Dienstag , 23 April 2024
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Über verbotene Filme und Andersdenkende

screenshot innocenceDas „Schmähvideo“ über den Propheten Mohammed veranlasst Politiker aller Couleur, offen über ein Film-Verbot zu sinnieren. Begründet wird diese Überlegung damit, die religiösen Gefühle der aufgestachelten Menschen in den islamisch geprägten Staaten nicht noch mehr zu verletzen. Diese Sicht der Dinge ist nicht nur falsch, sie ist auch brandgefährlich für die Demokratie.

Politiker, die nun vehement für ein Verbot des Films über den Propheten plädieren, verkennen, dass es der Meinungs- und insbesondere der Kunstfreiheit inhärent ist, die Gefühle oder auch die Ehre, um den Duktus des Grundgesetzes zu verwenden, Einzelner zu verletzen. Satirezeitungen beispielsweise leben davon, künstlerisch wertvoll auf die Befindlichkeiten einzelner Personen oder Personengruppen keine Rücksicht zu nehmen. Die Frage ist lediglich, in welchem Ausmaß die Ehre der Anderen verletzt werden darf. Exemplarisch kann man an dieser Stelle die Titanic-Ausgabe nennen, auf deren Titelbild das Oberhaupt der katholischen Kirche zu sehen war. Die Religion als solches war schon immer ein Thema der Satire und des Kabaretts, ohne das sich daran hierzulande jemand übermäßig gestört hätte. Nun jedoch, da einzelne Menschen Botschaften stürmen und auf Hoheitszeichen auch von Deutschland herumtrampeln, scheint sich die Idee im politischen Berlin Bahn zu brechen, hier müsse eine Grenze gezogen werden.

Über die eigentlichen Motive der Gewalteskalation wird indes nicht gesprochen. Ob die Menschen also tatsächlich wegen eines Films Botschaften in Brand setzen oder ob sie dies tun, um ihrer Wut über die ausufernde Inflation und der damit einhergehenden nicht länger sichergestellten Ernährung der eigenen Familie Ausdruck zu verleihen. Auch ohne diese Überlegung kann man allerdings zu der Erkenntnis gelangen, dass es für einen demokratisch verfassten Staat, der Deutschland auf dem Papier ja immer noch ist, wichtig ist, derartige Machwerke, ob man sie nun abscheulich oder ungeschickt oder blöd findet, öffentlich vorzuführen.

Damit macht man sich nicht automatisch gemein mit rechtsextremen Splitterparteien und Bürgerbewegungen. Auch wenn man sich dieser Tage ja fortwährend dafür rechtfertigen muss, wenn man für demokratische Gepflogenheiten einsteht: Dass nun ausgerechnet jene Personenkreise auf diese Gepflogenheiten rekurrieren, um das eigene Provozieren zu rechtfertigen, ist gewiss ein nachdenklich stimmender Umstand. Wesentlich mulmiger wird mir aber, wenn Filme verboten werden sollen, von denen offensichtlich ist, dass die Macher dieser die Weisheit offenkundig nicht gepachtet haben. Dies ist schließlich kein Grund dafür, einen Film zu verbieten, denn wer sollte schon entscheiden, welche Filme künstlerisch wertvoll sind und welche nicht?

Es gibt so viele Beispiele aus der Vergangenheit, in denen die Gefühle von Gläubigen, Frauen, politischen Kontrahenten und anderen verletzt wurden. Und in den seltensten Fällen wurde nach zensorischen Maßnahmen, die heutzutage unter dem Begriff Selbstbeschränkung firmieren, gerufen. Warum dies nun bei einem Film über den Propheten Mohammed anders sein soll, erschließt sich auf den ersten Blick nicht. Und auch auf den zweiten lässt sich die Argumentationslinie derjenigen, die für ein Aufführungsverbot des Films eintreten, nur schwer nachvollziehen. Statt in guter alter Tradition des Aktionismus eilig Filme, die man – ob man nun will oder nicht – prinzipiell unter dem Begriff Kunst subsumieren kann, zu verbieten, wäre ein Blick auf die Gründe für die Gewalt in den betreffenden Ländern lohnender. Stattdessen wird sich aber an einem Film abgearbeitet, der allenfalls Auslöser der neuerlichen Eskalation ist. Ich für meinen Teil denke jedenfalls, dass der knurrende Magen des wütenden Mobs durch ein Aufführungsverbot des Mohammed-Films in Deutschland nicht zum Schweigen gebracht werden kann. Unter dieser Prämisse erscheint es zumindest fragwürdig, ob die Proteste durch ein Verbot verebben und im Gegenzug auch, ob selbige durch eine Aufführung in Deutschland befeuert würden.

Eine wehrhafte Demokratie muss zu den eigenen Grundsätzen stehen und diese auch und gerade gegen die Fanatiker auf allen Seiten verteidigen. Dies schließt auch ein Einreiseverbot von US-Predigern mit ein, denn diese können sich nicht auf das Argument der Kunstfreiheit zurückziehen. Allerdings ist die Begründung des Einreiseverbots, die öffentliche Ordnung in Deutschland zu gewährleisten, hanebüchen. Deutschland muss durch den Auftritt eines US-Predigers nicht um die innere Sicherheit fürchten, wohl aber gebietet es der in unserer Demokratie verankerte Toleranzgedanke, derartigen Menschen keine Bühne für ihre kruden Ansichten zu geben. Die Freiheit der Kunst gebietet es jedoch, auch derartige, für die Mehrheit wohl nur schwer zu ertragende, Filme zu erdulden. Immerhin steht es jedem frei, sich diesen anzuschauen oder nicht.

Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass dieser Film als Vehikel für eine „Reform“ der Kunst- und Meinungsfreiheit genutzt werden soll und an diesem Punkt sollten sich die demokratischen Nackenhaare aufstellen. Eines steht immerhin fest: Durch ein Aufführungsverbot des Films wäre eine Art Präzedenzfall geschaffen, der dazu geneigt ist, der weitergehenden Beschneidung der Freiheitsrechte Vorschub zu leisten. Und die Mägen im Sudan und anderswo würden unbeeindruckt weiter knurren.

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