Freitag , 29 März 2024
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„Die Handelswoche des Grauens“ – Die Märkte werden noch weiter nachgeben

pregetter_hoermannDie „Handelswoche des Grauens“, wie der Spiegel den Analysten Gregor Kuhn zitiert, ist endlich zu Ende. „Thanks God, it´s weekend“, könnte man da sagen. Denn der DAX schloss am Freitagabend, auf die Woche bezogen, mit einem Minus von fast 13 Prozent – dem größten seit seinem über 20-jährigen Bestehen. Der Dow Jones wurstelte sich irgendwie auf ein Plus von einem Prozent und der DAX konnte sich von einem Minus von 6,7 Prozent bei seinem Start auf ein Minus von 2,78 Prozent am Ende des Tages hochringen. Glaubt man Mr. Dax, steht eine zweite große Krise seit 2008 bevor. Der „Double Dip“ wird auch heute Freitag von der New York Times prognostiziert. „Die Märkte preisen derzeit eine globale Rezession im Jahr 2012 ein“, zitiert der österreichische Kurier Heino Ruland von Ruland Research in seiner Wirtschaftsausgabe. Grund genug also für The Intelligence nach der aktuellen Befindlichkeit des Wirtschaftssystems die beiden Kritiker Franz Hörmann und Otmar Pregetter zu befragen. Hier der erste Teil mit Unternehmensberater und Universitätslehrer Otmar Pregetter. [Anmerkung: Wir stellten die Fragen noch vor Börsenschluss.]

The Intelligence (TI): Die Talfahrt der Börsen setzt sich fort. Heute fürchtet man einen schwarzen Freitag, der sich am kommenden Montag zur Weltkrise ausweiten könnte. Welche Auswirkungen mag eine solche auf die Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) in Europa haben? Handelt es sich jetzt um den Zusammenbruch der Märkte?

Otmar Pregetter (P): Ja, die Kurse purzeln kräftig nach unten und es ergeben sich auf Wochenbasis Verluste zwischen ca. minus 8 % (Standard & Poors 500 Index) und ca. 12 % (DAX). Ein schwarzer Freitag dürfte es nicht ganz werden. Die Märkte werden sicher die kommenden Tage/Wochen weiter nachgeben, mehr als 2008 bis 2009. Die Kurskorrektur ist überfällig, zumal die Ursache der größten Krise seit 1929 – das Zinseszins basierte Schuld-Geldsystem – nicht einmal andiskutiert wurde! Ja – die Kursverluste könnten ab kommenden Montag zu einer beginnenden 2. Weltkrise auswachsen, da die Kurse seit Beginn 2009 schon fast wieder (DOW Jones) auf das Vorkrisen-Niveau kletterten. Die EZB/FED haben nur die Banken mit Liquidität vollgepumpt. Diese waren ob der „Politik des billigen Geldes“ froh und zockten weiter wie vor der Krise. Der Unterschied zur Krise 2008 ist aber gravierend, weil die Bevölkerung die völlige Untätigkeit der Politik nicht mehr duldet als auch Rettungspakete über 1.500 bis 2.000 Mrd. Euro, wie sie einige EU-Politiker vorschlagen, den Menschen nicht mehr „verkauft“ werden können. Für KMU`s (Kleine und mittlere Unternehmen) sehe ich keine Auswirkungen, außer die Eigentümer haben Bankaktien in ihrem Vermögensportfolio. Die meisten KMU`s sind ja über Kredite fremdfinanziert.

TI: Die Anleger flüchten aus den Aktienmärkten. Wohin? Und entsteht dann in den Flucht-Märkten nicht eine neue Blase? Eine jagt dann die andere Blase – wie lange noch?

P: Die anderen Blasen – Gold, Silber, Rohstoffe (Kaffee, andere Metalle usw.) vor allem aber Immobilien (China) und Lebensmittel – sind ja längst schon vorhanden. Die Ursache liegt vor allem darin, dass die Geldmenge im Euroraum z.B. zwischen 2000 bis 2009 um 94 % stieg, die Warenmenge (das BIP) jedoch nur um 14 %! Die EZB hat beim Management der Geldmenge total versagt und ihr Ziel – 4.5 % Wachstum pro Jahr – um das Doppelte verfehlt: und das über 10 Jahre! Das ist ja kein Zufall, sondern bewusste Geldpolitik. Das geht so lange, solange diese Überliquidität im Finanzsektor vorhanden ist. Die Realwirtschaft braucht ja kaum Kredite, weil sie in Geld schwimmt und ihre gesunkenen Investitionen locker aus ihren erwirtschafteten Cash Flows finanzieren kann.

TI: Italien steht vor der Zahlungsunfähigkeit, so das Wirtschaftsblatt heute Morgen. Weshalb wird die budgetäre Situation der europäischen Länder nicht wirklich offen gelegt? Wie kommt es zu dieser Art von Geheimhaltung? Gleichzeitig vermeldet man permanentes Wirtschaftswachstum.

P: Es sind (fast) alle Staaten insolvent – außer den skandinavischen, deren Schuldenquote zwischen 30 bis 45 % liegt! Die Messung der Staatsschulden als Prozent des BIP`s ist ja ökonomischer Unfug, da das BIP weder vom Staat „gesteuert“ werden kann (z.B. die Exportnachfrage) noch die Zunahme direkt mehr Steuereinnahmen bedeutet: wann wurden je in Wachstumsphasen Überschüsse erzielt?

Die Staatsschuld kann nur durch Überschüsse bedient werden – und da die meisten Staaten seit 60 Jahren nur Defizite haben… Italien ist nur der nächste „Kandidat“ der Finanzalchimisten, danach kommt eben Spanien. Das Volumen der Derivate auf Zinsen und Devisen liegt bei ca. 550.000 Milliarden Dollar – das Welt BIP bei ca. 57.000 Milliarden. Dollar –  d.h. die Spekulation beträgt ca. das 100fache der Realwirtschaft. Und da die Politik – offensichtlich – nichts gegen den Wildwuchs der Derivate unternimmt, geht das Spiel eben weiter.

Ja – die Statistiken der Staatsschulden entsprechen nicht den Tatsachen. Der Grund liegt in der „Selbstlüge der EU“, die ja außerbudgetäre Schulden (in Österreich machen diese ca. 40 bis 50 Mrd. Euro aus!) zulässt. Und die Prognosen des Wachstums sind so viel wert, wie eine Prognose des Wetters für den Winter 2011/12, wie der Sachverständigenrat immer wieder bestätigt (er prognostizierte ein Wachstum von 1 % für 2006 – es wurden dann 3,6 %!).

TI: Der Schweizer Franken ist eine beliebte Fremdfinanzierungsmöglichkeit für Häuslebauer. Hat der Franken jetzt das Potenzial, die Eurozone endgültig zu Fall zu bringen und damit die breite Masse der Bevölkerung? Droht hier auch eine Enteignungswelle der Hausbesitzer wie in den USA? Schließlich steigen die Preise in der Schweiz, viele Schweizer fahren in die Eurozone zum einkaufen. Damit hat doch auch die Schweiz schon mit Inflation zu kämpfen, oder?

P: Der Schweizer Franken ist eine Fluchtwährung, stimmt. Er wird den Euro nicht zu Fall bringen, aber viel Geld wird in die Schweiz fliehen – die Schweizer Wirtschaft stöhnt schon darunter und deren Nationalbank interveniert gegen den Kursanstieg seit Jahrzehnten, kürzlich wieder mit mehr als 200 Mrd. Viele Hypothekarkredite, allen voran in Österreich und Ungarn, wurden in SFR finanziert. Nachdem der SFR seit Monaten um ca. 40 % stieg, stiegen auch die Schulden der Hausbesitzer in gleichem Umfang. Dass die Banken (derzeit) diese Schulden fällig stellen, glaube ich nicht, da sie dann auch die Kredite abschreiben müssten, d.h. auch die Banken wären pleite. Eine Umschuldung, d.h. Friststreckung der Kredite um eben 30 bis 50 % der ursprünglichen Laufzeit, wird der einzige Ausweg sein, denke ich. Der Geldstrom in die Schweiz wird zu höheren Preisen vor allem bei Immobilien, Grundstücken führen.

Die Schweiz ist eine Steueroase, so wie in der EU Luxemburg, Malta, Zypern, Österreich und die britischen Kanalinseln. Solange diese „Sozialschmarotzer“ nicht stillgelegt sind, wird die immense Bereicherung von 0,001 Promille der Bevölkerung zu Lasten der 90 % der Menschen, die in der Schuldenfalle stecken, weitergehen. Ob diese verheerende Entwicklung nur durch soziale Unruhen umkehrbar ist, wird sich bald zeigen.

TI: Wie realistisch ist es, eine Bauchlandung der Realwirtschaft so aufzufangen, dass die Bevölkerung nicht allzu sehr Schaden nimmt?

P: Bei dieser, völlig verw-IRR-ten, Wirtschaftspolitik wird die Realwirtschaft geradezu in den Abgrund „gemanagt“. Zum Ersten führen diese Spardiktate Griechenland, Portugal und demnächst auch Spanien in eine tiefe Depression und die totale Abhängigkeit von den Exportüberschussländern. Das ist der direkte Weg in den Wirtschaftsfaschismus, den Schäuble auch lautstark mit: „…dann verlieren die Länder eben an staatlicher Autonomie“ … ankündigte. Zweitens hat Herr Trichet über die Medien lautstark hinausposaunt, was er von Lohnerhöhungen hält: „Das wäre das Dümmste was man machen könne“ (siehe http://de.reuters.com/article/economicsNews/idDEBEE71J07I20110220).

Eine Bauchlandung der EU-Länder lässt sich aber n u r mit Lohnerhöhungen zwischen 3 bis 6 % nominell verhindern, das wäre das beste Konjunkturpaket zumal der EU-Binnenhandel ca. 70 % des EU-BIP`s ausmacht. Ob sich diese „EU-Rea-gierung“ dazu entschließen kann, bezweifle ich.

TI: Welche Ratschläge haben Sie als Autor des Buches „Das Ende des Geldes“ für die Bevölkerung? Und wie weit ist das Pamphlet gediehen?

P: Das Pamphlet wird nächste Woche fertig, die Ereignisse der kommenden Woche werden wir noch aufnehmen. Bezüglich der Vorschläge für die Bevölkerung schließe ich mich Franz Hörmann an. George Bernhard Shaw sagte sehr treffend: „Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.“

TI: Wir danken für die umfassende Auskunft.

 

Teil 2 Des Interviews lesen Sie morgen hier bei The Intelligence.

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