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Ägyptischer Derwischtanz: Diktatur – Revolution, Diktatur – Revolution!

tahir platz nov 2012Angekündigte Revolutionen finden nicht statt – sagt ein Sprichwort. Manchmal ziehen sie aber auch nur verspätet ins Land. So wie in Ägypten, wo das derzeitige Szenario für den 24. August angekündigt war. Bereits nach dem Blutbad am Sinai kochte die liberale Volksseele, der große Aufstand blieb aber aus. Jetzt, wo Präsident Mohammed Mursi den schleichenden Prozess – sich zum neuen ägyptischen Diktator zu machen –, abgeschlossen hat, ist aber endgültig Schluss mit lustig am Nil. Parteibüros der Muslimbrüder brennen, das liberale Volk und seine politischen Vertreter machen ihren Sorge und Wut auf der Straße Luft und eben dort bejubeln die radikalen Islamisten ihren allmächtigen Präsidenten. Die Situation ist im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich und keinesfalls zu unterschätzen.

Am 26. Mai fragte ich an dieser Stelle „Droht Ägypten ein Bürgerkrieg“ – zugegeben, der Titel war in die Ferne gedacht, und genau die scheint jetzt sehr nah zu sein. Bilder, wie wir sie von der Januar-Revolution kennen, flimmern über die heimischen Bildschirme, und wirklich überraschend sind sie nicht. Sie kommen auch nicht plötzlich, zumal sich der ägyptische Präsident, wie in einem Schachspiel, Zug um Zug, immer mehr Macht zugestand. Ganz in Diktatoren-Manier.

Man mag es ja kaum glauben, aber Mursi hat mehr Macht als Hosni Mubarak je hatte. Also jener Mann, der als der böse Diktator im Januar 2010 nicht zuletzt von den Anhängern der Muslimbrüder aus seinem Amt gejagt wurde. Jetzt hat Ägypten wieder einen „Pharao“, wie sie Mubarak damals nannten und Mursi heute nennen. Einen noch mächtigeren UND einen islamistischen! Die Angst vor einer Theokratie wie im Iran ist eine ebenso große wie berechtigte.

Die liberalen Geister des Landes hat Mursi mit der Demontage der Justiz und des Verfassungsgerichts (nach der Entlassung der obersten Militärriege und des Generalstaatsanwaltes) Schach matt gesetzt und sich selbst allmächtig gemacht. Er alleine hat das letzte Wort in allen politischen Fragen. Freilich nur für die „gute Sache“, die da wäre, das Land von Mubaraks Ex-Mannen zu bereinigen, wobei alleine diese Diktion nachdenklich macht.

Irgendwie riecht das nach blindem Hass auf eine Zeit, in der die Islamisten keinen leichten Stand hatten. Rache ist aber keine gute politische Beraterin, schon gar nicht, wenn man ein Volk zu regieren hat, das einfach nicht mehr unterdrückt werden möchte. Egal, aus welchem Lager – die Ägypter haben genug von der Diktatur, auch, wenn diese angeblich von Gott gewollt und unterstützt ist. Das glauben ohnehin nur mehr die schlichtesten Gemüter, aber die stehen dafür hinter ihrem Präsidenten und sind – so wie jene, die sich der Freiheit verschrieben haben – bereit zu kämpfen. Noch brennen „nur“ Parteibüros der Muslimbrüder, aber genau daraus könnte sich ein Flächenbrand entfachen.

mursi new yorkEs scheint ein frostiger Winter zu werden, im Land am Nil, denn wie Mursi diese Kurve kriegen will, entzieht sich momentan nicht nur meiner Kenntnis, sondern auch meiner Vorstellungskraft, und das scheint kein Einzelschicksal zu sein. Derzeit wagt niemand eine Prognose, wie sich diese „Revolution“ entwickeln wird.

Fest steht, dass sich Mursi nach der erfolgreichen Vermittlung zwischen Israel und Palästina wohl selbst in einem derartigen Aufwind sah, dass er den Zeitpunkt für gut befand, seine Dame für den finalen Zug anzusetzen. Wie heißt es so schön, um noch ein Sprichwort zu bemühen: Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis tanzen. Nun mag man Mohammed Mursi zugute halten, dass er als Ägypter mit Eis nicht allzu viel Erfahrung haben muss, aber dieser Tanz kann nicht ohne Bauchfleck enden. Bleibt nur zu hoffen, dass der tanzlaunige Esel nicht allzu viele seiner Landsleute mitreißt, wenn er fällt.

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