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Everyone can be a changemaker – Jeder kann etwas verändern

bill_draytonViele Bürgerinitiativen machen sich bemerkbar. Das Volk drückt seinen Willen hinsichtlich der Probleme des öffentlichen Lebens aus. Die Menschen sind empört! Sie sind gegen Bauprojekte, Sparpakete, Atompolitik, Sozialabbau, aufoktroyierte Lebensausrichtungen, Kriege, korrupte Volksvertreter etc. Aus einem Seufzer werden Wutschreie. Erst am 26.3.11 haben wir in London und mehreren deutschen Städten massive Bürgerauflehnung erlebt. In manchen Ländern ist es bereits jetzt Zeit geworden, einen „Tag des Zorns“ auszurufen. In anderen Ländern, wie in Österreich, braucht die Volksseele länger. Da ist erst der „Tag des Grantscherms“* erreicht.

Die Auflehnung ist wohl auch notwendig, um nicht ein „entmündigter Bürger Europas“ zu werden, wie Hans Magnus Enzensberger die EU und ihre Bürger in seinem neu erschienen Buch „Sanftes Monster Brüssel oder die Entmündigung Europas“ seziert. In manchen Buchkritiken wird von einem deutschen Pendant zu Stephane Hessels französischer Kampfschrift „Empört euch!“ geschrieben.

Enzensberger ist ein Schalk und Provokateur und hat mit seinen über 80 Jahren eine immense Schaffenskraft. Eine Persönlichkeit, die es braucht für Pionierleistungen ohne Berücksichtigung einer Beliebtheitsskala. Eine andere und visionäre Persönlichkeit äußerte sich vor ein paar Tagen in Wien: Bill Drayton will Lösungen aufzeigen. Er engagiert sich, um mit sozialem Unternehmergeist die Welt zu verändern. Am 24.3. haben ca. 250 Interessierte das Podiumsgespräch mit Bill Drayton im ORF-Radiokulturhaus in Wien mitverfolgt.

Bill Drayton gründete 1980 Ashoka – die erste und größte internationale Non-Profit-Organisation zur Förderung von “Social Entrepreneurs“. Als sozialer Investor sucht und fördert Ashoka in fast 70 Ländern Social Entrepreneurs, die mit innovativen und replizierbaren Konzepten gesellschaftliche Probleme lösen. Beim Social Entrepreneur handelt es sich nicht um eine Berufsbezeichnung, sondern es bedeutet eine Geisteshaltung von Menschen, die die Zukunft verändern möchten. Social Entrepreneurs sieht er als notwenigen Beitrag zum “system-change“. Es brauche Visionäre, Zuhörer und Realisten mit Kreativität, davon ist Drayton überzeugt.

Drayton ist ein ca. 160 cm kleiner und schmächtiger Mann. Er wirkt eher blass und unscheinbar und formuliert bedacht ruhige Worte. Er studierte in Harvard, Oxford und Yale. Von McKinsey wechselte er in die nationale Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency). Drayton hält Gastvorlesungen und wurde 2005 als einer von „America’s 25 best leaders“ ausgezeichnet.

„Ashoka würde für eine neue Form der Wirtschaft einen Beitrag leisten“ und verschreibe sich dem „aktiven Überwinden von Missständen“, meint der Moderator der Podiumsdiskussion. Den bekannten Ausspruch, den Bill Clinton tätigte: “It’s the economy stupid“, wandelte er in eine zeitgemäßere Ansicht um: “It’s a stupid economy!“

Die erste Frage, welche falschen Rahmenbedingungen ursächlich in unserer Ökonomie für die derzeit so sichtbaren Symptome sind, beantwortete Drayton gleich mit einer Prognose: Das hierarchische Gesellschaftsmodell, das in allen Lebensbereichen vorherrscht, sei mit den massiven gesellschaftlichen Veränderungen und zukünftigen Herausforderungen nicht verträglich. Selbst die Korruption sei gezwungenermaßen ein Symptom unseres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells.

Um in unserem bestehenden System eine Veränderung zu bewirken, sieht Drayton die Lösung im “Social Entrepreneurship“. Unsere Gesellschaftsstruktur müsse geändert werden und der sogenannte Dritte Sektor sei hierbei gefordert. Jener Sektor der Gesellschaft, dem die stark wachsenden Bildungs- Pflege- und Sozialbranchen zugeordnet werden. Die Ambition von Ashoka ist, diese gesellschaftlichen Bereiche, die seit Jahren unter wachsendem Budgetdruck stehen, durch neue Lösungsansätze zu stärken und Jeden dazu aufzufordern, mit seinen Fähigkeiten und seinem Selbstvertrauen zur Lösung von drängenden gesellschaftlichen Missständen beizutragen. Es ginge um die Stärkung von Eigeninitiative und unternehmerischem Denken und Handeln im Menschen, darum, ein Problem zu sehen, eine Lösung zu finden und sie umzusetzen, anstatt Lösungen von Anderen zu fordern, so Drayton. Es seien genug Ideen vorhanden, die lediglich in die Gesellschaft eingebracht werden müssen, um eine “Community-Power“ zuwege zu bringen. Mehrmals, wie ein Mantra, rezitiert Drayton zufrieden die Aussage: “Everyone can be a changemaker!“.

Es gilt Allianzen zu bilden und ein Kooperieren von “Changemakern“ zu forcieren, mahnt Drayton. Und als Grundlage dazu diene vor allem Empathie. Alte Denkmodelle wie Patente und Schutz geistigen Eigentums seien hierbei widersinnig, da es der Zweck sei, diese gesellschaftlichen Lösungen grenzübergreifend in die Gesellschaft einfließen zu lassen, um Probleme an der Wurzel zu lösen. In einem Land erfolgreich umgesetzte gute Ideen sollen als Modell dienen. Und der kapitalistische Auswuchs „Konkurrenz“ sei obsolet.

Es bedarf eines „empathiebasiertem Ethiksystems“, sagt Drayton. Ethisches Verhalten ist nicht genetisch gegeben, sondern ist zu erlernen. Darin sieht Drayton auch die Brisanz in der mangelhaften Bildungspolitik. Kinder müssen diese “Skills“ lernen, um in den sich unvermeidbar wandelnden Gesellschaftsstrukturen, fern von Hierarchien, bestehen zu können. Dieser nachfolgenden Generation müsse die Möglichkeit gegeben werden, Empathie zu erlernen. Dies wäre das wichtigste Element, um eine Bewusstseinsbildung zu erreichen. Erst dadurch wäre es möglich, aus unseren bekannten Systemen und Strukturen einen Wandel zu erreichen. „Wenn sich die Welt um uns verändert, müssen wir uns ebenso verändern. Es braucht einen Changeprozess des Bewusstseins“, fordert er mit einem zuversichtlichen Lächeln. „Liebe und Respekt müsse die Gesellschaft erfüllen. Die Menschen müssen auf die Stimme des Herzens achten und sich bewusst werden, was das Leben mit Sinn erfüllt. Nur mit Empathie können wir mit den veränderten Bedingungen umgehen.“

Drayton ruft dazu auf: ”When you want to be a changemaker, solve the problem yourself. We need everyone as a changemaker. See a problem and try to figure out a solution! We all have to care about a good society.“ Wir stünden vor einem “extraordinary change“ und befänden uns in einem ”historical moment“. „Es gibt kein zurück mehr“, sagt er. Der Bau einer gerechten Gesellschaft sei nicht möglich, wenn nur eine kleine Gruppe von Menschen Macht besitze. ”Everyone has the power in his own life.”

Diese Organisation zeigt eine Gelegenheit aus der Friedhofsruhe auf, um aus diesem aufgemästeten Delirium zu erwachen. Es bleibt abzuwarten, ob die „Tage des Zorns“ sich langsam wieder in Genügsamkeit breit machen, oder ein Transformationsprozess des Bewusstseins den nötigen Evolutionsschritt für eine neue Ära der Menschheit einleitet.

* Österreichisch für: schlecht gelaunter Mensch

Ein Beitrag von Diana Ljubic

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