermächtigung wird mit Zustimmung des Beauftragten für den Vierjahresplan und des Oberkommandos der Wehrmacht Folgendes verordnet:

§ 1. (1) Der Nachweis deutschblütiger (arischer) Abstammung bis zu den Großeltern gilt Behörden und Dienststellen der Wehrmacht gegenüber als erbracht
a) von Mitgliedern der NSDAP oder ihren Gliederungen durch Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen Kreisleiters oder des übergeordneten Hoheitsträgers der NSDAP, daß der Nachweis bereits geführt worden ist,
b) von einem Ehegatten der unter a) genannten Person lautenden Bescheinigung,
c) von Beamten und Angestellten im Dienste des Reichs, eines Landes, oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Ausnahme der Religionsgesellschaften, von Angehörigen der Wehrmacht sowie des Reichsarbeitsdienstes durch Vorlage einer Bescheinigung ihrer Dienststelle, daß der Nachweis bereits dort geführt worden ist,
d) von einem Ehegatten der unter c) genannten Personen durch Vorlage einer gleichartigen, auf seine Person lautenden Bescheinigung der Dienststelle,
e) von Vollgeschwistern der unter a bis d genannten Personen durch Vorlage der dort für diese Personen angeforderten und auf deren Namen lautenden Bescheinigungen.

(2) Die Reinheit des Blutes über die Großeltern hinaus gilt insoweit als nachgewiesen, als in der Bescheinigung nach Abs. 1 ersichtlich gemacht ist, daß ein den weitergehenden Anforderungen entsprechender Nachweis geführt worden ist.

(3) Die Bescheinigungen der Abs. 1 und 2 sind auch gültig für den Abstammungsnachweis von Nachkommen der dort genannten Personen.

§ 2. (1) Die Bestimmungen des § 1 gelten nicht im Anwendungsbereich des § 5 des Personenstandsgesetzes vom 3. November 1937 (RGBl. I. S. 1146), der §§ 17 und 19 der Ersten Ausführungsverordnung hierzu vom 19. Mai 1938 (RGBl. I. S. 533), des § 13 des Reichserbhofgesetzes vom 29. September 1933 (RGBl. I. S. 685) in Verbindung mit § 6a der Erbhofrechtsverordnung vom 21. Dezember 1936 (RGBl. I. S. 1069) in der Fassung der Verordnung vom 26. April 1939 (RGBl. I. S. 843) sowie der Bestimmungen über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit.

(2) Die Bestimmungen des § 1 Abs. 3 der Zweiten Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vom 30. August 1939 (RGBl. I. S. 1540) und des § 16 der Dritten Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (Personenstandsverordnung der Wehrmacht) vom 4. November 1939 (RGBl. I. S. 2163) bleiben unberührt.

§ 3. Der Reichsminister des Innern erläßt die zur Durchführung und Ergänzung erforderlichen Bestimmungen.

§ 4. Die Verordnung gilt für das Gebiet des Großdeutschen Reichs.

Quelle: Reichsgesetzblatt 1940 S. 394, 1063
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944
(aus WIKIPEDIA entnommen).

Jetzt war man echt beruhigt, die Bürschlein waren nicht die Ersten, welche sich ernsthaft um die deutsche Abstimmung sorgten. Der schlaue Merkel Hans, er hatte bestimmt von dieser Verordnung gewusst und es entsprechend in den Statuten berücksichtigt und umgesetzt.

Alle Spätknaben, Altburschen und auch die sonstigen strammen Deutschen freuten sich sehr, dass ein deutscher Chinese kein deutscher Bursche sein durfte.

Und wieder war dies ein willkommener Grund für all diese Bürschlein, viel Bier zu trinken, Lieder zu singen, sich im Gesicht zu ritzen und fest daran zu glauben, sie wüssten, wo es lang geht. Das mit dem Wissen stimmte hinten und vorne nicht, die gute Laune und das Bier wollte sich die Chinesenausschlusskommission aber an dem Tag der Abstimmung, welche gar keine Abstimmung war, nicht nehmen lassen.

Nein, sie sind nicht gestorben, sie leben immer noch. Und deswegen, lasst uns gemeinsam aufpassen…

© Peter Reuter

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