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Wenn die Schuldenfalle zuschnappt – Verschuldet!

Verschuldet
Bild: ©Kerem Tapani / Flickr.com

Alarmierende Zahlen zur Zahlungsmoral

Der Schuldneratlas 2012 brachte es ans Licht: Knapp 10 Prozent aller erwachsenen Deutschen sind überschuldet und können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen – das waren gegenüber dem Vorjahr 190.000 Menschen mehr. Somit erhöhte sich die Zahl der als zahlungsunfähig geltenden Bundesbürger auf 6,6 Millionen. Das ist eine besorgniserregende Größenordnung in Zeiten steigender Löhne und sinkender Arbeitslosigkeit. Zwar ist der Verlust des Arbeitsplatzes in 25 Prozent aller Fälle immer noch der entscheidende Faktor für private Überschuldung, doch nahm dieser gegenüber 2011 um 15 Prozent ab. Um ein Fünftel seltener wird eine gescheiterte Selbstständigkeit als Hauptgrund für eine Anhäufung von Schulden angeführt.

Private Ursachen hingegen führen immer häufiger zur Überschuldung, darunter schicksalhafte Einschläge wie Trennung, Scheidung und Erkrankungen. Der Hauptanteil in Höhe von 31 Prozent jedoch entfällt auf Konsumschulden, von denen vor allem Haushalte mit geringem Einkommen vielfach überfordert werden. In Bremen, Berlin und Sachsen-Anhalt leben die meisten überschuldeten Bundesbürger, in Bayern und Baden-Württemberg die wenigsten.

Stark von Überschuldung betroffen: Frauen und ältere Menschen

Wenn jemand die Gesamtsumme seiner Zahlungsverpflichtungen nicht aufbringen kann, ihm keine Kredite mehr gewährt werden und ihm kein Vermögen zur Verfügung steht, wird von Überschuldung gesprochen. Zu den Hauptbetroffenen in der Bevölkerung zählen Frauen und Ältere. In den Jahren 2004 bis 2012 erhöhte sich die Zahl der überschuldeten Frauen von 2,1 auf 2,3 Millionen – im gleichen Zeitraum sank sie bei den Männern von 4,5 auf 4,2 Millionen. Vor allem durch alleinerziehende Mütter sowie Frauen, die als Normalverdienerinnen für aufgelaufene Verbindlichkeiten aufkommen müssen, verschoben sich die Zahlen.

Außerdem häuften sich bei den 50- bis 59-Jährigen sowie 60- bis 69-Jährigen die Fälle von Überschuldungen und führten zu einem überproportionalen Anstieg. Gerade diese Entwicklung gilt als bedenklich und lässt starke Zweifel im Hinblick auf einen sorgenfreien Lebensabend entstehen. Erfreulich hingegen ist der Trend bei den 18- bis 20-Jährigen, den jüngsten erwachsenen Verbrauchern.
Bereits frühere Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen mit einem schlechten Zahlenverständnis weniger sparsam sind und öfter Schulden machen. Es fällt ihnen außerdem schwer, für eventuell eintretende Engpässe zu planen und vorzusorgen.

Wer nicht rechnen kann, sitzt schneller in der Schuldenfalle

Die Antwort auf die Frage, wie viel ein 300 Dollar teures Sofa bei einem Rabatt von 50 Prozent kostet, scheint simpel zu sein. Aber nur 13 Prozent der Teilnehmer an einer US-Befragung konnten diese und vier weitere einfache Rechenaufgaben korrekt beantworten. Eine entsprechende Studie sollte Aufschluss darüber bringen, wieso sich so viele Amerikaner Immobilienkredite aufschwatzen ließen, die sie gar nicht abzahlen konnten – und die mitverantwortlich für die Finanzkrise 2008 waren. Das Ergebnis der Befragung unter sogenannten Subprime-Kreditnehmern lässt den Schluss zu, dass ein besseres Finanzwissen manche vor der Unterzeichnung eines Vertrages geschützt hätte. Diese Erkenntnis lässt sich auch auf Deutschland übertragen.

Positive Prognose für 2013: deutlich weniger Privatinsolvenzen

  • In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wussten 63.000 Deutsche keinen anderen Ausweg mehr als Insolvenz anzumelden. In Bremen wird der Gläubigerschutz zu über 50 Prozent öfter beantragt als in Bayern. Die Finanzierung einer Immobilie gehört vielfach ebenfalls zu den Risiken, die einen Weg in die Insolvenz unvermeidlich machen.
  • Insgesamt sieht es jedoch so aus, als ginge die Zahl der privaten Insolvenzen hierzulande zurück. Im Jahr 2010 gab es noch über 139.000 – als Folge der Krise. Die inzwischen verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Lohnsektor wirkt sich positiv aus. Dennoch können weiterhin viele Bürger nur mühsam ihre Zahlungsfähigkeit aufrecht erhalten. Sobald sich die Arbeitslosigkeit wieder erhöhen sollte, wird sich dies aller Voraussicht nach auch bei den Privatinsolvenzen bemerkbar machen.
  • Es sind nicht immer ausgesprochen horrende Schulden, die die Menschen in Deutschland drücken. Durchschnittlich belaufen sich die Verbindlichkeiten zahlungsunfähiger Privatpersonen auf 28.000 Euro. Wer jünger ist als 25 und mit Beträgen bis zu 10.000 Euro in der Kreide steht, landet oft auch in der privaten Pleite. Bei den 18- bis 20-Jährigen sind es zu 54,6 Prozent Frauen. In allen anderen Altersgruppen liegen die Männer vorn. Gerechnet auf 100.000 Einwohner trifft es in Bremen 129, in Hamburg 108 und in Schleswig Holstein 103 Menschen. Die Bundesländer Thüringen mit 66, Baden-Württemberg mit 59 und Bayern mit 58 Privatinsolvenzen bilden die Schlusslichter in dieser Statistik.

Neue gesetzliche Regelung bei privater Überschuldung

Bisher besteht die Möglichkeit, sich mit Hilfe einer Privatinsolvenz innerhalb von sechs Jahren von allen Restschulden zu befreien. Die beschlossene Reform des Insolvenzrechts sieht vor, dass ab Juli kommenden Jahres eine Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren eintreten kann. Voraussetzung dafür ist, dass mindestens ein Drittel aller offenen Verbindlichkeiten beglichen werden. So lassen sich Privatinsolvenzen entscheidend beschleunigen.

Derzeit ist die Lage noch wie folgt: Wer als Privatperson Insolvenz anmeldet, muss sich für die Dauer von sechs Jahren auf das Nötigste beschränken und die Forderungen seiner Gläubiger bedienen. Gibt der insolvente Bürger beim Tilgen seiner Schulden richtig Gas, kann er der Schuldenfalle ab 2014 schneller entgehen. Als monatlichen Eigenbedarf sieht das Gesetz einen Betrag von 1.030 Euro vor. Privatinsolvente Bürger können also keine großen Sprünge machen, sondern zahlen jeden Euro darüber an ihre Gläubiger,

Der Bundestag verabschiedete das Gesetz „zur Verkürzung des Restschuld-Befreiungsverfahrens“, um insolventen Existenzgründern oder Verbrauchern einen rascheren schuldenfreien Neustart zu ermöglichen. Die entsprechenden Auflagen sehen vor, dass eine Verkürzung auf drei Jahre nur dann erfolgen kann, wenn innerhalb von drei Jahren 35 Prozent aller Forderungen zuzüglich der Kosten für das Verfahren beglichen werden. Auf fünf Jahre lässt sich die Privatinsolvenz künftig verkürzen, wenn ein Schuldner in der Lage ist, wenigstens die Verfahrenskosten zu bezahlen. Wer das nicht schafft, muss sich weiterhin auf eine Dauer von sechs Jahren einstellen.

 

Politische Korrekturen im Sinne der Eigenverantwortung

Die Politik schuf also mit der Gesetzesänderung einen neuen Anreiz für überschuldete Privatpersonen und handelte gleichzeitig im Interesse der Gläubiger. Das Justizministerium wies darauf hin, Schuldner und Gläubiger könnten auf der Grundlage des neuen Gesetzes „ganz individuelle und unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls“ Bedingungen für eine Entschuldung erarbeiten. Denn das neue Gesetz schließt auch sogenannte Verbraucher-Insolvenzplanverfahren nicht aus, die sich nicht an einer rechtlich festgesetzten Quote oder einer vorgegebenen Verfahrensdauer orientieren. Abweichende Absprachen sind also denkbar.

Bürger, die in der Schuldenfalle gefangen sind, können sich seit 1999 dank der Privatinsolvenz aus dieser bedrückenden Notlage befreien. Um das Verfahren bei Gericht zu beantragen, benötigen sie die Hilfe von Schuldnerberatern oder Steuerberatern. Wem es innerhalb der vorgegebenen Frist gelingt, so viele Schulden wie möglich abzustottern, werden die verbliebenen Schulden gestrichen. Eine vorgezogene Restschuldbefreiung lässt sich ab dem 1. Juli 2014 aber nur dann beantragen, wenn das Insolvenzverfahren erst danach eröffnet wurde. Insolvenzpläne hingegen können auch für ältere Fälle erstellt werden.

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