Freitag , 29 März 2024
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Nachhaltigkeit kann schon in der Küche beginnen

kaelber„Der Mensch ist was er isst“, so der deutsche Philosoph Ludwig Andreas Feuerbach vor über anderthalb Jahrhunderten, und auch wenn er seine indessen berühmt gewordenen Worte sicherlich nicht klar und deutlich an die damaligen Hobby- und Freizeitköche richtete, so fühle ich mich, als ein solcher, von dieser Stellungnahme dennoch angesprochen. Das gebe ich hiermit unumwunden zu. „Der Mensch ist was er isst“ – spätestens dann, wenn ich auf meinem Einkaufszettel die Zutaten für (m)ein Gericht zusammenstelle, sitzt dieser Satz für einige Sekunden in vorderster Reihe meiner Abwägungen.

Nicht etwa, dass mich diese zwar flüchtige aber stets wiederkehrende Erfahrung stört, dass ich sie als lästig erachte, diese Erinnerung. Das kann ich nicht sagen. Ich habe mich inzwischen an das Abwägen gewöhnt, stehe ihm mittlerweile dankbar gegenüber. Nein, ich kann nicht anders. Wenn ich daran denke, wie wir Menschen mit den Tieren umgehen, mit den Lebewesen, die wir in unserer Nahrungskette als Lieferanten einsetzen, dann bekommen meine auf dem Zettel notierten Zutaten einen Stellenwert, der eben nicht allein von dem zu bezahlenden Preis geprägt wird. Denke ich an die sogenannte Massentierhaltung, an die Art und Weise, wie wir, um ein Beispiel zu nennen, ohne mit der Wimper zu zucken, Hühner auf engstem Raume dahin vegetieren lassen, und das allein um einen wirtschaftlichen Ertrag auf das allerhöchste Niveau zu puschen, ja dann sind meine Einkaufsnotizen das Ergebnis jener Überlegungen.

Rufe ich mir als Konsument in Erinnerung, wie wir Menschen Puten, Enten und Gänse zu Produktionseinheiten degradieren, sie nicht selten akkurat geplant einer völlig falschen Ernährung aussetzen, ja ihre haltungsbedingten Leiden billigend in Kauf nehmen, sie ergo bewusst quälen, und das allein um für unsere Agrarfabriken den größtmöglichen finanziellen Gewinn zu beschaffen, dann ist es mir nicht möglich, jene Gangart allein um des Sparens willen zu unterstützen. In dem Zusammenhang kann ich auch die Tatsache nicht verdrängen, dass wir Menschen die natürliche Lebenserwartung eines Kalbes, das als Kuh herangewachsen rundweg 20 Jahre auf dieser Welt leben könnte, auf nur einige Wochen und Monate reduzieren, indem wir diese Jungtiere kurz nach ihrer Geburt schlachten, und das allein, um ein feinfaseriges, hellrosa Fleisch für unsere Wiener Schnitzel zu bekommen.

Auch wird es dem einen oder anderen Verbraucher nicht entgangen sein, dass der vom Handel günstig angebotene Viktoria-Barsch das Produkt einer gezielt unnatürlichen Züchtung ist, die katastrophale Konsequenzen zeitigt. Längst hat auch der verantwortliche Kommerz begriffen, dass der Nilbarsch (so sein eigentlicher Name) ursprünglich in anderen Gewässern beheimatet ist, und dass die Missachtung dieser Tatsache ungeahnte Folgen zeitigt. Das allerdings viel zu spät. Eben diese, in den 60er Jahren allein aus wirtschaftlichen Interessen heraus, im ostafrikanischen Viktoriasee veranlasste Fischaussetzung, hat desaströse Folgen. Letzteres sowohl für die Fauna im See, als auch für die Ökonomie am See, für die dort beheimateten Menschen. Nein, auch dieser rein vom Geschäftsverkehr gesteuerte Eingriff, wo die Massentierhaltung einmal mehr die Natur ersetzt, ist alles andere als vertretbar. Bei diesen Beispielen belasse ich es.

Vielleicht denken wir daran, wenn wir auf unserem Einkaufszettel die Zutaten für unser nächstes Rezept anordnen. Vielleicht erinnern wir uns dann für einige Sekunden an das abartig gehaltene Mastgeflügel, an das kleine Kälbchen, das eigentlich eine Kuh werden möchte und an den widernatürlich gezüchteten Viktoria-Barsch. Ja, und möglicherweise beauftragen wir dann den einen oder anderen unserer Gedanken mit der Suche nach realisierbaren Alternativen. Wenn wir bereit sind, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, dann bekommen wir unser Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren, und wenn wir konsequent ein Schnitzel nach „Wiener Art“ bereiten, ja dann könnte das künftig mit dazu beitragen, dass aus so manch einem Kälbchen dann doch noch eine Kuh werden darf. Und unser Fisch in Weißweinsauce, der kann durchaus ein Zander sein, ein Rotbarsch, Seelachs oder Steinbutt.

Nein, auch in der Küche dürfen wir die Flora und Fauna unserer guten Mutter Erde nicht vergessen. Von welcher Seite wir es auch betrachten mögen, wir kommen nicht drum herum, dem Philosophen Feuerbach Recht zu geben. Alles gegeneinander abgekürzt, benennt er eine passende Gleichung. Die Essgewohnheiten prägen den Menschen. Sie beeinflussen uns, formen dich und formen mich. Bewusst oder unbewusst. Anbei, der guten Ordnung halber: „Der Mensch ist was er isst“ – abschließend möchte ich dieser Aussage, der ich mich für meine Zeilen bediente, ihren richtigen Platz zuweisen, und das, indem ich sie im Kontext belasse. Das bin ich dem Verfasser schuldig. Ludwig Feuerbach, im Jahre 1850, mit einem Blick auf die Anthropologie und Physiologie seiner Zeit: „Die Lehre von den Nahrungsmitteln ist von großer ethischer und politischer Bedeutung. Die Speisen werden zu Blut, das Blut zu Herz und Hirn, zu Gedanken- und Gesinnungsstoff!“

© Peter Oebel

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