Donnerstag , 25 April 2024
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Das Recht zu provozieren

girl_office_chairEine neue Welle der Freiheitsbewegung beginnt sich über die Welt auszubreiten. Dieses Mal geht es um das Recht von Frauen, ihre weiblichen Reize nach eigenem Belieben zur Schau zu stellen. In immer mehr Ländern werden sogenannte „Slutwalks“ – auf deutsch „Schlampen-Märsche“ – organisiert. Wogegen richten sich die Demonstrationen? Gibt es Pläne für neue puritanische Gesetzte, die Frauen verbieten, ihr Knie zu zeigen? Keineswegs. Anlass für den Trubel war die Empfehlung eines kanadischen Polizisten, der jungen Studentinnen riet, sich nicht wie Schlampen zu kleiden, um Vergewaltigungen oder schlicht Belästigungen vorzubeugen.

Alles begann im Januar. Ein Polizist aus Toronto namens Michael Sanguinetti hielt einen Vortrag vor einer Studentengruppe. Es ging um Verbrechensvorbeugung. Und jungen Damen riet der Constable, dass es das Risiko, zu Opfern sexuell motivierter Angriffe zu werden, reduzierte, sich nicht zu aufreizend zu kleiden. Seine Wortwahl war direkt. So sind kanadische Cops eben. Nur beiläufig sei hier bemerkt, dass die Damenmode in Nordamerika Besucher aus Europa gelegentlich erstaunen lässt. Bei einem Geschäftsessen in Montreal unterlief einem Besucher aus Polen ein peinlicher Fauxpas. Er erkundigte sich nach einem vermeintlichen „Prostitutionsproblem“, was die Anwesenden mit Verwunderung erfüllte. Seine näheren Erläuterungen offenbarten, dass er weibliche Büroangestellte, die zigarettenrauchend vor Bürohäusern „auf und ab“ spazierten, für Liebesdienerin hielt. Vermutlich trug der Stil der Kleidung zu diesem Missverständnis bei.

Völlig berechtigt verweisen engagierte Frauen darauf, dass es sich bei sexuell provokanter Kleidung mit Sicherheit um keine Einladung zu Gewaltaktionen handelt. Opfer sexueller Angriffe nachträglich mit diesbezüglichen Vorwürfen zu konfrontieren, ist geschmacklos und beleidigend. Das Verbrechen der Vergewaltigung in seiner Abscheulichkeit auch nur in irgend einer Form dadurch zu verharmlosen, dass die Art der Kleidung, verführerisches Auftreten – oder selbst missverstandene Sympathiebezeugungen – als „Einladung“ ausgelegt werden könnten, steht völlig außer Frage. Für einen Straßenräuber bringt letztendlich auch niemand Verständnis auf, wenn er behauptet, dass es der Anblick der goldenen Armbanduhr war, der ihn erst auf die Idee brachte, sein Opfer zu attackieren.

Doch, abgesehen von einer vielleicht zu plump gewählten Ausdrucksweise, was war an dem Rat des kanadischen Polizisten so grundlegend falsch, dass sich rund um den Erdball Protestaktionen auszubreiten beginnen? Der erste „Slutwalk“ wurde am 3. April in Toronto veranstaltet. Es folgten einige Städte in den USA, in Australien, in Großbritannien, bald auch Berlin und, laut New York Times, versucht eine in Kanada aufgewachsene Inderin sogar Frauen in Neu-Delhi zu Protestmärschen zu motivieren.

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Dass es Verbrecher auf dieser Welt gibt, ist leider eine unabwendbare Tatsache. Ungeachtet, ob die Motivation im Bereich von Rücksichtslosigkeit, Habgier oder psychischen Problemen zu suchen ist, im allgemeinen unterlassen wir es, Verbrechen bewusst zu provozieren. Wir hinterlassen keine Taschen oder Wertgegenstände einsehbar am Autositz, wenn wir unser Fahrzeug parken. Wir tragen kein Bündel Geldscheine offen in der Hand, wenn wir durch die Straßen ziehen. Wir sperren unsere Haustür ab und treffen Vorkehrungen, dass uns niemand über die Schulter sieht, wenn wir beim Geldabheben unseren Code eintippen.

Versorgt uns jemand mit Ratschlägen, während einer Urlaubsreise darauf zu achten, dass unser unbewohntes Haus nicht als solches zu erkennen ist, reagieren wir empört? Werfen wir demjenigen, der die Empfehlung ausspricht, vor, dass er doch eher den Einbrechern sagen solle, unseren Besitz nicht anzurühren? Polizisten wissen einfach, dass Post, die aus dem Brieffach quillt, die Aufmerksamkeit von Einbrechern weckt. So wie Kriminalstatistiken aufzeigen, dass Frauen, die sich zum falschen Zeitpunkt oder in der falschen Gegend besonders reizvoll kleiden, öfter zu Opfern von sexuellen Belästigungen bis hin zu tätlichen Angriffen und Vergewaltigungen werden. Ein derartiger Rat kann doch nicht als Entschuldigung für das Verbrechen verstanden werden. Es handelt sich um eine, intelligenten Menschen durchaus einleuchtende, Vorbeugungsmaßnahme.

Die Zurechnungsfähigkeit einer nicht zu unterschätzenden Zahl von Männern scheint tatsächlich abzunehmen, wenn immer Testosteron ins Spiel kommt. In den meisten Fällen drückt sich dies schlicht in lächerlichem Auftreten aus. Gelegentlich, leider, aber auch in Gewaltakten. Insbesondere im Bereich von Triebverbrechen erscheint der Abschreckungseffekt durch hohe Gefängnisstrafen nicht immer ausreichend. Wie könnte derartigen Verbrechen noch vorgebeugt werden? Vielleicht durch mehr Polizeipräsenz? Durch Verhaltensanlysen? Etwa, wenn der Blick eines Mannes zu lange auf den Reizen einer Frau ruht, ihn als potentiellen Vergewaltiger zu entlarven?

Die letzte Idee dürfte weit über das Ziel hinausschießen. Was immer der Mensch öffentlich zur Schau stellt, soll ja schließlich Bewunderung auslösen. Das teure Auto, die Rolex am Handgelenk, die Designerbrille und was sich hier noch alles aufzählen ließe. Würden die natürlichen Formen weiblicher Körper nicht allgemein als Blickfang gelten, ergäbe es wenig Sinn, sie durch die Kleidung zu betonen. Leider hilft kein Gesetz, auch wenn die angedrohten Strafen noch so hoch ausfallen, eine Gesellschaft gänzlich von Dieben und von Straßenräubern zu säubern. Und ähnlich sieht es mit Verbrechen aus, die sich gegen Frauen richten. Empfehlungen, als Vorbeugung übertriebene Provokationen zu unterlassen, sollten eigentlich auf Verständnis stoßen und nicht unbedingt eine Protestwelle auslösen. Andererseits, solange sich Frauen finden, die ihre Reize während „Slutwalks“ stolz zur Schau stellen, darf sich das Männerauge an diesen harmlosen Kundgebungen erfreuen. Ob in diesem neuen Trend ein tiefer Sinn zu vermuten wäre, sei dahingestellt. Außer, vielleicht, dass diese Aufmärsche etwas Abwechslung in den grauen Alltag bringen.

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