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Ein paar Minuten Glückseligkeit – Prostituierte in Deutschland

protsitution strassenstrichEs gilt als das älteste Gewerbe in der Menschheits-Geschichte, weist Jahr für Jahr Milliardenumsätze auf und wird doch mit einer Tabuisierung belegt, die unter dem Deckmantel der Scheinheiligkeit ihres gleichen sucht. Die Sprache ist von der Prostitution, die zwar in den vergangenen 109 Jahren eine deutlich verbesserte gesetzlich geregelte Unterstützung erhalten hat, jedoch immer noch den in dieser Branche arbeitenden Frauen das Stigma der Unsittlichkeit und Verwerflichkeit aufdrückt. Ein Bericht über das Leben der „Sexarbeiterinnen“ in Deutschland, der versucht, sich von Vorurteilen abzugrenzen.

Sie verkaufen sich, ihre Körper, gelten als ruch- und schamlos, verführen brave Ehemänner, mögen vielleicht auch sexgierig sein und tun alles bloß des Geldes wegen. Derartige Vorurteile, und das sind nur einige davon, haften den Frauen im Land an, die aus unterschiedlichen Gründen der Arbeit einer Prostituierten nachgehen. Nur selten wird von den sogenannten anständigen Bürgern hinterfragt, warum Frauen diese Tätigkeit wählen, um ihr Leben zu finanzieren. An dieser Stelle sei eines jedoch im Vorfeld des Berichtes ausdrücklich erwähnt: Hier wird grundsätzlich von den Frauen gesprochen, die in Deutschland ihr Zuhause haben. Für grenzüberschreitende Prostitution, vor allem aus Osteuropa, die oft dem Druck krimineller Organisationen untersteht, gelten gewiss andere Kriterien.

Zahlen, Daten, Fakten: Prostitution in Deutschland 2010

Groben Schätzungen zufolge, verdienen sich allein in Deutschland rund 400.000 Frauen ihr Geld mittels des Geschäfts der kurzfristigen Befriedung angesammelter Wünsche ihrer zumeist männlichen Kunden. Genaue Zahlen sind kaum zu ermitteln. Auch hinsichtlich der jährlichen Gesamtumsätze können nur Schätzungen erfolgen, die jedoch bei durchschnittlich 15 Milliarden Euro auf der Skala der ungeschriebenen Bilanzen liegen. Zu den Kunden zählen einfache Arbeiter und Angestellte ebenso wie Manager und Unternehmer. Doch wer spricht schon gerne darüber? Denn „wer zu SO einer geht, muss doch reichlich arm und krank im Hirn sein“, mag leicht ein Urteil über die sogenannten Freier gefällt werden. Sollte man dem zustimmen? Bei genauerer Betrachtung bestenfalls bedingt, denn oft verbergen sich durchaus erklärbare Gründe dahinter, wenn ein Mann (und seltener eine Frau) den Weg zu einer Prostituierten einschlägt. Unerfüllte Liebesfreuden in der eigenen Beziehung, Einsamkeit bei Single-Dasein, das Gefühl des Sich-fallen-lassen-können (sehr häufig ein Grund aus den Reihen der Führungskräfte) oder auch eine übersteigerte Libido, finden sich unter zahlreichen weiteren Gründen, die Prostituierten seit Jahrtausenden Kunden, und dadurch den Lebensunterhalt, bescheren.

Bis zum Jahre 1901 wurde die Prostitution im Bürgerlichen Gesetzbuch als „sittenwidrig“ tituliert und die Ausübung dieses Berufes unter Strafe gestellt. Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 1965 deklarierte Prostitution erneut zum Verbrechen und die Ausübung wurde dadurch wieder in den Untergrund gedrängt. Nichtsdestotrotz fanden sich trotzdem Mittel und Wege, um den Freiern zur Lusterfüllung verhelfen zu können. Die bekannte Anrüchigkeit des Milieus und letztendlich auch das Zuhälterunwesen sind, zumindest zum Teil, auf dieses Verdrängen in die Illegalität zurückzuführen. Nach jahrzehntelangem Kampf, dessen eine der größten Unterstützerinnen die wohl bekannteste Prostituierte und Sozialarbeiterin Domenica Niehoff (verstorben Anfang Februar 2009) aus Hamburg war, konnte 2002 das Recht durchgesetzt werden, dass die Tätigkeit der Prostituierten die Anerkennung eines „Berufes“ erlangen konnte. Ein Teilerfolg, denn auch wenn nun Frauen sich als selbständig Erwerbstätige anmelden und sozialversichern, sowie rein theoretisch auch einen Zuschuss zur Neugründung ihrer Selbständigkeit beantragen können, zeigt sich in der Praxis, dass nur wenige von diesem Recht (Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution – ProstG) Gebrauch machen. Von wirklicher gesellschaftlicher Akzeptanz ist, trotz der neuen Rechtslage, noch lange keine Rede. Somit ziehen viele Frauen es doch vor, ihren Beruf, ob Teil- oder Vollzeit, zu verheimlichen.

Risiken für Prostituierte und der Verein Hydra e. V.

Der Beruf einer „Dirne“ ist mit Risiken behaftet, die sehr gerne unbeachtet bleiben. So werden Prostituierte immer wieder misshandelt, sogar bis hin zum Mord. Auch bei Einhaltung von Vorsichtmaßnahmen, lässt sich ein Ansteckungsrisiko, vor allem mit dem HIV-Virus, niemals zu Gänze ausschließen. Je mehr sich eine Frau bemüht, ihre Tätigkeit geheim zu halten, desto größer ist auch die Gefahr, sich unter dem Druck von Zuhältern zu finden.

Aufklärung und Unterstützung hinsichtlich der Rechtslage, der verschiedenen Gesundheitsthemen, sowie die Hilfestellung, aus dem „Rotlicht-Milieu“ auszusteigen und im herkömmlichen Sinne ein „bürgerliches Leben“ zu beginnen, wird bereits seit 1980 durch den Verein Hydra e. V. mit Sitz in Berlin gegeben. Seit dem Jahr 1985 erhält dieser Verein, in dem viele der Mitarbeiterinnen selbst einmal Prostituierte waren, finanzielle Unterstützung durch öffentliche Gelder, was unter anderem hilft, die wichtige Beratungsstelle am Laufen zu halten. Außer im Bereich der Aufklärung, engagieren sich die Mitarbeiterinnen auch, der breiten Bevölkerung ein besseres Wissen und Verständnis rund um das Thema „Prostitution in Deutschland“ zu vermitteln.

Was wäre, wenn es keine Prostituierten gäbe?

Eine Frage, die schon sehr lange nicht nur in Expertenkreisen immer wieder diskutiert wird und sich dahingehend beschäftigt, welche Zustände im Land herrschen würden, wenn es keine Prostituierten gäbe. Die erste, aber nicht die einzige, der Überlegungen bezieht sich auf ein mögliches Ansteigen von Vergewaltigungen und vergleichbaren Verbrechen. Allerdings, allein die Tatsache, dass es rund 400.000 Frauen sind, die ihren Lebensunterhalt durch ihre Arbeit als Prostituierte bestreiten, zeigt, dass sich dieses Gewerbe ohnehin niemals abschaffen lässt. Betrachten wir die Veränderungen in der Einstellung gegenüber Sexualität im allgemeinen, die offene Werbung für potenzsteigernde Medikamente, so wäre es eigentlich an der Zeit, auch die veralteten Vorurteile bezüglich käuflicher sexueller Kontakte abzubauen. Das Sexualleben von Menschen ist schon lange kein Tabu mehr. Auch wissen wir, dass der psychische und physische Aspekt in diesem Zusammenhang durchaus bedeutungsvoll ist. Und vielleicht sollte die Leistung der erotischen Entspannung, die von einer Frau, im gegenseitigen Einvernehmen gegen Bezahlung, erbracht wird, doch etwas mehr ihrer therapeutischen Bedeutung entsprechend, und nicht als schlichte Lustbefriedung, Beachtung finden.

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