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Wegwerfgesellschaft – selber müllreif?

muellDeutschland 2010. Täglich geht die Proklamation für Nachhaltigkeit durch sämtliche Medien, der Umweltschutz wird ebenso wörtlich gefördert als auch der Tierschutz und doch steckt bei all diesen Themen der Teufel im Detail. Die Gesellschaft, und mithin das Verhalten der einzelnen Landesbewohner, durchlief in den letzten dreißig Jahren eine erschreckende Entwicklung, die mittlerweile auch dem Verblendesten aufzeigt, dass eine Wegwerfmentalität im Land herrscht, die vor rein gar nichts mehr Halt macht. Eine Gesellschaft, die kurz davor steht selbst müllreif zu sein? Ein Streifzug durch die selbige, scheint diese Aussage zu bestätigen, und zeigt in weiten Teilen der Bevölkerung die Kälte sowie Schnelllebigkeit kristallklar auf, die permanent herrscht und sich wie eine Seuche stetig weiter ausbreitet.

Ausländische Besucher, egal ob als Reisende oder aus der Politik und Wirtschaft, sehen Deutschland in erster Linie durch die Brille der Sauberkeit, Ordnung und Korrektheit. Dass so manches Haus aufgrund der nagenden Zeit und der Wirtschaftskrise ein bröckelndes Äußeres hat, wird lediglich aus dem Augenwinkel gesehen und gilt als keineswegs Imageschädigend. Hinter die Fassaden jedoch wird nur selten geblickt und da herrscht eine Mentalität, die bei einer genaueren Betrachtung viele Fragen, Unverständnis und Skepsis auslöst. Ex und Hopp, so lässt sich auf die Schnelle die weitläufige Mentalität der Gesellschaft umfassen, die dafür sorgt, dass es ganz gewaltig hinter den Mauern krankt.

Prestige, Konsum und erschreckende Zahlen

Schnell soll es heute gehen, denn Zeit ist knapp. Möglichst billig das Beste erhalten, rasch konsumierbar, bequem in der Handhabung und dazu noch das persönliche Prestige fördern. Und selbstverständlich weder die eigene Ruhe stören noch den Geldbeutel dauerhaft belasten. Eine Tatsache, die sich durch alle soziale Schichten bewegt, bei einem Lebensmittel beginnt, sich über die Kleidung und den Hund hinzieht und bei der Beziehung oder dem unbequem gewordenem Baby endet. Unglaublich? Hierbei handelt es sich um einen realen Zustand, der sich auch mit Zahlen sehr eindrucksvoll aufzeigen lässt. Experten konnten bereits Schätzungen hinsichtlich der noch essbaren Lebensmittel in einem Ländervergleich mit Österreich aussprechen und folglich dokumentieren. Während in unserem Nachbarland knapp acht Millionen Einwohner zu finden sind, die jährlich rund 166.000 Tonnen Nahrungsmittel wegwerfen, leben in Deutschland mehr als zehnmal so viele Menschen, was hochgerechnet eine immense Menge von 1,66 Millionen Tonnen ergibt. Und das nur im privaten Bereich, denn da es sich um ein regelrechtes Tabuthema im Land handelt, gibt es keine genauen Angaben über die Mengen der entsorgten Lebensmittel aus der Industrie und dem Handel.

Auch bei dem Thema Tiere sieht es nicht viel besser aus. Gerade noch saß zu Weihnachten, Ostern oder Geburtstag ein niedlicher Welpe, ein junges Kätzchen oder ein anderes goldiges Tier im Geschenkkarton, wird dieses in immer mehr Fällen nicht nur zur Urlaubszeit dezent entsorgt. Jahr für Jahr werden bis zu 350.000 Tiere in Deutschland ausgesetzt. Aus dem Auto geworfen, an Laternen gebunden oder gleich in einen Wald gebracht. Nicht jedes Tier, das seinem Besitzer unbequem wurde, hat das Glück gesund gefunden zu werden, zumal es mehr als genug eiskalte Menschen gibt, die nicht nur den besten Freund des Menschen erschlagen, ertränken und in die Mülltonne werfen. Glaubt man nun, dass hier die Wegwerfgesellschaft schon an den Rand der Abgebrühtheit und Rohheit angelangt ist, kann anhand der folgenden Zahlen erkennen, dass dem keinesfalls so ist. Durchschnittlich vierzig Babys werden in Deutschland jährlich ausgesetzt, geschweige von den vielen Tötungen, die eine „Entsorgung“ in der Mülltonne ebenso nach sich ziehen kann als auch das Wegwerfen des gerade geborenen neuen Lebens auf eine Müllhalde oder einem anderen, nicht gleich einsehbaren Ort. Verzweiflung ist verständlich bei so mancher Mutter, doch gibt es inzwischen landesweit mehrere Anlaufstellen in der Not, um das Leben am Leben erhalten und der Mutter die Sorge nehmen zu können. Umso unverständlicher erscheint dann solch ein regelrechtes Wegwerfen, offenbart allerdings auch die weitere Seite der Medaille, die da heißt Anonymität und sorgenvolle Einsamkeit.

Endlos ist die Schleife der einzelnen Bereiche, die unsere kurzlebige Wegwerfgesellschaft prägen und auch aus den vielen Reihen der Industrie und Handel dank der Gier nach immer mehr Umsatz und Gewinn ergänzt wird. Lebensmittel zu Schleuderpreisen als Anreiz für einen Mehrkaufen, jedes Jahr ein neues Auto, damit der Nachbar neidisch wird und noch tausende Dinge mehr, die den eigenen Lebensstil erhalten und präsentieren sollen, reizen zum schnellen unüberlegten Konsum. Beziehungen werden oft genug bei einem durchaus lösbaren Streit ruck zuck hingeworfen, und trotz der zuvor noch laut verkündeten großen Liebe zum nun mehr Ex-Partner, gleich die nächste Liebe ins Haus geholt. Beständigkeit, Nachhaltigkeit und die Wertschätzung sind bei den meisten Menschen kaum mehr vorhanden und bei den wenigsten wird überhaupt darüber nachgedacht, dass nicht nur im eigenen Land Kinder und Erwachsene Hungern, die Umwelt immer mehr belastet wird und jedes Leben, sei es Mensch oder Tier, das Recht auf ein unversehrtes und geschütztes Dasein hat. In einer stillen Minute immer wieder darüber intensiv nachzudenken und anschließend im positiven Sinne zu handeln, kann jedoch auf Dauer die Mentalität der Wegwerfgesellschaft Stück für Stück wieder zum Positiven verändern. Wenn nicht, dann allerdings ist sie selber reif für den Müll, wobei sich dann wiederum die Frage stellt, welche Deponie groß genug dafür ist.

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