Freitag , 19 April 2024
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Steinbrücks Problem

peer steinbrueck 2Das hatte sich der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sicherlich anders vorgestellt: Nach seiner mit Pauken und Trompeten und wenig innerparteilicher Demokratie verbundenen Inthronisierung als SPD-Kandidat für den Bezug der Berliner Waschmaschine dauerte es nicht lang, ehe ihn seine Vergangenheit als „einfacher Abgeordneter“ des Deutschen Bundestages einholte. Dass die millionenschweren Nebeneinkünfte Steinbrücks bis zum Wahltag im Herbst 2013 vom Volk vergessen sein dürften, ist zwar ein Trost, dennoch lauern auf den sehr gut vernetzten Steinbrück viele Fallstricke und ein Problem, das er nur schwerlich wird lösen können.

Heuchlerisch, unfair und doppelmoralistisch, so seien die Anfeindungen gegen den einstigen NRW-Ministerpräsidenten, hört man aus dem Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD in Berlin. Und angesichts der vielen vielen Abgeordneten des Bundestages, die zwar jeweils weniger, aber durchaus auch gutes Geld mit Vorträgen verdient haben, ist diese Reaktion der bundesdeutschen Sozialdemokratie verständlich. Gleichwohl kann das eigene Fehlverhalten nicht dadurch weniger schlimm sein, dass Unions- und FDP-Politiker dieses ebenfalls an den Tag legten und legen. Noch dazu gehört es zum Selbstverständnis einer ehemaligen Volkspartei, die SPD hat diesen Nimbus bereits vor einigen Jahren ad acta gelegt, dass an den eigenen Kandidaten für den Posten des deutschen Regierungschefs andere Maßstäbe angelegt werden als an einen Generalsekretär der Freidemokraten oder einem einstigen CSU-Wirtschaftsminister.

Und dennoch wird Steinbrück die Debatte um seine Nebeneinkünfte politisch überstehen, wenn auch mit einigen Kratzern im sozialen Lack. Immerhin ist noch viel Zeit bis zur Wahl, das Wahlvolk vergesslich und überdies an finanzielle Eskapaden seiner Vertreter gewöhnt. Wer hätte beispielsweise schon gedacht, dass ein Wolfgang Schäuble (CDU) nach der Geschichte mit dem Geldkoffer Bundesfinanzminister wird? Nein, Steinbrücks Problem ist nicht sein vermeintlich prallgefülltes Konto, auch nicht sein vergleichsweise hohes Alter oder seine Teilnahme an gleichermaßen sagenumwobenen wie intransparenten Konferenzen mächtiger Menschen aus Politik, Wirtschaft, Militär, Adel und Journalismus. Das Problem von Bilderberg-Peer ist eines, welches viele Kanzlerkandidaten der SPD haben: Er ist in der falschen Partei.

Dies verbindet ihn mit einem Helmut Schmidt oder einem Gerhard Schröder. Steinbrück wird auf dem Weg der versuchten Ablösung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schmerzlich daran erinnert werden, wie altbacken die SPD-Basis doch sein kann, wenn es um den sozialen Frieden, um gesellschaftlichen Ausgleich und um die Gerechtigkeit in der Bundesrepublik geht. Seine warmen Worte, an die sich das linke Herz offenbar anschmiegen soll, werden ihm von der eigenen Partei nicht abgenommen, wieso sollte sich also der Souverän von ihnen blenden lassen? Im Unterschied zu dem greisen Welterklärer und dem Vertrauten des „lupenreinen Demokraten“ Wladimir Putin, die beide über ein gewisses Charisma verfügten, muss sich Steinbrück mit harschen Verbalrundumschlägen und einem Haifischgrinsen begnügen. Ein Wahlkämpfer wie Schröder ist er nicht, das hat sein bisher einziger und schlechterdings verkorkster Auftritt als Spitzenkandidat der SPD, damals wohlgemerkt auf Nordrhein-Westfalen begrenzt, gezeigt.

Erschwerend kommt für Steinbrück hinzu, dass auch in der muffig anmutenden Sozialdemokratie frischer Wind Einzug zu halten scheint. Das Auskungeln zwischen SPD-Chef Sigmar Gabriel, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und dem früheren Bundesfinanzminister Steinbrück wurde zu Recht von vielen inner- und außerhalb der SPD kritisiert. Es scheint wie aus unserer Zeit gefallen, dass drei ältere Herren allein über eine für ihre Partei derart wichtige Personalentscheidung richten. In diesem Zusammenhang zwängt sich der Blick zu den Grünen auf, die bei ihrer Urwahl Katrin Göring-Eckardt als Quotenfrau und den ebenso wie Steinbrück gut vernetzten Jürgen Trittin zu ihren Spitzenkandidaten kürten. Die Stärke der Grünen ist gleichsam die einzige Möglichkeit für Steinbrück, auf seinen alten Tagen doch noch Kanzler Deutschlands werden zu können. Seine Partei wird es jedenfalls kaum schaffen, der Merkel-CDU entscheidende Stimmen abzujagen, der Bionaden-Bourgeoisie traut man hingegen eher zu, dass sie ihre gutbürgerlichen Eltern davon überzeugt, Merkel abzuwählen. Überhaupt scheint es ratsam, dass Steinbrück sich als geringeres Übel präsentiert, denn nur mit der Bezugsgröße Merkel hat er die Möglichkeit, sich selbst in ein attraktiveres Licht zu rücken.

Dass seine Partei mit ihm fremdelt, muss Steinbrück wissen. Und dennoch darf er sich ihr nicht anbiedern, immerhin will er – ganz der alte Polit-Haudegen – „klare Kante“ zeigen und in anderen Wahlgewässern auf Stimmenfang gehen als in den linken. Er kann sich dabei auf willfährige grüne Erfüllungsgehilfen verlassen, die nach 2005 endlich wieder an einer Regierung beteiligt sein und an die Fleischtöpfe der Bundespolitik gelangen wollen. Zudem nimmt man den Grünen ab, durch und durch links zu sein, was auch immer das in einer Zeit bedeutet, die alles sein mag, aber wahrlich nicht in plumpe Links-Rechts-Schema unterteilt werden kann.

Die Flügelkämpfe innerhalb der SPD drohen sich währenddessen am Streit um das Altersgeld zu entzünden. Steinbrück will nicht von der Rente mit 67 abrücken. Das leuchtet ein, immerhin kämpft der heute 65-Jährige um eine vierjährige Amtszeit, die er im Falle des Wahlsieges mit 66 ¾ antreten würde. Die SPD-Linke will angesichts fehlender Betätigungsfelder für die älteren Arbeitnehmer hingegen ein Renten-Moratorium und diese drängende gesellschaftspolitische Frage damit der künftigen Generation überlassen. Es ist unter anderem anhand dieses Beispiels leicht zu erkennen, dass die gespenstisch anmutende Ruhe innerhalb der CDU auch Vorteile hat, insbesondere für die Spitzen der Christdemokraten und zuvorderst natürlich für die Kanzlerin. Derart devot wie die CDU wird sich die SPD aller Voraussicht nach nicht verhalten, dafür war die Inthronisierung Steinbrücks einfach zu feudalistisch. Ob die Sozialdemokraten mit ihrer Streit- und Rauflust allerdings Rot-Grün die Regierungsübernahme wirklich verhageln werden, ist allerdings ungewiss. Sie haben in der Vergangenheit aber gezeigt, dass sie über jenes Potential verfügen und insofern muss Steinbrück mit diesem für ihn unlösbaren Problem der Aufstellung für die falsche Partei leben.

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