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Psychologie der Finanzkrise

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Psychologie der Finanzkrise: Kleine Dream-Teams und massenhaft Follower – Während die mediale und politische Öffentlichkeit im Bann potentieller fiskalischer Konkurse steht, nutzt die Finanzwirtschaft weiterhin ihre Chancen, Kreditderivate zweifelhaften Wertes zu konfigurieren und zu vertreiben – mit weltweit krisenhaften Folgen. Professor Dr. Lorenz Fischer (Universität Köln) und Dr. Oliver Fischer (University Oxford) legen dazu die erste psychologische Analyse vor (Wirtschaftspsychologie 2/2011).

Die Wissenschaftler ziehen Parallelen zu zwei historischen Katastrophen der USA: Zerstörung der Pazifikflotte in Pearl Harbour (1941) und Invasion Cubas in der Schweinebucht (1961). Bei den Verantwortlichen der USA, d.h. in den jeweils elitären Gruppen, dominierte ein Konformitätsprozess; er führte dazu, „dass man im Hinblick auf die festgelegte Aufgabe nicht mehr die große Bandbreite sämtlicher gegebener Alternativen in den Entscheidungsprozess einbezieht. Innerhalb der Gruppe bildet sich vorschnell eine gemeinsame Strategie heraus, die von einem bestimmten Punkt an von keinem der Gruppenmitglieder infrage gestellt wird. Übereilige Konformitätsprozesse steigern einerseits die Kohäsion, führen anderseits aber leicht zu einer unzutreffenden Wertung der Umwelt und im ungünstigsten Fall letztlich zu katastrophalen Fehlentscheidungen.“

Eine zentrale Ursache katastrophaler Entscheidungen ist oft die Isolation und Nicht-Kontrollierbarkeit entscheidender „elitärer“ Gruppen – wie etwa die Entwicklerteams der fraglichen Derivate und geschichteten Kredite. Derartige „Produkte“ haben einen hohen Abstraktionsgrad, der von anderen Marktteilnehmern nicht wirklich nachzuvollziehen ist. Fischer und Fischer gehen davon aus, „dass viele Banker – auch aus dem Investment-Sektor – nur sehr unpräzise Vorstellungen davon hatten, wie Derivate so außerordentlich hohe Gewinne erzeugen konnten. Diejenigen aber, die zum Kreis der Eingeweihten gehörten, waren um die Aufrechterhaltung des ´Mythos´ bemüht, dass nur sie solche Gewinne zu realisieren in der Lage waren.“

Fischer und Fischer zeichnen nach, dass die elitären, meist jung-dynamischen „Dream-Teams“ ihre Kreditderivate vorsätzlich extrem komplex entwickelten und in einem mathematisch hoch aufgeladenen Sonderjargon formulierten, um Außenstehenden jede realistische Bewertungsmöglichkeit zu nehmen und um das hohe Risikopotential zu verschleiern. Ein sehr großer Teil der Bankenwelt wie der Anleger-Kundschaft ließ sich unhinterfragt und bereitwillig von den magischen Profitperspektiven animieren. Die Übergänge zur Kriminalität gerieten auf allen Ebenen fließend.

Fischer und Fischer diskutieren Möglichkeiten, Risiken ähnlicher krisenhafter Entwicklungen künftig zu reduzieren. Doch weder in der Finanzwirtschaft, noch in der Politik sehen die Wissenschaftler Anlass für optimistische Prognosen; vielmehr „ist ähnliches Verhalten wohl auch in Zukunft zu erwarten.“

 

L. Fischer, O. Fischer: Die Finanzkrise – Eine wirtschaftspsychologische Analyse.

Wirtschaftspsychologie 2/2011, S. 5-23, Pabst Science Publishers, www.psychologie-aktuell.com.

Ein Beitrag von Wolfgang Pabst

 

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