Dienstag , 19 März 2024
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Schockierende Fakten zur Schuldenpolitik

Staatsschulden scheinen erst dann als Problem erkannt zu werden, wenn die Steuereinnahmen nicht mehr ausreichen, um die anlaufenden Zinsen zu begleichen. Bezüglich der Politik Silvio Berlusconis wurde der Eindruck vermittelt, als wäre Italien erst unter seiner Regierung in eine Krise geschlittert. Allerdings, im selben Zeitraum stiegen die Schulden Deutschlands wesentlich dramatischer an. Der Unterschied liegt bestenfalls darin, dass Deutschland sein Potential noch nicht ganz ausgeschöpft hat. Daneben gibt es Länder wie den Iran, Russland und auch Libyen, an denen man sich, was die öffentlichen Schulden betrifft, eigentlich ein Beispiel nehmen könnte.

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Was die Situation Italiens betrifft, so wird erwartet, dass die Märkte wieder neues Vertrauen in die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone fassen. Immerhin, der neu eingesetzte Ministerpräsident Mario Monti ist ein Insider der ersten Klasse. Als Vorsitzender der europäischen Gruppe der Trilateralen Kommission verfügt er über die besten Kontakte und sicher über jene Erfahrung, die dazu beitragen sollte, den Erwartungen der Märkte gerecht zu werden. Eindrucksvolle Worte – wenn auch mit wenig Aussagekraft – finden durch die Medien bereits Verbreitung. So schreibt etwa das Hamburger Abendblatt: „Eine strenge Haushaltsdisziplin, Wirtschaftswachstum und mehr soziale Gerechtigkeit machte Monti als entscheidende Pfeiler seiner Regierungsarbeit für die Zukunft Italiens aus.“

„Strenge Haushaltspolitik“ bedeutet, die Bürger kurz zu halten. Bei verringerter Kaufkraft gleichzeitig ein „Wirtschaftswachstum“ anzustreben, kann nur durch Förderung des Exportes erzielt werden. Und dass den Italienern nicht gleich auffällt, dass sie ab nun für weniger Geld härter arbeiten sollen, wird die Androhung durch das Versprechen von „mehr sozialer Gerechtigkeit“ abgerundet. Wenn es allen gleich schlecht geht, handelt es sich schließlich auch um eine Form von Gerechtigkeit.

Nachdem sich Europa zur Zeit jedoch mit einer Schuldenkrise herumschlägt, weil in einigen Staaten die Steuereinnahmen nicht mehr ausreichen, um die Zinsen zu bezahlen, werfen wir kurz einen Blick auf die Schuldenentwicklung der vergangenen Jahre.

Die Entwicklung der öffentlichen Verbindlichkeiten dient als Vergleichsbasis. Insbesondere zur Lösung der Probleme spielen wesentlich mehr Fakten eine Rolle. Wem gegenüber und in welcher Form ist der Staat verpflichtet, wie hoch ist der Zinssatz für neue Kredite, wie sieht die Außenhandelsbilanz aus, welche sind die wichtigsten Exportmärkte etc. Vorwiegend auf veröffentlichte Zahlen des IWF und des CIA-World-Factbook zurückgreifend, bietet die Webseite IndexMundi einen anschaulichen Überblick.

Demzufolge, beliefen sich die öffentlichen Schulden Italiens im Jahr 2010 auf 119 % des Bruttoinlandsprodukts, ein Anstieg um 2,52 % zum Vorjahr.

Für Deutschland wird die öffentliche Verschuldung für das Jahr 2009 mit 74 % angegeben, stieg allerdings bis 2010 um 13,25% auf 84 % des BIP an.

Berlusconi spielte in der italienischen Politik aber schon wesentlich länger eine bedeutende Rolle. Von 1994 bis 1996 amtierte er bereits als Ministerpräsident, dann von 2001 bis 2006 und nochmals von 2008 bis 2011. Werfen wir also einen Blick auf die italienischen Staatsschulden vor Berlusconis erstem Regierungsantritt, 1993. Damals betrugen sie 115,6 % des BIP. Der Anstieg während der vergangenen 18 Jahre betrug somit 3,4 Prozentpunkte bzw. 2,94 % in Relation zur Wirtschaftsleistung. In Deutschland betrugen die öffentlichen Schulden im Jahr 1993 noch 45,8 % des BIP, 2010 aber bereits 84 %. Dies entspricht einem Anstieg um 83,4 %. Beachtlich! In Deutschland darf man sich also darüber freuen, dass sich die Schulden fast verdoppelten, und man trotzdem noch in der Lage ist, anderen Staaten auszuhelfen. Ob das an der deutschen Disziplin und Arbeitsmoral liegt?

Die ursprüngliche Misswirtschaft Italiens liegt also wesentlich länger zurück. Die ungehemmte Schuldenpolitik setzte dort eben schon deutlich früher ein. Während der vergangenen zwei Jahrzehnte schien Italien aber deutlich besser zu wirtschaften als Deutschland, wenn auch gezwungenermaßen, weil die maximale Auslastung der Kreditmöglichkeiten dort eben schon wesentlich früher eingetreten ist. So wie Individuen relativ problemlos und ohne andere Sicherheiten als der eigenen Arbeitskraft ein Jahreseinkommen von Banken vorgeschossen bekommen, liegt bei Staaten die allgemein akzeptierte Grenze im Bereich der Wirtschaftsleistung eines Jahres.

Allerdings finden sich hier sehr starke Abweichungen, was in erster Linie mit dem jeweiligen Budget zusammenhängt. Hier bietet das CIA-World-Factbook wiederum einen interessanten Überblick. In Spanien, eines der Krisenländer, beträgt die Staatsverschuldung zwar nur 60% des BIP, das Staatsbudget beläuft sich jedoch „nur“ auf 35,7 % des BIP. In Deutschland sind es 43 %. In Italien bereits 46,7 %, andernfalls die Zinsen für die deutliche höhere Staatsverschuldung schon lange nicht mehr bezahlbar wären.

Zum Staatsbudget bedarf es einer weiteren kurzen Erklärung. In den meisten europäischen Staaten sind es in erster Linie Steuerleistungen, die dem Staat Mittel zur Verfügung stellen. In anderen Ländern, etwa in Libyen, ist es vorwiegend die Rohstoffgewinnung, auf der die Finanzierung des Staatshaushaltes beruht. So standen dem libyschen Staat im Vorjahr noch 56,6 % des BIP als Budget zur Verfügung. Die Staatsverschuldung wir mit 3,3 % angegeben und gleichzeitig liegen rund 200 Milliarden Dollar Staatsgelder auf internationalen Konten. Aus diesen Mitteln wurde Bildung, Gesundheitswesen, Strom- und Wasserversorgung und andere öffentliche Einrichtungen finanziert, die Wohnkosten niedrig gehalten, bei Familiengründung gab es eine staatliche Starthilfe und ähnliches. Aber, in der Meinung der Weltöffentlichkeit findet all dies wenig Berücksichtigung. Die Medien tragen ihren Teil dazu bei.

Die öffentlichen Schulden Irans werden mit 16,3 % angegeben. Der Finanzsektor würde, bei diesem Ölreichtum, wohl gerne mehr Mittel zur Verfügung stellen. Auch Russland findet sich, mit 9 % des BIP, unter den am niedrigsten verschuldeten Staaten. Für die dortige Bevölkerung gibt es wiederum andere Probleme. Immerhin wurde ein Großteil der ehemaligen Staatsbesitzungen, insbesondere im Rohstoffbereich, einer Auswahl von Oligarchen überlassen. Allerdings, mit einer Schuldenkrise braucht sich Russland, im Vergleich zum „fortschrittlichen“ Europa, nicht herumschlagen. Dem internationalen Finanzsektor mag diese unausgeschöpfte Zinsquelle vielleicht ein Dorn im Auge sein. Doch, dank eines bereits bestehenden mächtigen Atomwaffenarsenals, braucht Moskau nicht vor Sanktionen zu zittern, so wie andere Länder, deren Verteidigungspotential deutlich geringer ist.

Abschließend möchte ich noch auf einen Begriff verweisen, der dieser Tage in den Medien immer wieder Verwendung findet: Schuldenabbau! Wie erwähnt, stiegen die Staatsschulden Deutschlands während der vergangenen zwei Jahrzehnte, inflationsbereinigt, um mehr als 80 % an. Dementsprechend schwerer kommt die Zinslast zu tragen. Während die Wirtschaft der Vergangenheit dadurch in Schwung blieb, dass die Schulden regelmäßig anstiegen, finden wir uns jetzt mit der Situation konfrontiert, dass ein weiterer Anstieg kaum mehr möglich ist, gleichzeitig aber immer mehr Kaufkraft, durch das Bezahlen der Zinsen, dem Kreislauf entzogen wird. Eine schlimmere Situation für die Realwirtschaft wäre kaum möglich. Und wie sollte es unter diesen Voraussetzungen möglich sein, bestehende Schulden abzubauen?

Ja gewiss, möglich wäre es, in dem sich Staaten den Tentakeln des Finanzsektors entziehen und eigenes Geld schöpfen, so wie einst Abraham Lincoln, der es tatsächlich gewagt hatte, den Amerikanischen Bürgerkrieg mittels einer staatseigenen Währung zu finanzieren. Ohne Verschuldung, ohne Zinsen. Dieses Konzepte endete allerdings spontan. Lincoln wurde am 15. April 1865 erschossen. Kein Wunder, dass kein Politiker es wagt, derartige Vorschläge zu unterbreiten. Ein Vorschlag, wie sich unter den gegebenen Voraussetzungen Schulden relevant abbauen ließen, wurde bis heute keiner geäußert. 

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