Donnerstag , 28 März 2024
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„Ich hasse Lagerfeld“ – Miguel Adrover, ein Modedesigner mit Mut

miguel_adroverDer arme Bauernjunge und  der Stardesigner, das könnte der Titel einer bewegenden Geschichte sein, in der ein Bauernjunge von einem  Stardesigner als Model und Liebhaber entdeckt wird, um dann vielleicht, naiv wie er ist, vom bösen Jet Set in den Abgrund gezerrt zu werden. Ist es aber nicht. In folgender Geschichte nämlich IST der Bauernjunge der Stardesigner und das finde ich noch viel besser! Nicht zuletzt, weil diese Story  vom wahren Leben geschrieben wurde: Miguel Adrover erblickt 1962 auf einem kleinen mallorquinischen Bauernhof das Licht der Welt. Mit gerade mal 12 Jahren verlässt er die Schule und bestellt mit seinen Eltern die Felder. Weitere besondere Vorkommnisse gibt es die nächsten Jahre eigentlich nicht. Dann, mit 17, eine Reise nach London. Es ist die Zeit des Punks. Und Miguel ist fasziniert, als er sieht, wie die jungen Leute hier mit ihrer Kleidung gegen die Gesellschaft rebellieren.

Mit Anfang 20 verlässt er die Insel zunächst endgültig und zieht nach New York. Hier arbeitet er in kürzester Zeit mit den besten und angesagtesten Leuten der Modeszene zusammen. Er scheint einen ganz anderen Blick auf seine Umgebung zu haben, als seine New Yorker Kollegen. Ein Grund, weshalb sich seine Inspiration und folglich auch seine Kollektion derart von seinen Mitstreitern unterscheidet, dass der Newcomer bald als „Stardesigner“ gehandelt wird. Aber Miguel wird in den ganzen Jahren, die er in New York verbringt, nie wirklich einer von ihnen. Er bleibt im Grunde der Exot der ersten Stunde, als er  für eine seiner frühen Kollektionen Röcke aus alten Luis Vuitton Taschen und einen Mantel aus der Matratze des verstorbenen Entertainers Quentin Crisp schneiderte. Ich weiß nicht, ob besagter Entertainer auf dieser Matratze auch gestorben ist. Wundern würde es mich nicht.

Miguel ist einer der wenigen unter den avantgardistischen Modemachern, der keine Mode macht, und vielleicht der einzige, der von sich behauptet, dass er keine Mode macht. Einige halten ihn deshalb für einen Künstler. Er selbst sagt, er habe keine Ahnung von Kunst. Die erste Ausstellung, die er besuchte, war die, in der ein Museum einige seiner  Kreationen in die Sammlung aufnahm. Wer jetzt aber glaubt, Miguel Adrover mache nichts zum Anziehen für  uns „Hinzens und Kunzens“, der hat sich schon wieder getäuscht. Denn heute mit 45 Jahren, ist Miguel Creativ Director des Butzbacher Modeunternehmens „Hess Natur“, wo er auch eine eigene Kollektion vertreibt.

Die Prinzipien, nach denen er arbeitet, sind unumstößlich: keine kurzfristigen Trends  kreieren, nur naturnahe Materialien verwenden und ökologisch und sozial verträgliche Kleidung produzieren. Nun gut, die breite Masse spricht er damit natürlich (noch) nicht an. Aber er macht durch seine Arbeitsweise auf  die gravierenden, mittlerweile eben auch eigentlich der breiten Masse bekannten Missstände in der Modeindustrie, wie z.B. Kinderarbeit oder Umweltvergiftung, aufmerksam. Und genau das scheint ihn mittlerweile auch maßgeblich anzutreiben. Seine konsequente Haltung, mit der er sich heute von Designern wie Joop, Lagerfeld und Co distanziert, verdient Bewunderung, wenn auch natürlich nicht jeder diese Meinung teilen muss. Doch mit seinen krassen Statements zur klassischen Modeszene wie „ich hasse Lagerfeld“ gibt er uns zumindest allen einen kräftigen Wink mit dem Kleiderbügel, der uns zum Nachdenken anregen sollte: Wie würde sich ein grundsätzliches Umdenken der großen Modemacher auf die Produktionsbedingungen auswirken? Würden wir „gesündere“ Kleidung bald flächendeckend und nicht nur vereinzelt und bei Ökolabeln kaufen können? Und warum eigentlich nicht auch einmal mit dem Finger auf die allseits bewunderten und berühmten Kreativen der Modeszene zeigen? Schließlich sind sie es, die den Trend bestimmen.

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