Mittwoch , 16 Oktober 2024
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Wikileaks: Enthüllung oder Ablenkung?

wikileaks_fragezeichenTagelang wartete die Welt gespannt auf den Tag X, an dem eine Unzahl „geheimer“ Depeschen dank Wikileaks der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Seit Sonntag überschlagen sich die Nachrichten. Die nationale Sicherheit stünde auf dem Spiel. Das Leben einzelner Personen könnte gefährdet sein. Peinliche Kommentare über bekannte Politiker tauchen auf. Diplomaten werden als durchaus undiplomatisch entlarvt. Der Fluss freier Informationen hat wieder einmal gesiegt. Natürlich nimmt es Zeit in Anspruch, bis alle Dokumente durchgearbeitet sind. Doch was kam bis jetzt wirklich ans Tageslicht? Sorgt auch nur eine der Meldungen für Überraschungen?

Es hat sich bereits herumgesprochen: Angela Merkel ist „selten kreativ“ und Westerwelle ist „überschäumend“. Außerdem soll sich dieser gegen eine stärkere Beteiligung am Afghanistan-Krieg, so ließ Guttenberg US-Botschafter Murphy wissen, gestellt haben. Wäre ja auch schade um die vielen jungen Männer. Prinz Andrew hält die Franzosen für korrupt, Berlusconi sei „physisch und politisch schwach“ und der russische Präsident Medwedew spielt den „Robin“ für Putin. Alles sehr nett und unterhaltsam. Und sonst?

Einige arabische Staaten hätten Amerika darum gebeten, Iran anzugreifen. Mahmud Ahmadinedschad bezweifelt dies und streicht Irans Freundschaft mit den Nachbarstaaten hervor. Jörg Lau, der in Zeit-Online seine Skepsis über den Wert der Enthüllungen ausdrückt, bemerkt am Ende, dass, wenn gewiss auch unbeabsichtigt, der Staat Israel in seiner Gefahrenanalyse Bestätigung findet. Sarah Palin, Sprachrohr der angeblich alternativen US-Bewegung namens „Tea Party“, fordert sogar, dass Julian Assange als Terrorist verfolgt und zur Strecke gebracht werden sollte.

Alles in allem wurde jedoch bis jetzt kaum etwas entdeckt, was nicht ins bestehende Weltbild passen würde. Bis dato findet sich kein Hinweis auf politische Absprachen mit Bankiers-Dynastien. Kein von Diplomaten geäußerter Kommentar im Zusammenhang mit dem jährlich stattfindenden Bilderberger-Treffen, Zusammenkünften der Trilateralen Kommission oder des Council on Foreign Relations, der die Kommentare zum Thema auf der eigenen Webseite äußerst oberflächlich hält. Was noch hätte zu wirklichen Sensationen geführt? Interne Absprachen über, von langer Hand geplante, Komplotte gegen bestimmte Länder? Das Aufdecken von sogenannten „False-Flag-Attacken“, von Geheimdiensten durchgeführte Anschläge, die danach anderen in die Schuhe geschoben werden? Informationsaustausch über die „Zeit danach“, wenn unser Finanz-System endgültig kaputt gegangen sein wird?

Der Spiegel alleine soll 50 Mitarbeiter mit der Auswertung der Dokumente beschäftigt halten. Daneben gibt es noch die New York Times, den Guardian und ein paar andere, die sich ähnlich bemühen, ihren Lesern und dem Rest der Welt alles Wesentliche mitzuteilen. Rein theoretisch könnte ja noch einiges gefunden werden, was zum großen Knalleffekt führen könnte. Theoretisch.

Bis dato ist aber absolut nichts zum Vorschein gekommen, was nicht in irgend einer Form entweder schon bekannt war oder zumindest zu erwarten war. Bei genauer Betrachtung, bestätigen die durchgesickerten Bemerkungen der US-Diplomaten, dass unsere Welt politisch und wirtschaftlich genau so funktioniert, wie es die meisten Menschen auch glauben. Für den Moment sieht es so als, als würden alle Vermutungen, Befürchtungen und Spekulationen über den Einfluss einer, aus dem Hintergrund agierenden, Elite durch diese Veröffentlichungen neutralisiert und endgültig in den Bereich von Verschwörungstheorien abgedrängt worden sein.

„Viel Lärm um nichts“ ließe sich zu den Enthüllungen bemerken. Diplomaten werden in ihrer Informationsübermittlung vielleicht von nun an vorsichtiger sein. Die Weltöffentlichkeit ist jedenfalls um keine Erkenntnis reicher und darf weiter darauf hoffen, dass sich die Politik um die Erhaltung des Weltfriedens, um das Wegzaubern einer Wirtschaftskrise und um unser aller Wohlergehen kümmern wird.

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