Freitag , 29 März 2024
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Katastrophale Situation am Arbeitsmarkt

arbeit_macht_freiManche Zeitungen lieben es, die Lage zu beschönigen. Immerhin, die Zahl der offiziell Arbeitslosen in Deutschland liegt auf unter drei Millionen. Dazu kommt der bestehende Mangel an Fachkräften. Die EU-Schattenregierung fordert sogar, dass mehr Frauen dem Arbeitsmarkt zugeführt werden müssen. Kurz gesagt, der oberflächliche Eindruck deutet auf ein baldiges Ende der Wirtschaftskrise. Praktisch ist genau das Gegenteil der Fall. Es sind deutlich mehr als drei Millionen Menschen, die tatsächlich ohne Arbeit sind. Viele Millionen schlagen sich mit schlecht bezahlten Jobs durch. Und noch weitere Millionen ernähren sich durch Berufe, zu denen sie keinerlei Beziehung haben. Wo bleibt die Lebensqualität?

Wie bereits im Juni berichtet, kritisiert eine EU-Kommission, dass es in Deutschland, Österreich und den Niederlanden noch immer zu viele Hausfrauen gäbe. Man müsse mehr Kindergärten schaffen, um allen Frauen Zugang zur Arbeitswelt zu ermöglichen. Was dabei fehlt ist der Hinweis, dass es schließlich Arbeit sei, die frei mache!

Ein nicht uninteressanter Vergleich findet sich diesbezüglich in den Angaben des CIA-World-Factbooks. Unter den Wirtschaftsdaten jedes Landes wird die Zahl der Menschen angeführt, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. In Deutschland wären es 43,44 Millionen, bei einer Einwohnerzahl von 81,47 Millionen. Das bedeutet wiederum, dass 53,32 Prozent der Bevölkerung als Humankapital gelten. Ähnlich ist die Situation in den Vereinigten Staaten. Dort beläuft sich der Prozentsatz auf 49,13. Deutlich mehr Arbeitskräfte stehen in China zur Verfügung, was vermutlich daran liegt, dass dort auch Kinder in die Fabriken geschickt werden. Von mittlerweile 1.336.72 Millionen Chinesen gelten 815,3 Millionen als Arbeitskräfte, was nicht weniger als 60,99 Prozent entspricht.

Sehr unterschiedlich liegt das Verhältnis jedoch in Ländern, in denen die Menschen auch heute noch nach eher traditionellen Maßstäben leben. In Indien, einem Land mit mittlerweile auch schon fast 1,2 Milliarden Einwohnern, stehen dem Arbeitsmarkt nicht mehr als 40,22 Prozent der Bevölkerung zur Verfügung. Die einzig mögliche Erklärung dafür ist natürlich, dass dort einer großen Zahl von Frauen unselbständige Erwerbstätigkeit erspart bleibt. (Was natürlich nicht bedeutet, dass sie nicht trotzdem, im familieneigenen Kleinbetrieb oder im Haushalt arbeiten.) Im Iran gelten nur 33 Prozent der Bewohner als verfügbare Arbeitskräfte, in Ägypten 31,92 Prozent und in Saudi Arabien sogar nur 28,08 Prozent.

Ob eine Frau, die nur in Begleitung und verschleiert das Haus verlassen darf, letztendlich glücklicher ist als eine, die aus wirtschaftlicher Not täglich acht Stunden an der Supermarktkasse Waren über den Scanner zieht, diese Frage würde in einen anderen Themenbereich fallen.

Wäre der Prozentsatz erwerbstätiger Menschen in Deutschland der gleiche wie in Indien, würde sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte von 43,44 auf knapp 33 Millionen reduzieren. „Katastrophe“, würde jeder Wirtschaftsexperte laut ausrufen. Schließlich würde dies einem unvorstellbaren Mangel an Arbeitskraft entsprechen. Wie schwer wäre es für jeden Betrieb, neue Mitarbeiter zu finden? Höhere Löhne wären eine logische Folge. Das würde wiederum die Preise in die Höhe treiben. Der Leidtragende wäre letztendlich also der Konsument!

Welcher Konsument? Der im Land wohnende, der sich plötzlich eines höheren Einkommens erfreut, weil er nicht mehr mit anderen Arbeitnehmern in Konkurrenz stünde? Dessen eigene Arbeitsleistung plötzlich wieder respektiert werden würde? Der sich nicht mehr zu sagen lassen braucht: „Sind Sie doch froh, dass Sie überhaupt einen Job haben!“?

Zweifellos würde eine derartige Entwicklung weitreichende Konsequenzen, insbesondere im Außenhandel, mit sich bringen. Die Sprachrohre der Konzerne würden im Handumdrehen Dutzende Argumente finden, um die Leute zu verängstigen. Also, lasst uns weiter mit China konkurrieren, sowohl im Prozentsatz der Erwerbstätigen als auch im Lohnniveau.

Und wie sieht die derzeitige Situation in Deutschland nun tatsächlich aus? Knapp drei Millionen gelten als arbeitslos. Dazu kommen, laut Statista, rund 4,7 Millionen Empfängern von Arbeitslosengeld II. Ja, natürlich, teilweise überschneiden sich die Zahlen. Doch, ebenfalls von Statista veröffentlicht, gelten 7,8 Millionen als „atypisch Erwerbstätige“. Hier die Erklärung zu diesem Begriff:

Atypische Beschäftigungsformen sind laut Statistischem Bundesamt – im Unterschied zum Normalarbeitsverhältnis – befristete und geringfügige Beschäftigung, Teilzeitarbeit bis zu 20 Wochenstunden sowie Zeitarbeit. 2010 arbeiteten 7,84 Millionen Arbeitnehmer in solchen Beschäftigungsverhältnissen.

Dazu kommen dann noch einige Millionen, die sich zwar einer regulären Anstellung „erfreuen“, jedoch mit extrem niedrigen Einkommen ihr Auslangen finden müssen. Und einige weitere Millionen, die vielleicht akzeptable Löhne erhalten, jedoch gezwungen sind, einen Beruf auszuüben, der absolut nichts mit ihren persönlichen Interessen oder ihrer Ausbildung zu tun hat.

„Und wo liegt das Problem?“, mag der eine oder andere fragen. Hauptsache, man hat Arbeit. Hauptsache, man verfügt über ein eigenes Einkommen. Schließlich leben wir in harten Zeiten. Interesse und Beruf zu vereinigen? Derartigen Luxus können sich eben nicht mehr viele leisten.

Und genau hier liegt der Punkt, der in allen Statistiken und Erklärungen, in den Anforderungen der Wirtschaft und in den modernen Veränderungen in der Arbeitswelt absolut keine Beachtung mehr findet: Die Lebensqualität!

Wo sind die Errungenschaften der Neuzeit? Wem dient der technische Fortschritt? Wer profitiert von all den Maschinen, die Menschen die Arbeit abnehmen?

Ich weiß, dass es viele Leute gibt, die sich damit zufrieden geben, die neuesten technischen Spielereien, vom iPad bis zum Heimkino, zu besitzen. Deren Erwartungen nicht über die jährliche Fernreise hinausreichen. Die mit ihrer Zeit ohnehin nichts besseres anzufangen wüssten als vor einem Fließband zu stehen. Es gibt aber auch Menschen, die andere Vorstellungen vom Leben haben. Ungeachtet, ob sie sich faszinierenden Entwicklungsprojekten widmen würden, der Kunst oder dem Erweitern der eigenen Erkenntnis, die Bedingungen des modernen Lebens zwingen sie jedoch dazu, ihre Tage mit schlecht oder mittelmäßig bezahlter Erwerbstätigkeit zu verbringen. Das regelmäßige Bezahlen anfallender Rechnungen wird zum primären Lebensziel.

Gewiss, speziell in Deutschland gibt es noch immer viele Millionen, die durchaus zufrieden sein können. Mit Sicherheit ist die Zahl jener, die zu Opfern dieses „Rattenrennens“ geworden sind, aber um nichts geringer. Doch, wie gesagt, die Lebensqualität des Bürgers steht schon lange nicht mehr im Vordergrund. Und zu viele Menschen haben daran nicht einmal etwas auszusetzen.

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