Freitag , 29 März 2024
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Ist Größenwahn wirklich der Weg zum Glück?

Ich erlaube mir einmal, den Leser durch die Gegenüberstellung zweier konträrer Lebensideale zum Nachdenken anzuregen. Wir leben in einer Welt, in der sich Egoismus und Materialismus immer mehr ausprägen. Bleibt dabei noch genug Spielraum, um die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen? Ich hoffe, ich bin nicht der Einzige, dem sich diese Frage beim Betrachten der Gegensätze förmlich aufdrängt. Die Regale der Buchläden sind überfüllt mit „Anleitungen zum Glücklichsein“ – und trotzdem scheint die Zahl derer, die unter der scheinbaren Sinnlosigkeit des Daseins leiden, regelmäßig anzusteigen. Werfen wir zuerst einmal einen Blick auf ein künstlich erschaffenes Monstergebilde namens Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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In Dubai spiegeln sich die unzähligen Milliarden wieder, die auf der arabischen Halbinsel in Form von Öl aus dem Boden fließen. Nicht jährlich, monatlich oder wöchentlich wächst diese Metropole nach Angaben der Stadtväter, sondern stündlich. Wolkenkratzer, gigantische Hotelbauten, die luxuriösesten Residenzen, künstliche Inseln, faszinierende Unterhaltungsmöglichkeiten, was immer von Menschenhand erschaffbar ist, findet sich in Dubai in konzentriertester Form. Gelegentlich erschienen Berichte, dass bis zu einem Viertel aller weltweit existierenden Baukräne in Dubai eingesetzt werden. 30.000 Kräne in einer Stadt, einem kleinen Fleck einstiger Wüste am persischen Golf.

Wo früher ein Fischerdorf stand, findet man heute das Burj Khalifa, das mit 830 Metern höchste Gebäude der Welt. Zwar befindet sich das weltweit höchste Hotelgebäude mit Namen „Abraj al Bait“ in Mekka, die folgenden fünf stehen jedoch alle in Dubai. Eines davon ist das „Burj al Arab“, das oft als das weltweit eleganteste Hotel bezeichnet wird.

Hätten Sie jemals daran gedacht, zum Skifahren in die Wüste zu reisen? Die weltweit größte Skihalle bietet Platz für 1.500 Wintersportler. Die gesamte schneebedeckte Fläche beträgt 22.500 m². Während die Außentemperatur rund 40 Grad beträgt, wird der Innenraum permanent auf –1 Grad abgekühlt. Die 6.000 Tonnen Kunstschnee werden nachts erzeugt, wobei die Temperatur weiter auf –7 Grad herabgesetzt wird.

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Und nun reisen wir im Gedanken weiter, quer über den Indischen Ozean, nach Australien. Ziemlich genau in der Mitte des Kontinents stoßen wir auf den Ayers Rock, der von den Eingeborenen, den sogenannten Aborigenes, „Ulu?u“ genannt wird.

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Dieser riesige Felsen der sich 348 Meter über der Dünenlandschaft Zentralaustraliens erhebt, ist für die Ureinwohner ein mystischer Ort. Was wir als Realität verstehen, ist für die Aborigens ein Traum, ein „Traum in der Zeit“, um ihn von Bewusstseinserlebnissen während des Schlafes zu unterscheiden. Und, so sehen es die australischen Eingeborenen, alle „Traumzeitreisen“ enden hier, an diesem eindrucksvollen Felsen.

Die australische Regierung war so weitsichtig, dieses Gebiet, in dem die Aborigenes seit Zehntausenden von Jahren leben, an diese wieder zurückzugeben.

Das Besteigen des Ulu?u ist zwar auf einem gekennzeichneten und gesicherten Pfad erlaubt, von den Anangu, dem über den Ulu?u wachenden Stamm, aus mythischen Gründen jedoch nicht gerne gesehen.

An manchen Stellen, die von den Anangu als besonders intensive Energiezentren erachtet werden, ist Fotografieren und Filmen verboten. Sie meinen, dass die Touristen die falsche Kamera verwenden, dass sie besser jene „auspacken“ sollten, die ihnen ermöglicht zu fühlen, was ihnen dieser 500 Millionen Jahre alte Felsen anvertrauen möchte.

Die meisten von uns werden wohl mit keinem dieser beiden Extreme jemals in direkten Kontakt kommen. Wir werden weder mit den Ölmilliardären im Burj al Arab tafeln noch werden wir gemeinsam mit den Anangu die Geheimnisse des Ulu?u erforschen. Stellen wir uns aber trotzdem die Frage, welche dieser beiden Menschgruppen über eine weisere Einstellung zum Leben verfügt. Ist es diejenige, die den Größenwahn frönt? Oder doch eher die andere, die der Natur, den Ahnen gleich, in Demut gegenüber steht? Ist es weiser, anstelle eines einstigen Fischerdorfes, ein energieverschlingendes Monster zu errichten oder doch eher, sich asketisch den natürlich Gegebenheiten anzupassen, wie es den australischen Ureinwohnern auch heute noch gelingt?

Um es den arabischen Milliardären gleich zu tun, fehlen uns wahrscheinlich die Mittel. Um die Härte eines Lebens in der Wildnis auf uns zu nehmen, sind wir bereits zu sehr an unsere Gewohnheiten gebunden. Doch, wenn wir über Notwendiges und nicht so Wichtiges nachdenken, nach welcher Richtung sollten wir uns eher orientieren? Könnte uns vielleicht die Lebenseinstellung der Aborigenes helfen, unseren eigenen Alltag glücklicher zu bewältigen, weil sie uns zeigen, wie wenig man braucht, um zufrieden zu sein? Oder sollen wir weiter von Luftschlössern träumen, die Einstellung der Ölscheichs annehmen, die da heißt: Immer höher, größer, teurer?

Immer dann, wenn ich von neuen Rekorden aus Dubai lese, fällt mir Atlantis ein, jene vor rund 10.000 Jahren untergegangene Kultur, über die uns Plato unterrichtet hat. Und gleichzeitig taucht der Gedanke auf, dass gerade jene Menschen, die vom Gauben an den ewigen Fortschritt besessen sind, diese Überlieferung als eine „Erfindung Platos“ erachten. Letztendlich geht es aber doch bloß darum, seine eigene innere Zufriedenheit zu finden. Und den Weg, den wir diesbezüglich einschlagen, kann uns zum Glück noch niemand vorschreiben.

 

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