Freitag , 26 April 2024
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Utopia 2.0: Der gerechte Steuerstaat

Steuern in DeutschlandSeit Menschengedenken zerbrechen sich Philosophen und Staatstheoretiker die Köpfe, um den gerechten Staat zu erschaffen. Auch wenn ein Utopia 2.0 bis heute nicht in Aussicht steht, so versprechen Politiker – und zwar ebenfalls seit Menschengedenken – immer wieder, irgendwann eines zu erschaffen. Ob real oder fiktional bleibt in diesem Zusammenhang meist dahingestellt. Auf die äußerst komplexe Frage, wie so ein gerechter Staat eigentlich aussehen könnte, erhält man in der Regel noch viel komplexere Antworten.

Klar ist zumindest und das schon seit Platon, dass durch den Begriff der Gerechtigkeit ein idealer Zustand sozialen Miteinanders bezeichnet wird, in dem ein angemessener, unparteilicher und ein einforderbarer Interessenausgleich ebenso stattfindet wie die Verteilung von Gütern und Chancen unter allen Bürgern. Geführt wird ein gerechter Staat in Platons Sinne von Philosophenkönigen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie die Idee des Guten gesehen haben und dieser entsprechend handeln können.

Eigentlich alles ganz einfach. Woran liegt es dann aber, dass sich immer mehr Menschen über Ungerechtigkeit von Seiten des Staates beschweren und vor allem das Steuersystem in Deutschland als ungerecht empfinden?

Eine mögliche, aber wahrscheinlich zu kurzgreifende Antwort wäre: Die Philosophenkönige sind ausgestorben und unsere heutigen Politiker haben die Idee das Guten noch nicht gesehen.
Fest steht hingegen, dass sich immer mehr Menschen mit Fragen beschäftigen wie: Ist es richtig, dass kinderlose Menschen für die Finanzierung des Schulsystems aufkommen müssen? Warum werden Radfahrer für die Instandhaltung von Autobahnen zur Kasse gebeten werden? oder Ist es gerecht, dass Kinder reicher Eltern ohne selbst etwas geleistet zu haben auf ein weitaus größeres Erbe hoffen können, als Kinder einkommensschwacher Menschen?
Ob und wie gerecht das deutsche Steuersystem tatsächlich ist und welche Veränderungen der im kantischen Sinne mündige Bürger durch seine Wahlbeteiligung herbeiführen könnte, darüber streitet sich das Land. Hierzu ist es sinnvoll, sich zuerst einmal die Steuerversprechen, die die einzelnen Parteien in ihren Wahlprogrammen machen, anzusehen.

Welches Wahlprogramm schafft für wen Steuergerechtigkeit?

„Jedem Menschen Recht getan, ist eine Kunst die keiner kann.“

Dieses Sprichwort scheint sich auch in der Deutschen Steuerpolitik niederzuschlagen. Einig ist man sich indessen – und zwar über Parteigrenzen hinweg – dass man sich in Bezug auf mögliche Steuerreformen uneinig ist.

Während sich Union und FDP ganz klar gegen Steuererhöhungen aussprechen, halten die anderen Parteien dagegen, diese seien unvermeidbar.Entsprechend streben Linkspartei, Grüne und SPD die Einführung einer Vermögenssteuer bzw. Vermögensabgabe ebenso an, wie das Zahlen von Spitzen- und Erbschaftssteuern. Und dieser Linie bleiben sie konsequent treu, indem sie bis dato bestehende Steuerprivilegien für einzelne Interessengruppen komplett streichen wollen.

Fragt sich also welcher Ansatz ist gerecht und welcher ist gerechter?

Die Grünen monieren in ihrem Wahlprogramm, die Höhe der Einkommenssteuersätze sei in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, was gerade bezüglich der Steuerlast von Spitzenverdienern weder sozial gerecht noch finanzpolitisch vernünftig sei. Auch die Argumentation der Sozialdemokraten ist ähnlich: Grundsätzlich müsste eine gerechte Steuerpolitik die Lasten fair verteilen. Aus diesem Grund sei es nötig, Spitzenverdiener sowie Vermögende stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens in die Pflicht zu nehmen. Entsprechend fordert die SPD die Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent für steuerpflichtige Einkommen ab 100 000 Euro bei Unverheirateten bzw. 200 000 Euro bei Ehepaaren. Noch schneller greifen allerdings die Grünen zu, denn sie fordern bereits den Spitzensteuersatz bei Einkommen von Unverheirateten ab 60 000 Euro auf 45 Prozent und ab einem steuerpflichtigen Einkommen von 80 000 Euro auf 49 Prozent zu erhöhen. Im Gegenzug möchten sie das steuerfreie Existenzminimum um 570 Euro auf mindestens 8700 Euro anheben.

Wer muss was zahlen? Wirtschaftswissenschaftler haben nachgerechnet

Während die CDU/CSU und die FDP weiter mit dem Versprechen steuerlicher Entlastungen in den Wahlkampf ziehen, fragen sich immer mehr Menschen, wer muss was zahlen, wenn die geplanten und heftig umstrittenen Steuererhöhungen der Oppositionsparteien in Kraft treten würden. Fakt ist, das Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) hat nachgerechnet und ist zu einem überraschenden Ergebnis gekommen, denn laut der wissenschaftlichen Expertise des DIW würden die geplanten Steuererhöhungen ausschließlich die einkommensstärksten fünf Prozent aller deutschen Haushalte in einem nennenswerten Umfang belasten.

Möchte man diese Aussage in Prozent ausdrücken, erhält man – je nach Partei – folgendes Bild:

Während bei den Steuerreformplänen der Grünen 6,3 Prozent aller Haushalte deutschlandweit verlieren würden, müssten nach dem Steuermodell der Sozialdemokraten 7,4 Prozent aller Haushalte eine zusätzliche Steuerlast von etwa 1700 Euro jährlich tragen. Inwiefern Sie beim Wahlsieg welcher Partei mit einer zusätzlichen Steuerbelastung rechnen müssten, können Sie individuell bei www.steuer-o-mat.de herausfinden.

Gerechte Steuerverteilung

Unternehmen, Wirtschaftsverbände und Spitzenverdiener beklagen Ungerechtigkeit

Gerade bei Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Spitzenverdienern sind die Steuerpläne der Sozialdemokraten und der Grünen heftig umstritten und sie halten dagegen, dass sich die Mehrheit der Bürger zunächst zwar für Steuererhöhungen aussprach, die konkreten Pläne aber von großen Teilen, d.h. zwei von drei Befragten, abgelehnt werden.
Die Wissenschaftler des DIW errechneten bei Inkrafttreten der Einkommenssteuerpläne der SPD Mehreinnahmen von 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Würde die Steuerreformen der Grünen zum Tragen kommen, könnte die öffentliche Hand sogar auf jährliche 7,5 Milliarden Euro zusätzlich zurückgreifen. Zu bemerken ist darüber hinaus, dass bei der Analyse des DIW lediglich die Steuerreformen in Bezug auf die Einkommenssteuer und die Kapitaleinkünfte mit einbezogen wurden. Zusätzliche Steuerreformpläne beispielsweise die Familienbesteuerung, das Kindergeld oder die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wurden nicht berücksichtigt.

Kommt es tatsächlich zur Einführung derartiger Steuerreformen, bleibt allerdings fraglich, ob wirklich Gelder in Millionenhöhe in die deutschen Staatskassen fließen. Die meisten Experten gehen davon aus, dass Steuerpflichtige, die zukünftig noch mehr zahlen müssen, auf „Ausweichreaktionen“ zurückgreifen, um ihre Steuerlast zu reduzieren. Und hierzu existieren für die Spitzenverdiener bis dato diverse Möglichkeiten. Welches Ausmaß derartige Ausweichreaktionen annehmen könnten, ist schwer zu prognostizieren. Grundsätzlich gehen Wirtschaftsexperten jedoch davon aus, dass die öffentliche Hand zwischen 30 und 50 Prozent weniger Mehreinnahmen erzielen würde.

Die Steuergerechtigkeit der Linken forciert die Staatsverschuldung

Die Steuerreformpläne der Linken muten zwar auf den ersten Blick gerecht an, entbehren letztlich aber jeder Vernunft und würden ein riesiges Loch in die deutsche Staatskasse reißen. Denn die Partei möchte die Steuerlast der Mittelschicht enorm verringern und zusätzlich den Spitzensteuersatz auf 53 Prozent erhöhen. Summa summarum würde ein derartiges Steuerkonzept für den Deutschen Staat zu Mindereinnahmen von circa 16 Milliarden Euro führen. In der Praxis würden darüber hinaus die Ausweichreaktionen der Spitzenverdiener eher gestern als morgen erfolgen, was den Staat dann letztlich bis zu 30 Milliarden Euro kosten würde.

Am Ende warten die Wirtschaftswissenschaftler des DIW jedoch mit einem überraschenden Fazit auf:

Würde man die Steuerpläne der Union mit denen der Sozialdemokraten und der Grünen verbinden, könnten die kleinen und mittleren Verdiener von einer verringerten Steuerprogression profitieren und zugleich könnten durch das Anheben der Spitzensteuersätze und der Abgeltungssteuer für Kapitaleinkünfte Mehreinnahmen für den Staat generiert werden. Eine derartige aufkommensneutrale Steuerreform würde den rasanten Anstieg der Steuersätze bei Gering- und Niedrigverdienern reduzieren und daneben nur die einkommensstärksten fünf Prozent der deutschen Bevölkerung strapazieren.
Da man sich aber wie so oft nicht zum Vorteil aller einigen können wird, ist unsere moderne Gesellschaft nicht nur in Bezug auf den gerechten Staat per se, sondern wohl auch in Bezug auf die Besteuerung seiner Mitglieder meilenweit von antiken Idealvorstellungen entfernt hat. Aus diesem Grund sollten Sie zumindest die Vorteile der Moderne nutzen, die sie auch wirklich nutzen können: Wenn Sie Ihre Steuer 2012 online machen lassen haben, dann erledigen Sie die Steuer für 2013 wieder online oder delegieren Sie derartig unschöne Aufgaben einfach an jemand anderen, wie einen guten Steuerberater.

Eine mögliche Alternative: Der perspektivische Steuerdualismus

In der Tat scheint es so, dass der richtige Blickwinkel für das Empfinden individueller Gerechtigkeit sorgt. Wer sich steuerpolitisch nicht hinten angestellt fühlen möchte, dem bleibt letztlich nur die Möglichkeit, eine perspektivische Gerechtigkeitsposition einzunehmen.

Wie gestaltet sich eine derartige Position aber praktisch?

Ganz einfach: Gehören Sie zu den Reichen, sagen Sie sich einfach: Nicht ich als Reicher zahle mehr, sondern die Armen zahlen etwas weniger. Aber auch wenn Sie zu den Wenigverdienern zählen, hat das leidige Steuerthema eine positive Seite, denn die Reichen zahlen ja noch viel mehr als Sie. Und die ganz Armen, auch die haben eigentlich noch Glück, denn sie kommen – ebenso wie alle anderen Bundesbürger auch – in den Genuss der öffentlichen Güter und können sich über die Rechts- und Friedensordnung, die materielle Infrastruktur, eine gesetzliche Krankenversicherung und das Schulwesen freuen. Damit auch Sie sich in Zukunft steuerpolitisch gerecht behandelt fühlen, hier der wohl entscheidende Tipp: Sie müssen – ganz im Sinne der amerikanischen Philosophin Nancy Fracer – beim Verfahren des perspektivischen Dualismus stets darauf achten, nicht nur den Blickwinkel der Verteilung, sondern auch den der Anerkennung einzunehmen und dies natürlich ohne eine der beiden Kategorien nur im Geringsten zu reduzieren.

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