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Fit für den digitalen Buchmarkt der Zukunft

epublish_teilnehmer“Verloren hat nur, wer nichts probiert”, bemerkte der Chefredakteur des Börsenblatts für den deutschen Buchhandel, Torsten Casimir, jüngst in seinem Kommentar zum 9. Branchenparlament. Seine Aufforderung an die Buchindustrie hätte auch Motto von E:PUBLISH | dem Kongress für neues Publizieren sein können, der in Berlin-Dahlem am 17./18. November 2011 im ausgebuchten Harnack-Haus stattfand.

Obwohl die digitale Welt herkömmliche Geschäftsmodelle auf den Kopf, wenn nicht gar komplett in Frage stellt, herrschte unter den 250 Kongressteilnehmern Aufbruchs­stimmung. Bange machen vom elektronischen Siegeszug ließ sich auf der zweitägigen Zusammenkunft niemand mehr. Leidenschaftliche Appelle, die Herausforderungen des digitalen Zeitalters anzunehmen, prägten die hochkarätig besetzte Tagung. Einen Programmschwerpunkt bildeten die Chancen der Digitalisierung, die in visionären Keynotes und Podien aus unterschiedlichsten Blickwinkeln für die Buchbranche beleuchtet wurden. Die Aspekte und Fragestellungen vertieften 18 Workshops und 33 Table Sessions. Erfolgsfaktoren, Praxisberichte und innovative Geschäftsmodelle standen in den Gesprächsrunden ebenso zur Diskussion wie Fragen, wo die Branche steht und wie es weitergeht.

Dem hohen Niveau der Tagung entsprach eine beispiellose Experten-Dichte. 70 namhafte Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichsten Fachgebieten hatte der Veranstalter SWOP. Medien und Konferenzen aufgeboten. In Kooperation mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels, Landesverband Berlin-Brandenburg, und PaperC, der Online-Plattform für Fachbücher, ist so ein facettenreiches Programm entstanden. Kein Wunder, dass der Erkenntnisgewinn bei den teilnehmenden Mitarbeitern aus Verlagen, Buchhandlungen, Bibliotheken, Universitäten und den anwesenden Dienstleistern groß war und am Ende der Konferenz der Wunsch laut wurde, der Kongress möge eine Fortsetzung finden. Groß war der Beifall als SWOP-Geschäftsführer Sven Nagel verkündete, dass der kommende E:PUBLISH Kongress in Berlin am 15./16. November 2012 stattfindet.

Interaktion und Austausch – das zeichnet E:PUBLISH aus

Was zeichnet E:PUBLISH aus? Hier waren sich die Teilnehmer einig: Der Fachkon­gress bietet eine hervorragende Plattform für den Erfahrungsaustausch und effektives Netzwerken. Experten teilen Praxiswissen, Vorreiter im digitalen Publizieren erklären ihre Strategien. Immer interaktiv und auf Augenhöhe.

Weitere Höhepunkte waren zwei Preisverleihungen. Am ersten Kongresstag präsentierten sechs E-Publishing-Startups ihre Geschäftsmodelle beim BUDIP, dem Buch Digitale Innovation Pitch. Nach den Kommentaren einer Expertenjury stimmten die Kongressteilnehmer über ihren Favoriten ab. Das Leipziger Startup snippy setzte sich mit ihrer Kurzgeschichten-App für Smartphones durch und durfte 1.000 Euro Preisgeld und ein fabrikneues Sony-Tablet mit nach Hause nehmen. Am zweiten Tag zeichnete der Börsenverein des deutschen Buchhandels die beste verlegerische Leistung im Bereich elektronisches Publizieren aus. Der AKEP Award 2011 ging an die Selfpublishing-Plattform neobooks.

Das immense Potenzial der Digitalisierung für die Buchbranche umriss die Keynote von Till Moepert, die den Kongress eröffnete. Der Director eCommerce von Springer Science und Business Media gab sich gewiss, dass das Buch Bestand haben werde. Wohl aber würden sich die Nutzungsformen und die Nutzungsgewohnheiten ändern. Im Übrigen gelte die alte Weisheit, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und auf dessen Bedürfnisse einzugehen, auch im digitalen Zeitalter.

Diskussionen entfachte MVB-Geschäftsführer Ronald Schild mit seiner Aussage, dass die wichtigste buchhändlerische Kompetenz in Zeiten von E-Book & Co nicht die Liebe zu Büchern, sondern zur Technologie sei. Unmissverständliche Worte kamen von Kathrin Passig, die dem stationären Buchhandel in seiner jetzigen Form die Zukunft absprach. Philosophisch gewitzt präsentierte sich Axel Schmiegelow, dessen Keynote den Wandel des Medienkonsums und dessen Auswirkungen auf die Buchindustrie behandelte. Er prophezeite das Ende der Linearität und sagte einen Paradigmen­wechsel bezüglich unserer Auffassung von Aufmerksamkeit voraus. Aufmerksamkeit sei auch bei diskursiver Medienrezeption gegeben! Verschiedentlich rief der renommierte Experte für Social Media, Marketing, Medien und Unternehmens­gründungen die Anwesenden dazu auf, mentale Sperren zu überwinden und die gebotenen Chancen wahrzunehmen. „Epubs“ seien erst der Beginn der Entwicklung, das „deep web“ längst nicht erschlossen.

Eine radikale Neuorientierung hin zu den Kundenbedürfnissen forderte Sven Fund von den Verlagen. Die angebotsorientierte Buchwelt sei ein Phänomen von gestern, das digital nicht funktioniere, so der Geschäftsführer des Verlages Walter de Gruyter. Kunden würden die digitale Welt exzessiv statt kontrolliert nutzen; sie wählen aus – der Verlag dürfe anbieten. Christophe Maire von txtr beschrieb die Entdeckung der Bücher in der digitalen Welt als „Schlachtfeld“. Hier fiel das Stichwort „soziales Marketing“. Und Christine Autenrieth vom Oldenbourg Verlag mahnte: Innovationen sind ein hartes Geschäft!

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