Mittwoch , 24 April 2024
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Gesundes Leben geht weit über den Verzicht auf Zigaretten hinaus

amish buggyDer Spiegel zeigt sich begeistert. Und ebenso die Nichtraucher-Lobby. Seit es Rauchverbote gibt, ist die Zahl der Herzinfarkte gesunken. Endlich ist es statistisch belegt. Es ist unbestreitbar. Der erste Schritt in ein gesundes Leben ist getan. Wann erfolgt der nächste? Tabakkonsum ist nicht der einzige Faktor, der der Volksgesundheit schadet. Wollen wir feststellen, was uns noch alles krank macht, dann vergleichen wir am besten mit Menschen, die auf vieles von dem verzichten, was zu unserem täglichen Leben gehört. Unter der amischen Bevölkerung im US-Bundesstaat Ohio gibt es fast um die Hälfte weniger Krebsfälle im Vergleich zum Rest der USA.

Die Schlagzeile im Spiegel klingt beeindruckend: „Rauchverbote retten Tausende Leben“. Die Behauptung stützt sich auf 3,7 Millionen deutsche Krankenhaus-Akten. Seit der Einführung sogenannter „Gesetze zum Nichtraucherschutz“ in den Jahren 2007 und 2008 soll die Zahl der Herzinfarkte um acht Prozent gesunken sein. Und das, obwohl es noch immer Millionen von Rauchern gibt. Wie gesund und glücklich wären wir doch alle, wenn sich diese unverbesserlich Suchtverschriebenen endlich restlos abschaffen ließen. Was mit ihnen geschehen sollte, ist mir persönlich nicht ganz klar. Eine gewisse Befürchtung käme mir ja in den Sinn, doch wage es nicht, sie niederzuschreiben. Schon gar nicht in der Fastenzeit. Man erinnere sich an die Empörung, die Fastenprediger Michael Lerchenberg einst auslöste.

Nachdem Raucher also nun aus fast allen Gaststätten, öffentlichen Gebäuden, Transportmitteln und so vielen anderen Örtlichkeiten verschwunden sind, gibt es also nachweislich weniger Herzinfarkte. Während ich mir gerade eine Zigarette entzünde, gestehe ich, dass mich dies keineswegs überrascht.

Über die Amischen gibt es nur wenige Gesundheitsstatistiken. Man weiß jedoch, dass ihre Lebenserwartung ähnlich hoch ist wie im Rest der Vereinigten Staaten. In einem Bericht lässt sich nachlesen, dass „Herzerkrankungen, Krebs und Diabetes bei den Amischen so gut wie nicht existent sind“. Diese Formulierung mag jedoch etwas übertrieben sein. Im englischen Wikipedia-Artikel über die Gesundheit der Amischen wird erwähnt, dass die Zahl der Krebsfälle unter den Mitgliedern dieser Gemeinschaft im Bundesstaat Ohio nur 56% vom landesweiten Durchschnitt beträgt. Ein beachtlicher Unterschied, würde ich sagen. Auch ist Autismus bei Kindern so gut wie unbekannt. Die Selbstmordrate liegt bei etwa einem Drittel im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt.

Dass erblich Gendefekte öfter auftreten als anderswo, liegt nicht am Lebensstil, sondern an ihrer Isoliertheit. Es heißt, alle heute lebenden Amischen stammen von nicht mehr als 200 Familien ab.

Wie leben diese Menschen nun, dass sie um so vieles gesünder sind als wir?

Sie verwenden keine Autos und kaum Maschinen. Während wir in unseren Städten regelmäßig Auspuffgase einatmen, genießen sie die frische Landluft – wenn auch etwas durch den Geruch von Pferdemist beeinträchtigt. Dementsprechend fehlt es ihnen auch nicht an Bewegung. Sie essen ihre eigenen Produkte, verzichten weitgehend auf Kunststoffe, wachsen nicht mit Handys auf. Kurz gesagt, sie halten sich von all dem fern, was unser modernes Leben ausmacht.

Auch wenn es keiner religiösen Regel widersprechen würde, so lassen sie ihre Kinder nicht impfen. Sie laufen nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Doktor und ziehen meist Naturheilmittel vor. Natürlich sind sie alle äußerst arbeitsam, doch beruflichen Stress kennen sie genauso wenig wie Existenzängste. Schließlich leben sie in einer Gemeinschaft, etwas, wovon Stadtbewohner schon lange vergessen haben, was es ist.

Nachdem gesetzliche Verordnungen zum Tabakkonsum bekanntlich nicht die Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe zum Ziel haben, sondern die Verbesserung der Volksgesundheit, schlage ich vor, so rasch wie möglich die nächsten Schritte einzuleiten. So wie jeder Raucher – so sagt man – ja auf seine Zigaretten verzichten könnte, so könnten wir doch auch damit beginnen, luftverpestende Verbrennungsmotoren zu verbannen. Brauchen wir all die Kunststoffverpackungen, deren Partikel in unserem Blut nachweisbar sind? Um jede elektrische Leitung bildet sich ein Strahlenfeld, das zweifellos Einflüsse auf unseren Organismus ausübt. Gar nicht zu reden von den Wellen, die von Mobiltelefonen und den überall im Land stehenden Antennen ausgesandt werden.

All diese Errungenschaften der Technik seien getestet? Sie wurden für unbedenklich erklärt? Von wem? Von Experten, deren Studien von der Industrie finanziert wurden? Der Gesundheitszustand der Amischen, denen es bis heute gelungen ist, ohne Fortschritt zu leben, belegt das Gegenteil. Statistisch nachweisbar!

Sobald entscheidendere Maßnahmen zur Anhebung der Volksgesundheit gesetzt sein werden, bin ich überzeugt, dass auch ich mich einem gesünderen Leben verschreiben werde. Solange jedoch die verpestete Luft der Straßen durch mein Fenster weht, solange ich die Antenne eines Mobiltelefon-Betreibers gegenüber von mir auf einem Dache sehe, solange mir meine Lebensmittel mit Pestiziden und Zusatzstoffen verseucht und noch dazu in Plastikverpackung verkauft werden, solange erachte ich es keineswegs als der Entbehrungen wert, auf meine gewohnte Zigarette zu verzichten. Wobei ich natürlich niemanden motivieren möchte, es mir gleichzutun.

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