Donnerstag , 18 April 2024
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Papstbesuch: Zwischen Respekt und Intoleranz

papst_benedikt_XVIEinige internationale Zeitungen erinnern an die Begeisterung, vor sechs Jahren. „Wir sind Papst!“, war damals in den Schlagzeilen zu lesen. Während dem Oberhaupt der Katholischen Kirche und des Vatikanstaates von offizieller Seite ein gebührender Empfang bereitet wurde, stand Berlin gleichzeitig aber auch unter dem Zeichen von Protesten. Abgeordnete blieben dem Parlament fern. Demonstranten versammelten sich auf öffentlichen Plätzen. Während im Zeitalter des Multikulturalismus jegliche Kritik an anderen Religionen als „politisch unkorrekt“ eingestuft wird, erfreuen sich Papstkritiker breiter Unterstützung.

Lassen sich in einer Institution, die seit fast zwei Jahrtausenden existiert, Fehler finden? Mit Sicherheit. Und, ohne diese hier aufrollen zu wollen, im Falle der Katholischen Kirche sogar einige schwerwiegende. Insbesondere das Vermengen religiöser Ideale mit politischen Interessen brachte Entwicklungen mit sich, die heute nur schwerlich zu verstehen, und noch weniger zu akzeptieren, sind.

Auch wenn der Vatikanstaat über ansehnliche weltliche Vermögen verfügt, sein politischer Einfluss hält sich durchaus in Grenzen. Zweifellos stehen Bemühungen im Vordergrund, die fundamentalen Wurzeln der christlichen Lehre zu erhalten. Während der Papst bei seiner Ankunft Journalisten gegenüber Verständnis für die Proteste gegen seinen Besuch äußerte, sie als Ausdruck einer demokratischen Gesinnung erklärte, kann es der Erhaltung eines Glaubenskonzeptes mit Sicherheit nicht dienlich sein, dieses nach den Vorstellungen einer Mehrheit abzuändern. Das soll keineswegs bedeuten, dass die katholische Lehre das Recht der Unfehlbarkeit für sich in Anspruch nehmen darf. Trotzdem, beim scheinbaren Mangel an Flexibilität handelt es sich um eine Strategie der Selbsterhaltung. Auch weltliche Politiker haben sich des öfteren ein Beispiel daran genommen. Erscheint ein fast zweitausendjähriges Bestehen doch durchaus als Erfolgsrezept.

In einer Zeit, in der die Denkweise der Massen innerhalb weniger Jahrzehnte derart gravierenden Veränderungen unterzogen wurde, stößt die Beibehaltung einer althergebrachten Strategie mit Sicherheit auf wenig Verständnis. Der politische Gedanke, der hinter dem Festhalten an scheinbar überholten Grundsätzen steckt, lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Jede Ideologie, der eine größere Zahl von Anhängern folgt, zeichnet sich sowohl durch oberflächliche als auch durch tiefgründige Elemente aus. Wie in jedem Lebensbereich, bedarf es weitreichender Studien, das entsprechende Verständnis für die Kernelemente zu finden. Dementsprechend orientiert sich die Mehrzahl der Anhänger nach den äußeren Kriterien.

Zeichnet sich die betroffene Institution durch Flexibilität aus, lässt sie Veränderungen zu, um die oberflächlich informierten Massen zu befriedigen, läuft sie Gefahr, die eigene Struktur zu schwächen. Wird den Forderungen in einem Punkt nachgegeben, vielleicht sogar, weil es sich um eine wirklich wünschenswerte Veränderung handelt, so würde dies im Laufe der Zeit eine Lawine von Reformen nach sich ziehen und letztendlich würde die Basisstruktur diesen Veränderungen zum Opfer fallen. Gerade der Umstand, dass sich die Katholische Kirche seit ihrer Gründung gegen die Anpassung an Zeiterscheinungen erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte, erklärt ihr fast zweitausendjähriges Bestehen.

Zweifellos gibt es eine ansehnliche Zahl von Menschen, die überzeugt sind, dass wir in der modernen Zeit auf jegliche kirchliche Organisation verzichten können. Es ist ihr gutes Recht, diese Meinung zu vertreten. Allerdings, wenn dem Gegner einer bestimmten Ideologie das Recht zusteht, sich seine eigene unabhängige Meinung zu bilden und diese auch zu äußern, warum sollte dem Verfechter besagter Ideologie dieses Recht verwehrt werden? Wenn sich das Oberhaupt der Katholischen Kirche gegen Promiskuität und der Natur widerstrebende Sexualpraktiken ausspricht, warum sollten diese konservativen Anschauungen nicht den gleichen Respekt verdienen wie das Streben nach einer bedingungslosen Erneuerung unserer Zivilisation?

Über moralische Grundsätze zu diskutieren ist ein endloses Unterfangen. Eine Harmonisierung der unterschiedlichen Ansichten ist mit absoluter Sicherheit auszuschließen. Allerdings, in keiner gesunden Gesellschaft kann der Einzelne dazu gezwungen werden, die Ansichten Anderer zu teilen. Steht es einerseits jedem Menschen zu, sein eigenes Denken, auch wenn es sich um seinen intimsten Lebensbereich handelt, öffentlich zu äußern, warum führen gegenteilige Erklärungen zu Protesten? Ist es nicht gerade die Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, die wir verurteilen? Warum soll es religiösen Institutionen nicht zustehen, moralische Empfehlungen auszusprechen?

Papst Benedikt XVI tritt sowohl als Oberhaupt des Vatikanstaates als auch als Repräsentant einer kirchlichen Vereinigung auf. Bei den Ansichten, die er vertritt, handelt es sich in erster Linie um die Konzepte seiner Kirche. Jedem Menschen steht es frei, seinen Aufrufen Gehör zu schenken oder auch nicht. Was jedoch von wirklich jedem Menschen verlangt werden kann, ist der Ausdruck von Respekt.

Welchen Eindruck würden Protestkundgebungen gegen die Lehren des Islams auf deutschem Boden vermitteln? Wie würde die Öffentlichkeit reagieren, würde ein Besuch des Oberrabbiners von Jerusalem Demonstrationen mit sich bringen? Gehört es nicht zur „politischen Korrektheit“, religiösen Konzepten und den Vertretern kirchlicher Organisationen gebührenden Respekt entgegen zu bringen? Warum ist das Oberhaupt der Katholischen Kirche davon ausgenommen?

Die Regierungsspitze hat ihre Aufgabe erfüllt. Einige Abgeordnete und eine Menge von Aktivisten geben jedoch Zeugnis von Intoleranz. Wer auf sein Recht besteht, seine eigene Meinung kundzutun, sollte nicht vergessen, dieses Recht auch anderen Menschen zuzugestehen. Der bekannte Systemkritiker Noam Chomsky formulierte es folgendermaßen:

„Wenn wir nicht an die freie Meinungsäußerung der Menschen glauben, die wir verachten, dann glauben wir überhaupt nicht daran.“

Und vielleicht wäre es auch ratsam darüber nachzudenken, wie die Weltöffentlichkeit es betrachten könnte, wenn ein Kulturvolk gegen den Besuch eines Papstes demonstriert, der noch dazu aus den eigenen Reihen stammt, wenn gleichzeitig Minderheiten aus den verschiedensten Bereichen mit vorbildlicher Offenheit willkommen geheißen werden.

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