Freitag , 19 April 2024
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Abgezockt am Tobasee

tuakkneipeIch bin wieder zurück am Lake Toba, Zentralsumatra, Batakland. In der Tuakkneipe, der Besenwirtschaft der Batak: Palmwein bis zum Abwinken. Die Köpfe rauchen – Nelkenzigaretten, 30 mg Teer. Einmal ins Schlagloch gehaucht und das Loch ist frisch geteert, die Mannschaft der Tuakkneipe könnte eine ganze Straße asphaltieren. Der ZigarettenNelkenQualm durchzieht die Kneipe. Ich beginne zu husten. Anteilnahme. Naturmedizinischer Rat meines Nebenmanns: Du rauchst jetzt eine Schachtel Garam, dann ist der Husten weg. Beifälliges Nicken der Nachbarn. Stimmt, ist meine Lunge erst einmal frisch geteert, dann hat sie keine Lust mehr zu husten. Aber womöglich verschlägt ihr das den Atem. Und was mache ich dann? Also halte ich mich lieber an den Tuak und huste weiter.

Der milchig-weiße Palmwein schmeckt wie eingeschlafene Käsefüße – aber er wirkt. Gitarren klingen. Es tönen die Lieder, der Frühling kehrt nicht wieder, er ist einfach immer da und will auch gar nicht wieder weg. In lauen Lüften steigt die Stimmung so schnell, wie sich die Tuakgläser leeren. Plötzlich betritt ein junger Batak die Kneipe, im Schlepptau zwei sehr blonde vielleicht 18jährige Mädels. Sie setzen sich an den Nebentisch. Der Junge preist den Tuak und die Gastfreundschaft des Stammes. Vorsichtig erkundigen sich die beiden nach dem Preis eines Glases. 3 € für 2 Gläser antwortet der junge Batak strahlend. Die Mädels nicken zögernd.

Verdammt, ich weiß genau, dass der Tuak nur 30 Cent kostet. Und jetzt? Ich bin selbst schon so oft betrogen worden, dass sich ein Widerwille, ein tiefer Wille wider die Abzockerei in mir festgesetzt hat. Andererseits, wäre ich Batak, ich würde es kein Yota anders machen. Weiße Mädels abschleppen und versuchen herauszupressen, was möglich ist. Weiße sind reich. Wenn sie Geld brauchen gehen sie zum Bankautomaten und arbeiten habe ich sie noch nie sehen, so denken viele in der 3. Welt. Und warum sollte ausgerechnet ich anders denken, wäre ich Batak. Aber das 10fache verlangen, das ist mir im wahrsten Sinne des Wortes zu viel.

Wenn ich jetzt den jungen Stammesmann zurechtweise, habe ich einen Feind und ich will noch länger hier wohnen. Eines der Mädels steht auf und geht zur Toilette. Das ist die Gelegenheit, die beiden Seelen, die in meiner Brust wohnen, zu befrieden. Nach einiger Zeit folge ich ihr und passe sie ab, als sie aus der Toilette kommt. Smalltalk. Dann: Zwei Gläser Tuak kosten hier 30 Cent. Wenn ein Arbeiter nur 5 € am Tag verdient, wird er nicht 3 € für zwei Gläser Tuak bezahlen. In Deutschland kosten zwei Gläser Bier auch keine 50 €. Das Mädel guckt mich verdutzt an und geht dann grußlos an den Tisch zurück.

Nach fünf Minuten wird die Diskussion am Nebentisch lauter. Das Mädel zeigt auf mich. Hasserfüllte Gesichter am Nebentisch, Zustimmung bei meinen Nachbarn. Mir ist nicht mehr wohl bei der Sache. Die Indonesier scheuen den offenen Konflikt. Aber Sabotage ist hier eine gebräuchliche Vokabel. Jeder hat Angst davor: Plötzlich ist das Moped weg, die Wasserleitung zerstört, Möglichkeiten gibt es viele. Ich verlasse den Tuakshop mit keinem guten Gefühl.

Wie werde ich in Zukunft handeln, die beiden Seelen in meiner Brust versöhnen? Keine Ahnung, abwarten und Tuak trinken. Prost oder Lisoi, wie die Batak sagen.

Eine Tuakkneipe in meinem derzeitigen Wohnort in Tuk Tuk am Tobasee auf Sumatra.

Klaus-Jürgen Gadamer reist viele Monate im Jahr durch Asien. Gerade wohnt er beim Stamm der Batak im Hochland von Sumatra am Lake Toba. Und natürlich erlebt er Dies & Das, Seltsames, Verständliches und weniger Verständliches. Manches treibt ihn zum Sinn anderes zum Wahnsinn. Diese Erlebnisse teilt er in loser Folge mit den Lesern von The Intelligence. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gerne auch politisch wenig korrekt.

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