Donnerstag , 28 März 2024
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Vom Wissen zur Weisheit – Teil II

blatt wassertropfenWer den Weg vom Wissen zur Weisheit vollziehen, wer das neue Denken mitgestalten will, wird nicht umhinkommen, sich noch „individueller“ mit sich selbst zu beschäftigten: ehrlicher, tiefer und konsequenter wie je zuvor. Die folgenden Ausführungen zeigen, welcher Spur zu folgen ist. – Einfühlung als Weg zur integrierten Erkenntnis.

(Vom Wissen zur Weisheit – Teil I)

Von der Neugier zur Neufreude. Die Einfühlung ist der vielleicht einfachste Zugang für „Findungen“. Einfühlung lässt sich bestimmen als ein vorbehaltloses Verstehen und liebevolle Hingabe. Es umfasst die äußeren, inneren und höheren Sinne, also auch jegliche Form von „Hellsinnigkeit“. Das Wort Einfühlung hat sich sprachlich als Überbegriff eingebürgert. Bei der Einfühlung geht die Aufmerksamkeit immer stärker und tiefer in den zu verstehenden Gegenstand über. Es ist der Gegenstand selbst der „zieht“ und einen Sog ausübt. Und da geht es mit der Begrifflichkeit los. Die Sprache spricht hier undifferenziert von Neugier. Neugier erscheint positiv, doch in Wahrheit wird etwas Positives mit etwas Negativem verknüpft. Die Neugier, als das gierige, suchtartige Verlangen nach Neuem, sollte klar unterschieden werden von der wertschätzenden Freude am Neuen. Der passende Begriff ist Neufreude. Während sich bei der Neugier die Kraft zerstreut, wird sie bei der Neufreude intensiviert. Lebt nicht die Wirtschaft von der oberflächlichen Sucht nach Neuem, nach wechselnden Trends, nach neuen Stylings, die die Kauflust anregen sollen? Ist es nicht das Wesen dieser Gier, das sie einen unbefriedigt zurück lässt und zwanghaft zum Neuen fortzieht? Kultiviert nicht die Medienwelt diese Neugierhaltung und lebt gar von ihr (siehe dazu auch: Lebendiges versus totes Wissen)?

Von der Einfühlung zur Einswerdung. Bei der Einfühlung geht es um das Verweilen und das spiralförmige Annähern an den zu erkennenden Gegenstand. Die Fähigkeit dazu wird in der Kindheit erworben. Kinder setzen sie spielerisch ein, indem sie Belebtes und Unbelebtes nachspielen. Z.B erfassen sie einen Stein durch regungsloses Verharren. Es geht aber um weit mehr als um äußerliches, gestisches Nachahmen. Begleitet man Kinder „einfühlend“ auf ihren Entdeckungsreisen, so gewinnt man den Eindruck, dass sie ihr inneres Wesen zum Gegenstand bringen und mit ihm verschmelzen. In dieser Einswerdung gibt der Gegenstand sein inneres Wissen, sein Geheimnis, preis. Das Kind kann dieses Wissen zwar „nur“ in symbolischer, d.h. hoch verdichteter Form aufnehmen. Zugleich liegt es bereit, dekomprimiert und entschlüsselt zu werden. Das ist die Wahl, die wir haben: Entweder der Liebe zu den Dingen zu folgen, oder aber sich ihrer gewaltsam zu bemächtigen. Der Erwachsene, der von diesem symbolischen Wissen und Zugang getrennt ist, ist darauf angewiesen, den Dingen ihr Geheimnis zu entreißen. Damit tut er aber nicht nur den Dingen, sondern sich selbst Gewalt an. Vergessen ist die Tiefenverbundenheit, mit der alle Menschen ihr Leben beginnen. Das Wesen der Tiefenverbundenheit ist dem Kind vertraut, da es sich als Säugling als Einheit mit der Mutter erlebt hat. Außerdem ist das kindliche Ich noch sehr elastisch und wandlungsfähig. Für Kinder und Naturvölker gibt es keine unbelebte Natur, und wie es scheint behalten geniale Personen diese Erfahrung bei und verbinden sie mit der rationalen Betrachtungsweise. Würden wir über die Vorstellung, einem Elektron eine gewisse Intelligenz zuzusprechen, nicht mildtätig lächeln, wenn die Aussage nicht von dem Nobelpreisträger, in diesem Fall von Gerd Binnig stammen würde?

Beispiele. Der bereits erwähnte Viktor Schauberger schildert anschaulich, wie er auf dem Weg der Einfühlung zu seinen Erkenntnissen über das Wasser kam. Indem er sein Bewusstsein dem Wasser überlies, wurde er zu Wasser. So konnte er dessen geheime Kräfte lüften und die erstaunlichen Zusammenhänge entschlüsseln. Auch bei der Vorstellung von Einstein, auf einem Lichtstrahl reitend durch Zeit und Raum zu sausen, scheint die Einfühlung ins Wesen des Lichtes bzw. der Photonen mit im Spiel gewesen zu sein. Die Fähigkeit, das Bewusstsein auf die kleinsten und größeren Aspekte der Wirklichkeit zu richten, wird in der östlichen Meditationslehre beschrieben. In diesem Sinne kann die Meditation als eine systematische Fortführung der Einfühlung beschrieben werden.

Viele berühmte Forscher wandten die Einfühlung intuitiv an, als Teil ihre Suche nach Lösungen, nach tieferem Verstehen. Der Chemiker Kekulé beschreibt, wie er im Halbschlaf die Atomketten wie Schlangen vor sich winden sah. Soweit entsprach dies seiner rationalen Modellvorstellung. Doch eines Abends geschah etwas Unerwartetes: Eine der Schlangen erfasste ihren eigenes Ende. Er erwachte und erkannte die Lösung für die Atomstruktur des Benzols als Ringschluss einer Kohlenstoffkette. Die Lösung zeigte sich ihm in symbolischer Form und es bedurfte der Wertschätzung für die bildhaften Assoziationen, um die Entsprechung zu erkennen und zu nutzen. Wie viele Forscher erhalten von ihrem Unbewussten symbolische Hinweise, aber ihr rationales und zuweilen dogmatisches Wissenschaftsverständnis lässt die Übertragung auf ein reales Problem nicht zu?

Einfühlende Erfahrungen lassen sich auch bei Künstlern und Komponisten finden. Richard Wagner beschreibt, wie er bei seinen Arbeiten für die Oper Rheingold im Zustand des Halbschlafes auf dem Grund des Rheins zu liegen glaubte. Er fühlte das brodelnde Wasser über ihn hinwegrauschen, wobei die Empfindung musikalische Gestalt annahm. Mehr noch begriff er im Rauschen des Rheines das eigentliche Wesen seiner innersten Natur.

Von der Objekterkenntnis zur Selbsterkenntnis. Bei Wagner zeigt sich ein Sachverhalt, der auch Kindern eigen ist: Bei der Einfühlung laufen Objekt- und Selbsterkenntnis Hand in Hand und durchdringen sich gegenseitig. Jede Objekterkenntnis, die aus der Tiefe des Bewusstseins geborgen wird, sagt rückwirkend etwas darüber aus, wer man ist, im psychischen wie im geistigen oder religiösen Sinne. Das Kind weiß, dass es sich selbst über die Entäußerung finden muss. Der Erwachsene aber, der glaubt sich gefunden zu haben, schließt die Suche ab, hört auf zu fragen. Von Personen wie Einstein und Schauberger wissen wir, dass sie nicht aufgehört haben wie ein Kind zu fragen. Sie haben die Welt um sie herum nicht so hingenommen, wie all diejenigen, die aufgehört haben zu fragen.

Der tiefere Sinn des Fragens besteht darin, dass in jeder Frage ein Vorwissen, eine Ahnung zur Geltung kommt. Und wo anders sollte dieses Vorwissen, diese Ahnung herkommen, als vom als Kind aufgenommenen symbolischen Wissen? Die Fähigkeit der Einfühlung, des neufreudigen Fragens besteht darin, durch das gespeicherte symbolische Wissen als Kind hindurch auf den Gegenstand des Interesses zu blicken. Dies beinhaltet ein Umschalten, Pendeln zwischen einer symbolischen und rationalen Betrachtungsweise. Daher kann der Erwachsene, der diesen Weg der Erkenntnis geht, gar anders als sich selbst in seinem Gewordensein vergewissern. Und indem er dies tut, entfaltet er sich weiter und bringt das Entfaltete in eine verstehbare, mitteilungsfähige Form. Die hier beispielhaft angeführten Personen aktivieren ihre Innensicht, ihr als Kinder erworbenes, Symbolwissen und setzen es in Verbindung mit einer konkreten Problemstellung und dem jeweiligen Stand des Wissens.

Jedoch: Das Symbol kommt nicht nur als Mittel der Darstellung zu Geltung, sondern mit seiner ganzen Innerlichkeit, Qualität, Tiefe. Das ist es, was der Erwachsene anzapft. Erlaubt es der Leser, die Leserin an dieser Stelle etwas mit seinem bzw. ihrem Wirklichkeitsverständnis zu „spielen“? Einstein berichtet, wie die Begegnung als Fünfjähriger mit einem Kompass seinen Lebensweg geprägt hat. Wenn wir solche Dinge lesen, dann nehmen wir unsere praktischen Erfahrungen und theoretisches Wissen als Erwachsene über den Magnetismus und setzen sie in Beziehung mit unseren Erfahrungen über ein Vorschulkind. Im Falle von Einstein geben wir noch einen gewissen Wissensbonus hinzu. Und nun die Frage: Lässt es das Wirklichkeitsverständnis des Lesers, der Leserin zu, dass Einstein in dieser Begegnung mit dem Kompass als fünfjähriges Kind mehr und tieferes Wissen aufgenommen hat, wie er in seinem Leben je hat umsetzen können?

Der Sinn dieser Frage besteht darin, sich in den Grenzen des aufgebauten Welt- und Selbstbildes zu prüfen. Wird die Frage verneint, dann kann alles so bleiben, wie es ist. Wird die Frage aber bejaht oder zumindest doch als möglich angesehen, dann gerät das eigene Wirklichkeits- und Selbstbild ins Wanken. Denn, was für Einstein gilt, gilt auch den Leser, die Leserin selbst. Mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es auch bei ihm oder ihr vergleichbare Initialmomente. Momente, in denen in großer Tiefe und Dichte Wissen symbolisch aufgenommen und für die Zukunft aufgespeichert wurde. Das Leben selbst bringt diese Momente der Verdichtung, der Zusammenschau hervor. Sie mögen vergraben oder vergessen sein, aber niemals verloren. Sie sind so sicher in einem Menschen vorhanden und verwahrt wie bei einem Baum seine innersten Jahresringe. Und die Erfahrung zeigt, dass auch der Erwachsene der Rückerinnerung und des Zuganges zum tieferen Symbolwissen fähig ist. Wenn, ja wenn er denn will.

An dieser Stelle hilft vielleicht ein Beispiel, sich über unsere Denkgrenzen klarer zu werden. Stellen wir uns vor, uns würden Bildaufnahmen von uns aus verschiedenen Lebensabschnitten vorgelegt, von der Gegenwart zurück bis zur Geburt. Je geringer wir das jeweilige Bild mit unserer Erinnerung und dem visuellen Wiedererkennen zusammenbringen können, desto weniger können wir etwas damit verbinden. Nun stellen wir uns weiter vor, die Aufnahmen gingen weiter zurück von den letzten Phasen der Schwangerschaft bis zur befruchteten Eizelle. Welchen Bezug können wir haben, zu einem Zellhaufen, zu einem Embryo, der aussieht wie eine Kaulquappe oder ein undefinierbares Etwas? Wie könnten wir für so etwas Wertschätzung haben? Und doch stehen alle Bilder in direkter Linie zu dem Menschen, mit dem wir uns gerade identifizieren. Was besagt das? Es besagt, dass wir mit der Außensicht diese Wahrheit nicht voll erfassen können.

Unser rationales Denken und all die Dinge, die wir uns angelesen haben, helfen nicht weiter. Was wir brauchen, ist die ganz individuelle, einzigartige Wahrnehmung von innen, ein Wissen und Bewusstsein von innen heraus. Dieses ist in Bezug zum gespeicherten symbolischen Wissen wieder zu erlangen. Kein Wissen der Welt kann uns hier weiterhelfen. Hier sind wir auf uns selbst angewiesen, auf die ganz persönliche, nie endende Suche nach innen und von innen heraus. In dieser Innerlichkeit gibt es eine Tiefe, Weite und Höhe, die jenseits dessen liegt, was wir bewusst erfassen. Wer daraus schöpfen will, muss sich mit sich selbst versöhnen, muss sich das zurückgeben, was er oder sie sich an Selbstliebe vorenthält.

Viele werden an dieser Stelle die Achseln zucken. Sie werden sich mit dem begnügen, was sie sind. Einige wenige vielleicht werden mit einem neuen Blick auf sich selbst schauen. Sie werden den Wert der Aussagen intuitiv erfassen, was besagt, dass sie sich selbst in diese Richtung bewegt haben. Damit wird es für sie leichter werden, die Metamorphose des symbolischen Wissens in mitteilungsfähige Formen zu vollziehen. Sie werden die embryonalen Ideen, die auf der Linie ihrer ureigenen Begabung liegen, in sich leichter erkennen, besser wertschätzen können. Sie werden sich auf diese Weise ein Stück näher kommen. Es ist eben der je individuelle, einzigartige Zugang zur Innerlichkeit der entscheidet, welche Richtung ein Wissen nimmt, ob es mystisch-religiös, wissenschaftlich, künstlerisch oder wie auch immer äußert. Hier kommt die öffnende Kraft des Staunens ins Spiel.

Das Staunen steht mit den oben genannten Initialmomenten des Lebens in direkter Beziehung. Staunen ist ein Proportionsvergleich zwischen etwas Bekannten und Unbekannten. Im Staunen erweitert sich das Feld des Bekannten aus ins Unbekannte. Als bildhafter Vergleich: Es ist, wie wenn nachts der bedeckte Himmel aufreißt und die Weiten des sternenübersäten Weltalls und die darin enthaltene Ordnung deutlicher erfasst werden wie je zuvor. Die Sterne und die Ordnung waren immer schon da, aber dieses Aufreißen der Wolken lässt unser Bewusstsein anschwellen, so dass sich unsere Aufnahmekapazität kurzzeitig um ein Vielfaches erweitert. Staunen ist der Blick ins Unbekannte, ins Grenzenlose, ins Numinose. Daher ist Staunen etwas für Furchtlose. Es ist so, wie wenn wir kurzzeitig über eine spiralförmige Nabelschnur mit der ganzen Welt verbunden wären. Zugleich ist Staunen ein tieferes Wiedererkennen jenseits des Sprachfähigen. Es ist das Paradox des unbekannten Bekannten. Das Paradox löst sich auf, wenn wir die Vorstellung zulassen, dass alles, was es je zu Wissen gibt, schon in uns angelegt ist. So wie in einer befruchteten Eizelle der fertige Mensch. Der Prozess des Identischwerdens, der Einswerdung mit einem Wissen, bestätigt dann, was wir tief im Innern immer schon gewusst haben. Im Staunen gibt es einen Teil, der bewusst wahrgenommen wird. Daneben gibt es einen Anteil, der zu neu, zu gewaltig ist, als dass er verarbeitet werden kann. So wird im Staunen zugleich ein Teil „geistig eingeatmet“, der als tiefe Weisheit in uns vorbereitet drauf wartet, eines Tages gelüftet zu werden. Und würde es überraschen, wenn das, was wir bewusst im Staunen wahrnehmen, nur die Spitze eines Eisberges im Wasser ist?

Staunen wiederum können nur diejenigen, die sich eine Offenheit, die Gabe der Impression, der Beindruckbarkeit bewahrt haben. Zugleich diejenigen, die die innere Loslösung besitzen, altes Wissen abzuwerfen wie eine Schlange, die sich häutet. Wenn dies schon als Einzelperson schwer ist, wie viel schwerer ist es für eine Gruppe, ein Kollektiv?

Halten wir fest: Dort wo wir mit unserer ureigenen Begabung, gestützt auf symbolisches Tiefenwissen, wichtige Zusammenhänge erkennen, führt dies zu äußeren Leistungen und zu innere Wandlungen, Bewusstseinserweiterungen, spirituellen Erkenntnissen. Die Grenzen zwischen Wissen, Weltanschauung und Religionsverständnis werden fließend und dies ist eines der Charaktermerkmale des neuen Denkens.

Selbsttranszendenz und Haltung des Dienens. Einstein hat nicht nur die Relativität von Zeit und Raum entdeckt, sondern auch die Relativität des personalisierten Ich, das er als „Illusion“ und „Gefängnis“ bezeichnet. In seiner kosmischen Religiosität ist kein Platz für ein Ich, das sich zum Maß der Dinge erhebt. Auch die Vorstellung eines personalisierten Gottes, wie ihn Religionen lehren, wird zurückgewiesen. Selbsttranszendenz ist der Weg, den alle großen Persönlichkeiten, die Zeitloses geschaffen haben, gegangen sind. Wie schreibt Leonardo da Vinci: „Je größer der Mann, desto tiefer seine Liebe.“ Je tiefer die Liebe, – so lässt sich ergänzen – desto größer das geistige Fassungsvermögen. Sowohl die Wissenschaft als auch die organisierten Religionen haben ihre Probleme mit der Quelle, aus denen Genies schöpfen. „Ein Genie – schreibt Heinz Pagel (in „Cosmic Code“ 1984, S.228) „ist jemand, der, wie die alten Propheten, eine direkte Leitung zur Gottheit hat“. So antwortete denn auch Beethoven auf die Frage, worin er den Unterschied zu anderen, weniger bedeutenden Komponisten seiner Zeit sehe: „Ich weiß, dass Gott mir näher ist als anderen meiner Zunft; ich verkehre mit ihm ohne Furcht.“

Menschen wie Beethoven sehen sich als Mittler zwischen den Welten. Sie sehen die Welt über sich, unendlich größer wie sie selbst. Und sie sehen die Welt unter sich, jene die dabei sind in die Ebene hineinwachsen, auf der sie sich bewegen. Dabei wissen sie sehr wohl, dass das, was sie für die Menschen als Gemälde, als musikalisches Werk oder als Formel aufbereiten, ihnen in der Essenz selbst geschenkt wurde. Sie sehen sich als Bindeglied, das weder bei ihnen anfängt noch bei ihnen aufhört. Als Bindeglied können sie nicht anders als Dienende im Kreislauf des Ganzen sein. Wie könnten sie sich je mit ihrem persönlichen Ich als den Ursprung all dessen sehen, was durch sie entsteht?

Von der Einfühlung zur umfassenden Impression. Die Rede von den Genies dient nicht einem Personenkult, sondern der Veranschaulichung, der Vorbildwirkung und der Aspiration. So auch bei dem inneren Zusammenhang von Liebe und geistigem Fassungsvermögen. Liebe verstanden als uneigennützige Liebe und Ausdruck der Tiefenverbundenheit mit allem, was ist. Wo diese Liebe groß, stark und fest ist, erwächst daraus die Fähigkeit kollektives Wissen in großer Komplexität und Tiefe in sich aufzunehmen und sich davon beeindrucken zu lassen. Mit anderen Worten: Die Liebe selbst ist der Magnet, geistige Ideen und kollektive Sachverhalte jenseits von Sprache anzuziehen. Es können dies die drängenden Probleme einer Zeit sein, der Zustand einer Gesellschaft oder das Denken einer Epoche. Wie ein Tornado die feuchten, erwärmten Luftmassen sammeln die, die dazu imstande sind, neue Ideen sowie kollektive Gedanken und Gefühle in sich, um sie in geballter Form als Werk und Programm den Menschen zurückzugeben. In diesem Sinne konnte ein Universalgenie wie Leonardo da Vinci den Weg vom Mittelalter in die Neuzeit ebnen und einem ganzen Zeitalter Auftrieb geben. „Die großen Weltmenschen“, schreibt der britische Philosoph Bosanquet, „sind nicht einfach von ihren irdischen Eltern geboren. Ganze Zeitalter und Länder sind in ihnen konzentriert. … Wenn wir eine hochentwickelte Vollkommenheit möchten, wünschen wir etwas zu sein, das nicht länger durch die Umstände des irdischen Lebens bestimmt werden kann“. Wer in dieser Dimension wirken will, kann nicht ein von anderen getrenntes Leben führen, kann nicht länger sich selbst gehören. Er oder sie gehört der Menschheit. Dies wird das Selbstverständnis derer sein, die sich in Gruppen zusammenfinden werden, um das neue Zeitalter zu bauen.

Das Zeitalter, wo einzelne Personen den Gang der Geschichte bestimmten und den Zeitgeist prägten, ist vorbei. Das Zeitalter der Gruppe, genauer der Gruppeneinfühlung und -impression, hat eben begonnen. Die Entwicklung des Internets und seiner Vorläufer weist den Weg. Das Internet wäre, wie Zeitzeugen berichten, ohne Gemeinschaftsgeist, ohne dienende Haltung und ohne visionären Weitblick so nicht zustande gekommen. Es kam zustande, weil die Menschen, die daran mitwirkten „das Funkeln in ihren Augen teilten“ (Berners-Lee). Wo anders sollte dieses Funkeln seinen Ursprung haben als in leuchtenden Kinderaugen?!

Teil III: Vom Wissen zur Weisheit: Ein Erfahrungsbeispiel

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