Wer mich nicht kennt, kann folglich auch nicht wissen, dass ich bereits vor vielen Jahren dem Fernsehen zu 99% entsagt habe. Nach ebenso vielen Jahren als Fernseh-Junkie, der das Gedudel aus dem Kasten als Backgroundmusik laufen ließ, wurde mir eines Tages fast schlagartig bewusst, wie sehr ich meine wertvolle Lebenszeit damit verschwende, mir dämliche Talk-Shows anzusehen oder die 100. Wiederholung von „Sissi“ oder „Vom Winde verweht“ über mich ergehen zu lassen. Sehr befreiend, kann ich Ihnen sagen, wenn man erst einmal an solch einem Punkt angelangt ist.
Nichtsdestotrotz bestätigen ja die berühmten Ausnahmen die Fernsehregel, somit gestehe ich, dass ich alle paar Wochen oder Monate einen Blick in die Flimmerkiste werfe, um meine einstige Entscheidung selbst erneut zu bestätigen und für gut zu befinden. Aktuell besah ich mir von Anfang bis zum Ende die Sendung „Solitary“ und man möge mir verzeihen, wenn ich nun den TV-Sender nicht nenne, um keine Werbung zu machen. Erster Eindruck: Wieder so eine Sendung wo Zuschauer sich an menschlichen Affen und ihrem Gehabe ergötzen. Zweiter Eindruck: Die Sendung gibt reichlich zu denken und das mit psychologischer Nachhaltigkeit.
Kennen Sie zufällig „Solitary“? Für alle Leser, die hier nun verneinen ein kurzer Überblick: Prominente Kandidaten, jeglicher Couleur, sitzen abgetrennt von den anderen Teilnehmern in sogenannten Wohnkapseln und müssen verschiedene Spiele absolvieren. Rauchen ist ebenso untersagt als auch der Empfang von Besuch oder Kontakte zur Außenwelt. Über allem wacht das Computerhirn „Alice“, die auch die Spiele erklärt, mit den Kandidaten spricht oder den wahren Psychoterror genüsslich an den teilnehmenden Frauen und Männern ausübt. Körperliche und geistige Fitness sind bei diesem über Wochen dauernden „Spiel“ ein absolutes Muss. Blöd, nicht wahr? Eigentlich, denn obwohl sich so gesehen alle Teilnehmer vor den Fernsehzuschauern zum Affen machen, Fluchen, Heulen, Schreien und noch viel mehr an Emotionen oder unflätigen Worten zum Besten geben, birgt diese Sendung einen Ansatz, der uns alle zumindest einen kurzen Moment nachdenklich stimmen sollte.
Wer ist der größte Gegner eines Menschen?
Zwei Fragen mögen mir an dieser Stelle gestattet sein: Wer glauben Sie ist Ihr größter Gegner? Und, sind Sie jemals über Ihre psychischen und physischen Kräfte derart hinausgegangen, dass Sie gedacht haben, Sie schaffen eine Aufgabe, ein Ziel oder eine Herausforderung niemals? Hier liegt der psychologische Knackpunkt dieser Sendung und ich muss sagen, lässt man das Drumherum von „Solitary“ außen vor, dann kann man selbst viel über sich, sein Denken, sein Handeln, seine Kraft, seinen Willen und vor allem seine ureigenste Einstellung zum Leben und zu seinen Mitmenschen lernen. In welcher Situation haben Sie beispielsweise aufgegeben, weil Ihnen etwas zu schwer war, sie mutlos waren, ihr Körper einfach nicht mehr wollte wie er hätte sollen, und glauben Sie, dass daran andere Menschen Schuld waren? Oder anders gefragt: Wann sind Sie über sich hinausgewachsen, haben Kampfgeist entwickelt, durchgehalten, obwohl körperliche und seelische Schmerzen sowie Schwierigkeiten ohne Ende vorhanden waren? Und noch eine Frage: Wie haben Sie sich in der jeweiligen Situation gefühlt und glauben Sie die einstigen Erlebnisse haben Ihren persönlichen Lebensweg bis heute bestimmt bzw. bestimmen Sie diese noch?
Ja, ich bin schwer mit dem unterbewusst vorhandenen Inhalt der Sendung beschäftigt und auch ich stelle mir die Fragen, welche Ihnen nun vielleicht ebenfalls durch den Kopf gehen. Und ich scheue mich nicht zuzugeben, dass ich im Grundsatz viel mehr für mich tun kann, um glücklich, zufrieden oder stark zu sein. Eine Erkenntnis, die mitunter nun auch in Ihnen wandert, ihren persönlichen Weg sucht und aufzeigt, dass das was andere Menschen von uns verlangen oder erwarten niemals so schwer wiegen kann als das, was in uns selbst nach einer Erfüllung ruft. ICH als größter Gegner im Umsetzen von beruflichen und privaten Zielen sowie der inneren Zufriedenheit und Gelassenheit, erhält somit eine neue Gewichtung, die durchaus bedenkenswert ist.
Und da soll nun einer sagen, stupide Game-Shows würden nicht zum nachdenken anregen.
Herzlichst
Ihre Claudia