Freitag , 19 April 2024
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Korruption, Skandale, Italien und andere dringende Prioritäten

italien fruehstueckDie gängige Europapolitik, die Wirtschaftskrise mit Sparmaßnahmen allein zu lösen, ist schlicht falsch. Werden doch naheliegende Fragen wie Korruption und Missmanagement öffentlicher Gelder nicht angegangen. Sind also wirtschaftliche Strenge und Sparmaßnahmen der einzige Schlüssel zur Lösung kritischer Situationen in Ländern wie Italien, Griechenland oder Spanien? Oder sollten die Euro-Eliten in schwächeren EU-Staaten eine tiefere Umstrukturierung der politischen Strukturen und sozialer Praktiken erzwingen?

Es mag in der Tat Hinweise darauf geben, dass Wirtschaftspläne allein nicht ausreichend sind, um lang anhaltendes Wachstum zu generieren, solange nicht auch andere Themen in ähnlicher Weise mit angegangen werden. Andere Aspekte des nationalen Lebens sollten auch geprüft werden. Italien spielt dabei wieder einem eine Schlüsselrolle bei dieser europäischen „Saga“. Dass die letzte Welle politischer Skandale aufgedeckt wurde, war einzig Silvio Berlusconis Bündnispartner, der Liga Nord zu verdanken. Eine Partei, die bis dahin durch Korruption und Missbrauch öffentlicher Gelder unberührt war. Am Ende erwies sich auch diese Partei als nicht ganz so “immun” wie vermutet.

Öffentliches Geld in der Tasche und wie man das als Politiker “legal” transferiert. Wahlkampferstattungen vom italienischen Staat an die Parteien wurden bereits zu “anderen” finanziellen Investitionen zweckentfremdet. Wahrlich, die Parteien sollten vom Staat keine Zuwendungen erhalten. Politiker haben so Wege gefunden, sich (legal) Geld zu beschaffen und sich persönlich zu bereichern. Offensichtlich gibt es inzwischen Beweise dafür, dass dies in der Regel über die staatliche Finanzierung der Parteien geschehen ist. Warum liegen die geleisteten Wahlkampferstattungen weit über den tatsächlichen Kosten der Parteien?

Um ihren verlorenen Stolz wieder zu erlangen, entschied sich die Führung in einer dramatischen und etwas grotesken Versammlung der Liga Nord den Schatzmeister und den stellvertretenden Präsidenten der Obersten Kammer des italienischen Parlaments zu entlassen. Auch anderen führenden Politikern gegenüber wurden zeitgleich Skandale um Korruption zum Vorwurf gemacht.

Dies alles geschah während der IWF davor warnte, dass Italien und Spanien in eine tiefere Rezession fallen könnten. Auf der einen Seite wird der gewöhnliche Bürger negativ damit beauftragt, respektive gezwungen, die Krise zu bewältigen, in dem er Kürzungen bei Renten, Arbeitslosigkeit und so weiter hinnehmen muss. Auf der anderen Seite kassieren die politischen Parteien Millionen von Euros.

Könnte dieses Geld nicht sinnvollerweise an den Steuerzahler zurückgegeben werden? Hat die riesige Verschwendung von öffentlichen Mitteln direkten Einfluss auf die aktuelle Staatsverschuldung? Unklar ist die Position der europäischen Eliten oder der Europäischen Zentralbank zu diesem Thema. Darüber hinaus scheint die italienische Regierung keinen realistischen Plan zur Reduzierung der Gesamtkosten des Parteiensystems (der berühmten Costi della politica) zu haben. Dies generiert riskante antipolitische Ressentiments unter den von der Wirtschaftskrise betroffenen Menschen und Unternehmen.

Zusammen mit dem Drama, was diese jüngsten Ereignisse in dem (bereits unruhigen) politischen System verursacht haben, und zwei Jahrzehnte nach der berühmten Schmiergeld-Untersuchung (über Korruption, Schmiergelder und Politik), welches die italienische Politik pulverisierte und ein Vakuum für den Aufstieg des politischen Abenteuers Berlusconis schuf, ist der neueste Skandal nur wie ein Fingerzeig über politische Korruption und deren Kosten an die Regierung von Mario Monti.

Trotz der Tatsache, dass die Finanzmärkte und die internationale Politik sich nur auf Italiens Notwendigkeit weiterer finanzieller Reformen und Arbeitsmarktregelungen zu konzentrieren scheint, sollte man sich fragen, wie es denn möglich ist wirtschaftliches Wachstum zu fördern, wenn die Rolle und der Einfluss der politischen Parteien im wirtschaftlichen Leben des Landes so weit verbreitet sind. Es wurde bereits mehrfach davor gewarnt, dass nationale Krisen nie eine einzelne Ursache haben. Viele haben zum Beispiel ernsthaft daran geglaubt, dass sich Italien völlig verändert, wenn Berlusconi erst einmal weg ist.

Während Medien-Magnate die Bedingungen eines kranken Landes noch weiter verschlimmern, haben die meisten Probleme eine lange Geschichte. Italienische Zeitungen sind in der Tat voll mit Geschichten von Managern ohne Know-how, gefälschte Bewerbungsunterlagen von Universitätsprofessoren oder staatlichen Bediensteten, versenkte Tonnen von Geld in sinnlosen öffentlich-geförderten Projekten und aktuellen Untersuchungen der Verbindungen zwischen Lokalpolitikern und der Korruption im staatlichen Gesundheitsdienst.

Es gibt leider und in vielerlei Hinsicht, eine Art „soziale Akzeptanz“ für die Korruption und dem privilegierten Status eines Politikers. Doch all dies scheint immer noch übersehen und nicht ernst genommen zu werden. Dabei ist es doch zweifellos einer der Gründe des Rückzuges ausländischer Investoren in vielen Teilen Italiens. Darüber hinaus ist die hohe soziale Ungleichheit, die katastrophalen Zustände an den Universitäten, die erstickende Präsenz des organisierten Verbrechens in südlichen Regionen und ihre „Investitionen“ in legales Geschäft in Nord-Italien und die immer größer werdende wirtschaftliche Kluft zwischen verschiedenen Landesteilen in den Köpfen ausländischer Investoren genau so präsent, wie die Bedingungen der Arbeitsmärkte. Warum fehlen diese Fragen in der politischen Agenda? Warum setzen die Euro-Eliten und Märkte Italien nicht unter Druck, sich endlich konkret dieser Problematik zu stellen?

Nach diversen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben und dem Anstieg der Steuerlast, gibt es jetzt in der Bevölkerung eine breite Front der italienischen öffentlichen Meinung, sich konkret mit den zuvor genannten Fragen kritisch auseinanderzusetzen und gezielt gegen Korruption und Machtpolitik vorzugehen.

Mit Reformen in diesem Bereich kann derzeit ein sehr hohes Maß an Popularität erreicht werden. Es könnte auch anderen Ländern zeigen, dass Italiens Eliten sehr wohl in der Lage sind, Reformen zum Wohl des Landes umzusetzen. Die Geduld der italienischen Öffentlichkeit hat ihre Grenze erreicht und es ist bereits eine beunruhigende Zunahme verschiedener Formen von Politikverdrossenheit festzustellen, die in eine Welle von sozialen Unruhen und Gewalt enden können.

Es ist offensichtlich, dass die meisten dieser kritischen Fragen von den derzeit Regierenden zu lösen sind. Und dies ist in der Tat dieselbe politische Kaste, die sich seit vielen Jahren als inkompetent in dieser speziellen Form der Problemlösung erwiesen hat.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt bei der Erstellung einer neuen Agenda für wirklich effiziente Reformen mit den richtigen Prioritäten. Nach den notwendigen Interventionen, um eine Krise im griechischen Stil zu vermeiden, wird ein weiterer Schritt notwendig – Innovation, Meritokratie und Anti-Korruptions-Politik. Das bisherige Fehlen dieser “Korrektur” ist einer der Kern-Ursachen für die sehr große öffentliche Verschuldung des italienischen Staates.

Es handelt sich hier aber keineswegs nur um ein rein italienisches Problem. Diese gegen den Menschen und ausschließlich dem Kapital verpflichtenden Strukturen können immer mehr und immer öfter im gesamten EU-Raum beobachtet werden. Solange die führende Politikerelite dem Kapitaltraum vom ewigen Wachstum erlegen ist, wird sich an diesem Umstand auch nichts ändern.

Quelle: Angelehnt an einen Artikel von ALJAZEERA

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