Donnerstag , 25 April 2024
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Der Kapitalismus hyperventiliert

money keyboardSauerstoff ist eine der entscheidenden Voraussetzungen menschlichen Lebens. Ohne ihn ist unsere Existenz nicht möglich. Und trotzdem kann es des Guten auch zu viel geben, wie der Volksmund es so treffend benennt. Bei der Hyperventilation führt die Zufuhr von Sauerstoff nicht zu einer Leistungssteigerung nach dem Motto: Mehr bringt mehr. Vielmehr droht der Kollaps. Ähnlich ist es derzeit auch mit der kapitalistischen Wirtschaft. Trotz der hohen Gaben an Geld, dem Sauerstoff des Wirtschaftsprozesses, steigt die Leistungskraft nicht in dem Maße, wie Geld hineingepumpt wird. Im Gegenteil, eine neue Krise kündigt sich bereits an. Ob es zu einem Schwächeanfall kommen wird und welche Ausmaße dieser haben wird, kann jetzt noch nicht gesehen werden.

Trotz des Öffnens der Geldschleusen hat die Wirtschaft weltweit nicht mehr so recht auf den Wachstumspfad zurückgefunden. Billionen waren weltweit in Konjunkturprogramme, Kurzarbeitergeld und Abwrackprämien gesteckt worden, in früheren Zeiten und nach Keynes’schem Dafürhalten ein Garant für einen neuen Wachstumsschub der Weltwirtschaft. Wären da nicht Staaten wie China und Vietnam, also kommunistisch geführte Länder, es sähe um den Kapitalismus verdammt schlecht aus. Allein sie wie auch andere Emerging-Markets, darunter das vielgescholtene Russland, halten durch ihr Wirtschaftswachstum die Lokomotive der Weltwirtschaft noch unter Dampf. Die weltweite, d.h. auf alle wichtigen Industrienationen verteilte, wirtschaftliche Belebung dümpelt dahin. Am meisten hatte Deutschland von der Krise profitiert, das offensichtlich auf Kosten seiner Konkurrenten auf den Weltmärkten Vorteile hatte erringen können.

Aber die Krisen, die über Länder wie Italien, Griechenland, Spanien und andere hereinbrechen, sind nicht ohne Auswirkungen auf den Export der deutschen Industrie und damit die deutsche Wirtschaftsleistung. Die Sparprogramme, die diesen Ländern verordnet worden waren oder die sich vorauseilend selbst verordnet hatten, greifen auch die deutsche Wirtschaft an. In einer globalisierten Welt bleiben die Maßnahmen des einen nicht ohne Auswirkungen auf den anderen. Die Regierungen der meisten kapitalistischen Staaten stecken in einer Zwickmühle, aus der es kein Entrinnen gibt. Entweder sie schränken die Ausgaben ein auf Kosten der eigenen Bevölkerung, damit sie an den Finanzmärkten wieder Geld zu günstigen Konditionen bekommen und den Staatsbetrieb aufrecht halten können, oder sie weiten die Verschuldung aus in der Hoffnung, damit die eigene Wirtschaft auf ein international konkurrenzfähiges Niveau zu bringen. Beides aber führt nicht zur Lösung der Probleme. Die Ausdehnung der Schulden brachte die Verschuldung der Staaten auf dem derzeitigen Niveau. Die Einschränkung der Ausgaben führt zum Rückgang der Wirtschaftstätigkeit.

Nachdem die Diskussion besonders um den griechischen Patienten unsäglich viel Unsinn und mangelnden ökonomischen Sachverstand zutage gefördert hatte, beginnt man allmählich zu erkennen, dass die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der griechischen Wirtschaft das Kernproblem ist, das einem Abbau der griechischen Staatsschuld im Wege steht. Aber das gilt in ähnlichem Maße für viele andere Staaten auch, sodass es sich hierbei um nicht ein spezifisch griechisches Problem, sondern um ein globales handelt. Nur bei Griechenland ist dieses Geschwür nun zuerst aufgebrochen. Die anderen Patienten sind deshalb noch lange nicht über den Berg.

Der neueste Schrei wissenschaftlicher Erkenntnis besonders der Wirtschaftsliberalen besteht darin, Griechenland nicht kaputtsparen zu dürfen, was noch teurer käme, sondern neben dem Sparen auch die Konkurrenzfähigkeit erhöhen zu müssen. Der liebe Gott hat wohl ein Einsehen gehabt und Hirn regnen lassen. Eine international schwache Wirtschaft kann nicht gestärkt werden, indem man ihr den einzigen Trumpf aus der Hand schlägt, die Kaufkraft des nationalen Marktes. Nun wird also das Heil gesehen in der Förderung der Konkurrenzfähigkeit. Griechenland und andere sollen auf Weltmarkt getrimmt werden. Wenn aber die griechische Wirtschaft und nicht nur diese bisher nicht in der Lage war, auf den Heimatmärkten konkurrenzfähig zu sein gegenüber den Globalplayern, wie soll das unter den verschärften Bedingungen des Weltmarktes gelingen, also gerade auf dem Markt, der ohnehin schon so übersättigt ist, dass er den Warenüberschuss der Industrienationen nicht mehr aufnehmen kann?

Hier liegt aber der Hund begraben, die Ursache des ganzen wirtschaftlichen Dilemmas und das Unverständnis vieler sogenannter Wirtschaftswissenschaftler. Der Weltmarkt ist übersättigt und kann die Waren aus der Überproduktion der globalen Industrie nicht mehr aufnehmen. Nicht dass auf der Welt kein Bedarf bestünde. Armut und Hunger gibt es genug. Nur stellen Armut und Hunger im kapitalistischen Sinne keinen Markt dar. Markt ist nur, wo die Waren auch bezahlt werden können. Und dieser Markt wächst nicht mehr, schrumpft sogar aufgrund der allseits verordneten Sparmaßnahmen der Staaten, der Massenentlassungen der Unternehmen und der sinkenden Realeinkommen immer größerer Teile der Bevölkerungen. Und all die wirtschaftliche Hyperventilation der Geldinfusionen in den dahinsiechenden Weltmarkt steigern, wenn überhaupt, nur die Investitionstätigkeit, aber nicht die Aufnahmefähigkeit der Märkte in dem Maße, das nötig wäre, um den überhöhten Produktionsausstoß aufnehmen zu können. Die Investitionen in den Produktionsapparat verschärfen das Problem. Ziel ist es, die Herstellungskosten zu senken. Das geht nur über den Abbau von Personalkosten oder über die Investition in Produktionsanlagen, die den Ausstoß an Produkten erhöhen, um damit die Stückkosten zu senken. Das bedeutet aber, dass noch mehr Produktion auf Märkte trifft, die nicht mehr aufnahmefähig sind. Zwar ist es möglich durch die niedrigeren Produktionskosten auch die Warenpreise zu senken, was das Überleben des betreffenden Unternehmens sichert, die Konkurrenten aber in Bedrängnis bringt und sie zu ähnlichen Investitionen zwingt, bis einer im Konkurrenzkampf nicht mehr mithalten kann. Denn die Aufnahmefähigkeit der Märkte wächst nicht in dem Maße wie der Ausstoß der Produktionskapazitäten. Die Rationalisierung der Produktion und das Ausscheiden einzelner Unternehmen aus dem Marktgeschehen üben Druck aus auf die Löhne und Beschäftigungszahlen. Der Markt schrumpft weiter, während die Leistungsfähigkeit der Produktionsanlagen immer weiter zunimmt. Der Kapitalismus erstickt an seinem Reichtum und produziert Armut zugleich. Und alle Maßnahmen der Politik verschärfen dieses Problem. Einzig die Erschließung neuer Märkte könnte da Abhilfe schaffen.

Dieses Bestreben, die Schaffung neuer Märkte, ist als Hintergrund zu sehen für den Druck, den besonders die führenden kapitalistischen Nationen in der letzten Zeit auf Länder wie Iran, Libyen und Syrien ausüben. Aber auch die fadenscheinigen Menschenrechtskampagnen gegen Russland und China sind vor diesem Hintergrund zu sehen. Frau Merkel hat es bei ihrem Besuch in China zum Ausdruck gebracht. Sie wünscht dieselben Zugangsbedingungen zum chinesischen Markt für deutsche Unternehmen wie chinesische.

Und in Syrien und Iran wünscht man sich dieselben, vom Westen abhängigen Regierungen wie in Libyen und Irak. Es geht nicht um das Öl dieser Länder, das hatte man ja ohnehin schon. Es geht um den freien Zugang zu den Märkten dieser reichen Länder mit ihrem großen Volumen für den Absatz europäischer und amerikanischer Waren, Investitionsgüter und Investitionsmöglichkeiten von Kapital zum Aufbau der dortigen Wirtschaft. Aber nicht nur das. Diese Länder waren bisher weitgehend frei von Schulden. Welches Potential besteht dort noch für zusätzliche Geschäfte, wenn diese Staaten erst einmal einen ähnlichen Schuldenstand erreicht haben wie Deutschland oder die USA. Bei Libyen und Irak sind dazu die ersten Schritte gemacht. Die ehemals schuldenfreien Staaten haben nun die Kosten von Kriegen zu tragen, die ihnen die Nato aufgehalst hat. Und die Regierungen dieser Staaten werden von den Befreiern aus dem Westen an der langen Leine geführt. Als Pfand dienen die eingefrorenen Konten und Guthaben der Vorgängerregierungen. Welche hervorragenden Aussichten bestehen da erst bei Staaten wie China und Russland, wenn es gelänge zum Beispiel den Tibetkonflikt für die eigenen Interessen auszuschlachten. Aber hier geht es dem Westen, ganz selbstlos, ja nur um Menschenrechte, so wie auch bei der Unterstützung der Kritiker Putins. Auch der Kriegseinsatz in Afghanistan galt nur den Menschenrechten der unterdrückten Frauen. Keinesfalls ging es um einen kurzen und von Russland und Iran unabhängigen Transportweg für das Öl und Gas aus den ehemaligen südlichen Sowjetrepubliken über Afghanistan und Pakistan zum arabischen Meer an die Märkte der Welt. Wer dabei dem Westen unehrenhaftes Geschäftsdenken unterstellt statt dem Eintreten für hehre Ziele, sollte sich schämen.

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