Der mysteriöse Mord an John F. Kennedy, am 22. November 1963, ist ein Schlüssel-Ereignis der jüngeren Geschichte. Nicht die Tat selbst führt zum großen Staunen, sondern die Unzahl der Widersprüche, die trotzdem bis heute zu keiner Revision der offiziellen Erklärungen geführt haben. Wer, welche Organisation, welche Gruppe, ist daran interessiert und mächtig genug, den wahren Tathergang auch ein halbes Jahrhundert später noch zu vertuschen? Judyth Vary Baker war Oswalds Geliebte. Im September erschien ihr Buch, das Lee Harry Oswalds Andenken gewidmet ist. Sie ist überzeugt: Er war nicht der Mörder!
Wenn ein Mensch nach so vielen Jahren sein Schweigen bricht, wirft sich als erste Frage auf: Warum hat er oder sie so lange zugewartet? Judyth Vary Baker bietet eine plausible Erklärung. „Wenn du am Leben bleiben möchtest, dann ist es an der Zeit, dass du dich in die Katakomben zurückziehst. Versprich mir, dass du deinen Mund halten wirst!“, zitiert sie den gemeinsamen Bekannten, Privatdetektiv David Ferrie.
Die damals 20-Jährige war ebenso verheiratet wie Oswald. Sie war eine brillante Studentin, die sich in der Krebsforschung engagierte. Ihren Erklärungen zufolge, zeigte sich Dr. Alton Ochsner an ihren Forschungsarbeiten höchst interessiert. Ihm soll es jedoch nicht daran gelegen sein, ein Mittel zur Krebsheilung zu finden, sondern einen Virus, der Krebs auslösen sollte. In diesem Zusammenhang erfolgt ein Verweis auf Fidel Castro. Auf diesem Wege wäre es möglich gewesen, ihn zu ermorden, ohne jeglichen Verdacht zu erwecken.
Neben Lee Harvey Oswald lernte sie in diesen Monaten mehrere Personen mit mysteriösen Hintergründen kennen. Den bereits zitierten Privatdetektiv David Ferrie, Mafiaboss Carlos Marcello, den fanatischen FBI-Agenten Guy Banister und den Nachtklub-Besitzer Jack Ruby, den Oswald für einen Freund hielt.
Über Owald wusste sie – oder glaubte zu wissen – dass er für die CIA arbeitete. Eine willentliche Beteiligung an der Kennedy-Ermordung schließt sie kategorisch aus. Ihrer Meinung nach, war seine Rolle bloß die eines Sündenbocks. Am 22. November wurde John F. Kennedy in Dallas ermordet und Oswald wurde noch am gleichen Tag verhaftet. Am nächsten Tag sprach David Ferrie die zitierte Warnung aus. Am folgenden Tag erlebte sie live im Fernsehen mit, wie Oswald von Jack Ruby erschossen wurde.
Mysteriöse Todesfälle bestätigten, dass auch sie sich in Gefahr befand.
Am 21. Juli 1964, genau an dem Tag, an dem Warren-Kommission mit ihren Vernehmungen in New Orleans begann, wurde Dr. Mary Sherman, die gemeinsam mit ihr und Dr. Ochsner an den Krebsforschungen teilgenommen hatte, brutal in ihrer Wohnung ermordet. FBI-Agent Guy Banister starb an einem Herzinfarkt. Seine Ermittlungsergebnisse wurden konfisziert. David Ferrie erlag einem Selbstmord. Judyth Vary Baker folgte dessen Rat, hielt sich im Hintergrund und zog fünf Kinder auf.
Rund 38 Jahre später, motiviert durch Oliver Stones Film „JFK“, in dem schweigende Zeugen der Feigheit bezichtigt wurden, beschloss sie, ihr Wissen preiszugeben. Einer ihrer Gründe war, Oswalds Kindern vor Augen zu führen, dass ihr Vater nicht nur an der Ermordung von Kennedy völlig unbeteiligt war, sondern, dass es ihm darum ging, ihn zu schützen.
Selbstverständlich wecken ihre, in dem im September erschienen Buch „Me & Lee“, das vorläufig nur auf englisch erhältlich ist, Darstellungen auch Zweifel. Viele der Punkte, die sie vom Standpunkt der damals jungen und vielleicht auch naiven 20-jährigen Studentin aus beschreibt, lassen sich jedoch bestätigen. Dazu zählt ihre Mitarbeit in Dr. Ochsners Labor ebenso wie ihr Verhältnis mit Lee Harvey Oswald. Für Menschen, die sich mit der offiziellen Darstellung der Warren-Kommission nicht zufrieden geben, passen Bakers Ausführungen mit Sicherheit ins Gesamtbild.
Wird sich durch neue Zeugenaussagen etwas ändern? Ist zu hoffen, dass eine neue Kommission eingesetzt werden könnte, die alle Fakten, die mittlerweile zur Verfügung stehen, aufrollt, Oswald entlastet und nach den wahren Hintermännern sucht? John F. Kennedy war der beliebteste US-Präsident des 20. Jahrhunderts. Könnten die Gründe, die zu seiner Ermordung führten, seine politischen Ziele und geplanten Veränderungen, offen gelegt werden? Unter den gegebenen Voraussetzungen, ist damit keineswegs zu rechnen. Vielleicht ist es nur blinder Idealismus, zu glauben, dass John F. Kennedy den Lauf der Geschichte hätte verändern können. Doch wäre dies wirklich seine Absicht gewesen, so ist es gerade heute, in einer Zeit, in der unser wirtschaftlich-politisches System sein wahres Gesicht zeigt, nur schwer zu erwarten, dass die Zusammenhänge beleuchtet werden könnten. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht ausschließen, dass ein Idealisieren der Person Kennedys vielleicht nur auf der Hoffnung beruht, dass es einem Mann gelingen könnte, unsere Gesellschaft, unser politisches System, fairer und menschlicher zu gestalten.
Bakers Portrait von Lee Harvey Oswald:
{youtube}iHwbOWLs82M{/youtube}