Donnerstag , 25 April 2024
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Kopfkino: Eine animalische Liebesgeschichte

schuhe_mit_absatzEs fällt mir ausgesprochen schwer, diese Geschichte zu erzählen, wahrheitsgemäß zu berichten. Ich weiß nämlich genau, was sie danach über mich und über weitere Angehörige meiner Familie denken. Einen anderen Ausweg sehe ich aber nicht, ich will – nein, ich muss es endlich loswerden, sei es drum. In Frankreich hat alles angefangen. Und wie es sich für Frankreich gehört, ein zauberhafter Tag mit einer zauberhaften französischen Sonne. Unser charmantes Lieblingscafe` war nur mäßig besucht. Milchkaffee und etwas Gebäck – ein leichtes und amüsantes Gespräch mit meiner Frau, und dann – du. Meine Frau begann mit dem Thema, ich hatte es nicht zu hoffen gewagt. Vorsichtig näherte sie sich dem entscheidenden Punkt, wohl ahnend, dieses Thema lag auch mir auf der Zunge.

Am späten Vormittag hatte ich dich, hatten wir dich, das erste Mal gesehen. Es war nur ein kurzer Moment, welcher in einer Millisekunde Weichen stellt, die Gedanken an sich reißt, uns steuert, dirigiert und uns jede Chance entwendet, selbst zu entscheiden. Nein, keine Chance, weder für dich, weder für meine Frau, weder für mich.

Die Situation überrumpelte mich, die Schönheit und die Gleichmäßigkeit der Proportionen, der Teint. Die Augen meiner Frau glänzten. Nach einem Lächeln, einem engelsgleichen Lächeln, sie zwinkerte mir zu, sie zeigte auf dich. Unwillkürlich benetzte ich meine Lippen, fuhr erregt mit der Zungenspitze von links nach rechts, von rechts nach links. Du warst nicht allein, die dich Begleitenden waren nicht weniger schön. Eine tiefe, eine animalische Lust begann, die ersten zarten Triebe meiner Liebe zu dir auf die Seite zu schieben. Gier kam auf, bemächtigte sich meiner Frau und mir, ein unbeschreibliches Durcheinander der Gefühle, Verwirrung, Lust, Angst, Leidenschaft, Liebe – alles drehte sich in mir.

Ein scheuer, bittender Blick in Richtung meiner Frau, ich zeigte auf dich. Sie hatte Tränen in den Augen, nickte mit dem Kopf und musste sich, von Emotionen geschüttelt und gezerrt, auf die andere Seite wenden. Ich nahm dich und eine deiner Begleiterinnen an die Hand, vornehme und blasse Kühle, keine Anstalten, sich dem sich abzeichnenden Schicksal zu entziehen. Wir gingen einfach los. Meine Frau folgte kurz hinter uns, zwischenzeitlich hatte sie Rotwein, Champagner und etwas Käse und Weißbrot eingekauft. Sie hatte sich wieder gefangen, wir waren beide in der Spur, wollten mit euch den Abend genießen, wollten die besten Gastgeber, euch angemessen, von euch verdient, sein.

Daheim, meine Frau und ich, wir sind nervös, fahrig, unruhig. Wir lächeln uns scheu an, umarmen uns. Aus Wärme wird Hitze. Ihr seid bei uns zu Hause. Dieser Tag, dieser Abend – diese kostbare Besonderheit.

Langsam und vorsichtig entkleide ich dich, meine Frau die Begleiterin, ihr liegt nebeneinander, sagt kein Wort, der Körper auf die Unterlage gepresst, die Beine leicht angewinkelt. Mit allerhand exotischem und weniger exotischem Beiwerk verwandelt ihr euch. Die Haut, mit seltenen Kostbarkeiten gesalbt, von uns abwechselnd gestreichelt und massiert, sie bereitet sich auf den Höhepunkt des Abends vor – und wir mit ihr.

Meine Hände werden immer fahriger und nervöser, in einem Zug trinke ich ein Glas Frascati, die Nerven, die Nerven, die Nerven.

Meine Frau, keine große Weintrinkerin, sie hält mir ihr Glas erneut entgegen. Auch ihre Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Die Hitze macht uns zu schaffen, die Augen tränen, der Blick verschwimmt. Wir umarmen uns ein letztes Mal, fassen euch an. Die ganze Situation treibt auf den Höhepunkt zu, es geht los.

Vierzig bittersüße Minuten später ist es vorbei. Leicht ölig liegst Du vor mir, verwandelt, wenn nicht gar entstellt. Heiderose streichelt ein letztes Mal die Schenkel deiner Begleiterin und widmet sich dann ihrem Espresso. Wir prosten uns kraftlos zu und lächeln, wonniger Moment, lautes und stilles Wohlbehagen, ich zünde zwei Zigaretten an, es ist vorbei, getan, genossen – gemeinsam genossen.

Nach einer halben Stunde war ich wieder kräftig genug, mich zu bewegen, eine heroische Anstrengung nach dem, was sich in den letzten zwei Stunden bei uns abgespielt hat. Unglaublich, dies alles, wir werden uns lange daran erinnern.

Am nächsten Morgen haben wir beim leichten Frühstück darüber gesprochen. Zwei Maispoularden in einem Rutsch, nur zu zweit, das haben wir vorher noch nie geschafft.

© Peter Reuter

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