Donnerstag , 28 März 2024
Startseite » Gesellschaft » Gesellschaftliche Kommentare » Wie Disney Stars heutzutage erwachsen werden

Wie Disney Stars heutzutage erwachsen werden

disney-starsDas Hollywoodkino mit seinen Plot-Mustern aus Helden und Verlierern, hat durch seinen weltweiten Einfluss unsere Wahrnehmung so konditioniert, dass wir gesellschaftlich immer noch nicht in der Lage sind auf systhemische Probleme, wie die Ursachen der sogenannten weltweiten Finanzkrise, entsprechend zu reagieren. Dies wird u.a. in dem hervorragenden Dokumentarfilm „Four Horsemen“ von Ross Ashcroft aufgezeigt. Wir benötigen also eine neue Erzählweise für unsere Mythen, welche die Wahrheit ans Tageslicht bringt, ohne sie zu verklären oder zu simplifizieren und sie auf diese Weise unwirksam zu machen. Der beliebteste amerikanische moderne Mythos über die Suche nach echter Wahrheit ist das Märchen von Dorothy im Lande Oz. Zur Zeit kommt diese Geschichte gleichzeitig in drei Versionen auf die Leinwände weltweit.

Gruppenverhalten in einer Kultur der Kommerzialisierung

In mythologischen Geschichten erfahren wir oft davon, wie den Helden ein ihnen erscheinendes Bild als innere Vorstellung die Situation, in der sie sich befinden, zu Bewusstsein bringt. Ein solches Bild kann alle möglichen Formen annehmen. Manchmal besteht es aus einem Traumrest, der im Alltagsbewusstsein fortwirkt. Oder es manifestiert sich durch eine reale Erfahrung, die ein großes Echo in einem hervorruft. Es sind solche Erlebnisse, mit denen sich das Verdrängte schließlich zwangsläufig artikuliert. Wir können entweder an solchen Erlebnissen und ihrer symbolischen Bedeutung wachsen, in dem wir uns bewusst mit der möglichen Bedeutung auseinander setzen. Oder wir verdrängen diese Nachrichten, was dazu führt, dass sie uns im verzerrten Zustand nur noch stärker verfolgen. Zumeist führt ein hartnäckiges Verdrängen solcher Hinweise aus dem Unterbewusstsein zu Verzweiflung, Irrsinn, Verbrechen und Verderben. Solche Formen des Niederganges erleben auch Kulturen. Und zwar immer dann, wenn sie sich um Symbole zu konstituieren beginnen, die das Verdrängen, Beschuldigen oder Ignorieren zum Wesen eines kollektiven Seins erheben. Wir haben es hier mit einer grundlegenden Psychodynamik zu tun, über die die Symbole all unser Dasein steuern. Einer Psychodynamik, die das Dasein in all seinen Formen im Gleichgewicht hält und gleichzeitig dafür sorgt, dass wir zurückfallen oder uns weiter entwickeln. Solange wir uns nicht die Wirkungsweisen von Symbolen bewusst machen, leben wir angetrieben von verdrängten Bildern und unbewusst gesteuert von einer äußeren Kultur. Viele unserer Handlungen sind unbewusst Ausdruck tief sitzender Ängste, Schuldgefühle und undurchsichtigen Verlangens. Über die Wirkungsweisen der Symbole sind wir mit unseren Mitmenschen und allen anderen Formen des Seins bewusst oder unbewusst verbunden. Nur indem uns diese Wirkungsweisen bewusst werden, können wir also unsere Einheit mit allem erkennen und auch aufhören angstgesteuert zu leben. Unser Gruppenverhalten in einer Kultur der Kommerzialisierung wird über Bilder gesteuert, die nicht diese Einheit mit allem betonen, sondern Unterschiede, über die man sich gegenüber anderen einen Vorteil erhofft. Kinder werden in so einer Kultur durch Bilder von Superhelden auf der Unterwäsche und einem Clownsgesicht auf der Fast-Food Verpackung in einen Machtkampf im Sinne des Profitstrebens der Märkte verwickelt. Besonders die Verbindung von Geschlechtsorganen und Nahrungsaufnahme mit Warensymbolen sowie mit Markenzeichen bringt eine vollständige unbewusste Ausrichtung im Sinne der Warenwelt hervor. Diese Warenwelt schiebt sich dann zwischen die Menschen und deren Wahrnehmung der Wirklichkeit. Da Kinder wiederum eine symbolische emotionale Wirkung auf ihre Eltern haben, bilden deren Wünsche auch zumeist den Antrieb hinter deren Konsumverhalten. Über diesen Prozess der Verbindung von Bedürfnissen mit in die Leere laufenden Symbolen der Unterscheidung, werden die imaginären Freiräume durch ein reines Konsumversprechen belegt und so die geistige Dimension offenbar aus dem Alltagsleben restlos herausgefiltert. Denn wenn Menschen schon von Kindheit an darauf konditioniert werden sich mit den Bildern kommerzialisierter Massenproduktion zu identifizieren, sehen sie sich schließlich selbst und andere Kinder und Erwachsene nur noch im Lichte solcher Konsumwerte. Ihre Vorstellungswelt wird, gegen ihren Willen, von den untergründigen Mechanismen des Profitstreben und der Selbstvermarktung angetrieben. Alles wird im Rahmen der Käuflichkeit oder Verkäuflichkeit mit Sinn erfüllt. Die Gesten, die Blicke und die Sprache sind dann ganz auf eine entsprechende Sinnproduktion ausgereichtet. In einem solchen Zustand tritt man dann nicht mehr direkt miteinander in Beziehung, sondern jeder Austausch erfolgt nur noch mehr oder weniger über das Aufzählen von dem was man mit Geld gemacht, mit Geld gekauft oder über Geld erfahren hat. Vielleicht zeigt man sich gegenseitig auf neuen teuren Geräten Bilder von im Urlaub gekauften Gegenständen oder gemieteten Fahrzeugen. Wer nicht mithalten kann oder mitmachen will fällt ganz einfach aus dem Wahrnehmungsraster. Ein Raster, das heißt: Reich werden, indem man mit dem symbolischen Wert einer Sache in Bezug auf seinen Warenwert spekuliert. Die Kommerzialisierung unterwirft auf diese Art alles einem trickreichen Austausch symbolischer Gedanken mit dem Ziel der Bereicherung.

Mainstream-Medien

Die Auffassung es handle sich bei sogenannten Unterhaltungsfilmen nur um Unterhaltung, bedarf einer gründlichen Überprüfung zu Zeiten der allgemeinen Meinungs- und Mythenmanipulation. Die Mainstream-Medien gehören dem Finanz- und Versicherungssektor. Wichtige gesellschaftliche Botschaften werden durch Filme und Fernsehserien regelrecht beworben, um so, in Emotionen verpackt, Inhalte direkt in das Unterbewusstsein der Massen zu transportieren. Wie das vor sich geht, wollen wir uns einmal exemplarisch an Hand des Beispiels einer firmenübergreifenden Kampagne verdeutlichen, die gezielt so breit angelegt ist, dass sie gleichzeitig alle Altersgruppen und soziale Schichten erreicht. Mit Game- und Talk Shows, Filmen und anderen Formaten wird versucht, wie wir sehen werden, gezielt die Sicht auf Werte und Moral in einer Gesellschaft zu formen. Wir sollen bereitwillig von den Medien uns programmieren lassen, so dass wir davon abgelenkt sind uns für die wahren Hintergründe des Weltgeschehens zu interessieren. Durch die folgenden Ausführungen wird deutlicher werden, warum die Art, wie in den Medien über Film und Kunst berichtet wird, das momentan wackelnde Weltbild versucht noch zu stützen, denn durch solche Berichte werden selbst wieder nur Meinungen gezielt plaziert und eben nicht zum tieferen selbstständigen Nachdenken über das System an sich aufgefordert. Zum Besitz einer Machtelite gehört die Aufmerksamkeit eines Massenpublikums gesteuert über die Deutungshoheit von Wahrheit. Dies auf eine subtile, geschickte Weise, so dass die direkte Dominanz nicht offen zu Tage tritt, da die Meinungsführung über viele Quellen gestreut wird und sich einem ganzen Bündel wirksamer Mittel bedient. Die Entscheidungsfähigkeit der Menschen wird durch solche mediale Mittel weichgespült, indem immer gleichzeitig widersprüchliche Version gezielt angeboten werden. Das Ergebnis soll nichts anderes sein als völlige Orientierungslosigkeit, denn wer orientierungslos ist, ist bereit seine Macht selbst an offensichtlich korrupte Politiker abzugeben. Die Machtelite denkt dabei zweifellos nicht in moralischen Dimensionen. Im Grunde misstraut sie der Freiheit, die sie für sich selbst in Anspruch nimmt.

Disney Idol-Marketing

In der Einganshalle der Gebrüder Grimm Bibliothek der Humboldt Universität steht die Tage ein riesiges Werbeplakat für „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“. Die Studenten sollen sich bei einem Gewinnspiel anmelden, um Karten für den Film gewinnen zu können. Nicht weit davon, im Sony Center am Potsdamer Platz Berlin: Eine andere Veranstaltung bei der sich die Kommerz-Kultur selbst beschreibt als stagnierende mit repressiven Gesicht und dabei ein Stück weiter zu Grabe trägt: Die Deutschland-Premiere des Films „Spring Breakers“ von einem Privatsender medial ausgeschlachtet als Event bei dem auch – neben der sich ausfragen lassenden B und C Prominenz – die Gäste, wenn sie bereit sind sich dem Programmschema zu fügen, selbst für Augenblicke zu Stars werden können. (Das Reality-Fernsehen sucht ständig wie süchtig nach Kandidaten.) In dem mit all diesem Aufwand der Vermarktung präsentierten Film geht es nun aber eben selbst um das Einfügen in die sinnentleerte Kultur der Selbstdarstellung, des Geldes, der Gewalt und des Pop durch vier junge Studentinnen und deren Höllenfahrt als Ergebnis davon. Es ist eine Grenze überschritten und jenseits dieser gibt es nur noch eine Leere, die an diesem Abend auf dem roten Teppich sichtbar an den eingeflogenen alternden Teeniestars vom Disney Channel nagt. Auf diese Leere sollen wir über das Disney Idol-Marketing dressiert werden, um der möglichst vollständigen Anpassung des Subjekts an die Autorität der Ökonomie und ihrer medial vorgelebten Sozialrealität gerecht werden zu können, in der jede Art von Gemeinschaft, die nicht nach Casting-Show-Gesetzen funktioniert, als unwirklich und parasitär angesehen wird.

Florida Rapper vom Typ Dangerous

James Franco, selbst nicht anwesend, spielt in „Spring Breakers“ einen Florida Rapper vom Typ Dangerous, der vier Studentinnen zur dunklen Seite zu verführen versucht – wobei sich am Ende herausstellt, dass zwei von denen noch abgebrühter sind als er, der sich selbst als die Ausgeburt des Bösen feiert, aufgewachsen als einziger Weißer in einem schwarzen Getto als Kind ohne sorgende Familie. Das weibliche Prinzip der unschuldigen Verführung siegt über das männliche Streben nach Macht und Skrupellosigkeit. Im Lande Oz ist nichts so wie es scheint. Dorothy ist auf den ersten Blick ein harmloses kleines Mädchen, aber schliesslich ist sie es, die die bösen Hexen des Osten und des Westens tötet. Und die eine dieser Hexen ist in „Spring Breakers“ ein farbiger Rapper, die andere ein weisser Rapper. Dieser singt am Klavier in einer Szene Britney Spears – und das zeigt dann nicht nur seine weiche Seite, sondern auch, dass er durch und durch Produkt einer kommerzialisierten unauthentischen Selbststilisierung ist, die sich in indoktrinierenden Gesten verliert: Nicht einmal die Verkommenheit ist hier mehr echt. James Franco ist auch demnächst in einer der zwei grossen Hollywood-Disney Filme zu sehen, die Millionen von Zuschauer im Jahre 2013 weltweit zurück zur Emerald City aus Frank L. Baums „The Wonderful Wizard of Oz“ führen werden. Baum hatte mit diesem Buch am Anfang des 20. Jahrhunderts einen modernen Mythos geschaffen, der potentiell ein neues selbstbewussteres Menschenbild transportiert. Nun wird allerdings dieser Mythos zur Zeit subtil umgedeutet vor unseren Augen. Wie viele Märchen verdeutlicht dieser Mythos im Orginal die Kraft der Erkenntnis und der Befreiung zum wahren Leben, durch das Bestehen bestimmter innerer und äusserer Prüfungen. Dieser Mythos wurde schon oft verfilmt und verfälscht, die erfolgreichste Fassung ist das weltbekannte Filmmusical mit dem Kinderstar Judy Garland als Dorothy. Der eine Teil der Neuverfilmungen, der weibliche sozusagen, trägt so nun auch den Titel „Dorothy of Oz“, eine animierte Version, die mehr der traditionellen Storyline folgt und zeigt wie Dorothy auf einer symbolischen Reise erwachsen wird sowie eine spirituelle Verwandlung erfährt, indem sie lernt das Böse zu besiegen, welches ständig versucht uns alle im Bann zu halten. Der männliche Teil trägt den Titel „Oz: The great and Powerful“. Dieser Film ist als Prequel von „The Wonderful Wizard of Oz“ angelegt, und erzählt die Geschichte wie der Zauberer (gespielt von James Franco) überhaupt nach Oz kam. Die Moral, welche die ursprüngliche Geschichte des Wizard of Oz übermittelt lautet: Wir können uns nur auf uns selbst verlassen, denn nur in unserem Innersten ist die Kraft zu finden die uns retten kann. Alle unüberprüften äußeren Doktrinen sind nur ein böser Zauber, der uns von der eigentlichen Realität abhält.

Gründungsmythos der modernen amerikanischen Gesellschaft

„Spring Breakers“, dessen Autor und Regisseur Harmony Korine mit 19 Jahren das vor genau 19 Jahren für die Darstellung der Teenager-Culture wegbereitende Drehbuch für den Film „Kids“ schrieb, über die Haltlosigkeit und Korruption der Träume von heutigen amerikanischen Jugendlichen, bedient sich einer gezielt paradoxen Strategie, in dem er Stars wie Selena Gomez, Vanessa Hudgens und Ashley Benson – die eigentlich angeblich eine Fanbase aus 12 jährigen kreischenden Mädchen haben (von denen auch tatsächlich wie bestellt einige in der kalten Berliner Premierennacht über Stunden für die Fernsehkameras wartend aushalten) – als potentiell unschuldige Monster mit Pussy-Riot Wollmasken anrücken lässt. Das Spears, wie auch Gomez und Hudgens, in der Disney-Welt einst ihre Karriere startete und alle sich hier zusammen im Abgrund fataler, fehlgeleiteter Teenie-Fantasien nun so wieder treffen, kann ja eigentlich nur ein Menetekel sein. Selena Gomez, die im Jahre 2009 zur jüngsten UNICEF-Botschafterin ernannt wurde, spielt Faith, die von ihren drei Bitch-Freundinnen (eine ungekehrte Analogie zu den drei Begleitern von Dorothy, die jetzt gleichzeitig die drei bösen Hexen sind) und dem Gangster Rapper (eine ungekehrte Analogie zum Zauberer von Oz) eine Glaubensprüfung vorgesetzt bekommt. Von ihr könnte tatsächlich die tiefeste Einsicht stammen, die im Film – der sich trancehaft über Wiederholungsschleifen in das Gehirn der Zuschauer wie eine Droge einzufressen versucht – geäußert wird: „Das Geheimnis des Lebens ist es einfach ein guter Mensch zu sein.“ Bereits David Lynch hatte mit „Wild at Heart“ (1990) eine Gegenwartsreflexion anhand des Gründungsmythos der modernen amerikanischen Gesellschaft – dem vom Zauberer von Oz – vorgelegt, indem es ebenfalls um die Aufhebung der Gegensätze ging: Die Liebe in der Hölle zu entdecken. Korine hat, wie seinerzeit Lynch, keinen weiteren Mainstream Film gedreht, sondern ein Kuckucksei ins Nest der Mainstreamwelt platziert, welches dieser ihr wahres Gesicht vorführen soll. Das funktioniert stellenweise, etwa wenn Korines Kamera nur soviel zeigt wie notwendig um sich nicht in unnötigen Blut- und Sexdarstellungen zu verlieren. So filmt Korine zum Beispiel einen ersten raffinierten nächtlichen Überfall der Mädchengang auf einen Fastfood Laden aus einem Auto, welches um das Gebäude kreist. Wir betrachten als Zuschauer durch die Augen der Komplizinnen und sehen die Welt mit dem realistischen Abstand der Mittäter. Auch wir sitzen in der Falle, sind Gefangene der unkontrollierbaren Filmhandlung geworden, aus der wir nicht mehr aussteigen ko?nnen: Wir sind Teil der wahsinnigen Logik einer Fiktion geworden, die auf uns übertragen wird.

Cinema Verité?

In seiner “Minnesota Declaration” kam der deutsche Filmemacher Werner Herzog, ein ausgesprochener Befürworter der Ästhetik der Filme von Korine, auf den Unterschied zwischen Fakten und der Wahrheit im sogenannten Cinema Verité zu sprechen, das nach ihm frei sei von Wahrheit, denn es suche nur nach einer oberflächlichen Art von Wahrheit, der Wahrheit von Angestellten. Nach Herzog verwechselt das Cinema Verité Tatsachen mit Wahrheiten. Fakten bringen nur Normen hervor, wohingegen die Wahrheit erleuchtet. Die tiefere Wahrheit, die nach Herzog das Kino zu bieten hat, ist eine Art von poetischer Wahrheit, die geheimnisvoll und flüchtig ist und nur entsteht durch die Kraft der Imagination und die der Formgebung. Nach Herzog sind die meisten Filmemacher wie Touristen, denen es schon reicht Fotografien von Ruinen zu machen. Doch Tourismus ist eine Sünde, wohingegen zu Fuß zu gehen eine Tugend darstellt. Korine zeigt in „Spring Breakers“ dementsprechend Florida (das andere Wunderland Oz, das andere Samsara – ein einziger großer Schwindel) als Sackgasse aller fehlgeleiteten Vorstellungen von Tourismus. Er folgt damit der Rolle von Kunst als Provokation neuer Selbstbeschreibungen der Gesellschaft. Die Idee des Spring Breaks ist es ja einmal im Leben, und wenn auch nur für kurze Zeit, zum Touristen des eignen Lebens zu werden, um so eine falsche profane Erleuchtung zumindest in der totalen Ausschweifung zu erhaschen. Als Satire jeder Fetischisierung von Tourismus, Partys, Sex und Gewalt, sabotiert der Film von Korine sich selbst. Was er aber trotzdem dabei aufdeckt – wenn wir ihn lesen als ein Werk der nun beginnenden reflexiv werdenen ganzheitlichen Epoche – ist die unendliche Ödnis der Freiheit um der Freiheits willen, Ausdruck einer Kultur, die so abgestorben ist, dass ein Trip nach Florida einzig noch Rettung verspricht aus der perspektivlosen Trübnis von Menschen, deren Bildungs- und Glaubenssystem keine Anhaltspunkte mehr für sie bietet.

American Dream

Aber was ist so falsch gelaufen mit dem American Dream, den derweil unsere Medienanstalten weiter geschlossen propagieren? Es gab eine Zeit vor der Propaganda von Kommerzialisierung und Gier: Um 1860 war der amerikanische Traum noch ausgerichtet auf das Ziel genug für sich und seine Familie zu erwirtschaften damit man gut davon leben konnte (competency). Die Einsicht herrschte allgemein damals vor, dass eigener übermässiger Reichtum gleichzeitig auch Armut notwendigerweise bei den Mitbürgern erzeugen muss. Erst gegen 1890 änderte sich dies grundlegend. Heute kontrollieren die Top 1 Prozent ungefähr 42 % des Geldes des Landes, während die ärmeren 80 Prozent nur 5 % des Geldes kontrollieren. 62 % der US- Amerikaner sagen dementsprechend gegenwärtig auch die grossen Unternehmen seien alle korrupt und nur noch 20 % vertrauen den Banken. Wieviele Menschen haben noch Vertrauen in eine Filmindustrie die gezielt Gewalt propagiert? In den USA und anderswo haben wir heute einen diskreditierten Staat und einen Haufen von der Leine gelassener Privatunternehmen, die sich allseitig profitgierig nicht ums Gemeinwohl mehr sorgen. Eingeschlossen in diese Struktur ist die Film- und Medienindustrie. „Spring Breakers“ artikuliert in dieser Situation eine These: Selbst die Drogen, das Geld und die Party reichen nicht mehr aus, um für die innere Verzweiflung dieser Zustände eine Erleichterung zu verschaffen. Die Verfallenheit des ganzen Betriebs, nach den Regeln männlicher Gewalt und gegenseitiger Ausbeutung, kann nur durch eine List, die diese Verfallenheit nach ihren eigenen Regeln zur Strecke bringt, überwunden werden. Diese These ist natürlich eine bewusste Provokation, eine nervöse und chaotische Form der Kommunikation, die es aber wohlmöglich der Gesellschaft erlaubt, auf ihre eigene Evolution zu reagieren. Denn diese These hält der Gesellschaft einen verzerrenden Vergrößerungsspiegel vor, der quasi der Rolle gerecht wird zur notwendigen gesellschaftlichen Reflexion zu bewegen.

Jenseits der Massenkultur

Was wäre da eine ergänzende These, die sich nicht provokativ-manipulativ der Spirale der Gewalt ergibt – und die wolmöglich nur aus der Verstörung und Trauer einer Figur wie der von Faith erwachsen kann? Der Philosoph Stanley Cavell schrieb in seinem Buch „The World Viewed“ über die Onthologie des Kinos, dass Filme dazu beitragen eine Suche nach einer neuen Form des Lebens herauszufordern, welche die Entfremdung (von der Natur, von anderen Menschen, von uns selbst) überwinden kann, die eine Bedingung unserer Existenz seit Beginn der Moderne ist. Nach Cavell ist die Art und Weise wie Filme unser Leben darstellen getragen von dem Wunsch in unseren Seelen, nach einer radikal transformierten mehr ganzheitlichen und bedeutungsvolleren Form des Lebens. Film als Medium ist, nach Cavell, für die Vorbereitung einer solche Verwandlung unseres Lebens geeignet, da er nicht im vorhinein den Ausdrucksspielraum des Menschen begrenzt. Kunst als offenes Reflexionssystem, welches sich ständig selbst negiert und so erweitert, bietet den Zugang zu einem Bewusstsein, von dem aus Veränderungen als notwendig erkannt werden können. Der so genannte american dream der Demokratie hat zwei Seiten: Die eine Seite steht für grenzenloses Konsumversprechen und maximale Freiheit des Einzelnen. Die andere Seite hat Stanley Clavell beschrieben als ein Bewusstwerdungsprozess, welchen die Nation auf der Bühne eines mythischen Experiments – eines Theaters der Selbstverwirklichung – durchläuft. Symbolischer Ausdruck hiervon ist die Unterzeichnung der Verfassung in Philadelphia, die die Gründerväter als Repräsentanten des Volkes vornahmen. Insofern ist die USA symbolisch mit einem Versprechen verbunden, welches sie dabei ist für uns alle einzulösen. Clavell gelingt es von diesem Standpunkt aus die Natur des Mainstream-Kinos von Hollywood zu entdecken. Und zwar als Denkraum, in dem die amerikanische Kultur versucht über sich selbst zu reflektieren und sich so der Erfüllung des Versprechens vergewissert: Der authentischen Selbstverwirklichung als Nation. Dafür müssen das Kino, seine Helden und wir selbst als Publikum immer wieder eintauchen in Ängste und Wünsche, um dann diese nach Verlassen der Filmwelt gemeinsam zu reflektieren. Als Traummaschine wahrt aber jeder Film zugleich auch ein Teil des Geheimnisses, welches er vorgibt preiszugeben. So wird durch das Kino in uns das Bedürfnis geweckt, sich immer wieder diesem doppelten Spiel auszusetzen, ohne gleich ans Ziel zu gelangen. Filme bieten uns so betrachtet Fantasieszenarien, die nichts anderes sind als Sackgassen. Sackgassen, in die uns die Energie des Pathos hinein lockt. Eine Energie, die in den Symbolen, die ein Film verwendet, gespeichert ist, und die mit den in uns gespeicherten Wünschen und Sehnsüchten in Resonanz tritt. Hollywood-Filme halten uns so zumeinst eher gezielt in unserem Narzissmus gefangen, statt uns von ihm zu befreien. In einem Essay über diese international gefeierte Fernsehserie „The Wire“ stellte Fredric Jameson fest, wie sehr in der heutigen Zeit vormals unüberbrückbare Unterscheidungen im Zusammenleben dabei sind sich aufzulösen. Mit dieser Auflösung verändern sich aber auch unsere Wahrnehmungsmuster. Im Zuge dieser Auflösung verschwindet unsere gewohnte Art Wirklichkeit zu begreifen, die uns von den Medien an Hand von narrativen Strukturen antrainiert wurde. Diese Art war bisher davon geprägt, dass wir in Kunst und Kultur zumeist melodramatische Plots vorgesetzt bekamen und diese unbewusst im Privatleben reproduzierten. Der Medienapparat der letzten Jahrzehnte zeichnete sich durch eine Einseitigkeit, Ignoranz und Blindheit in der Darstellung von Konfliktthemen aus. Zum Beispiel auch dadurch, dass gewisse Strategien des Teile und Herrsche sowie infantile emotionale Abhängigkeiten für die Masse immer wieder aufbereitet wurden. Eine andere Strategie der Medien bestand darin, den Schmutz unter den Teppich zu kehren, mit der Argumentation es sei unmöglich die komplexen sozialen Zusammenhänge medientauglich darstellen zu können. Was wir bisher gemeinhin Massenkultur nannten, ist vor allem ein Effekt des allgegenwärtigen melodramatischen Plots gewesen. Wenn wir jetzt lernen unsere Geschichten auf andere, unmittelbare Weise zu erzählen, werden wir von dieser Massenkultur zu einer Kultur der Zusammenarbeit übergehen können. Einer Kultur, in der Menschen und Gruppen untereinander verständnisvoll und intelligent kooperieren. In solchen Gruppen kann dann jeder Mensch, in seiner Einzigartigkeit und seinen Qualitäten, sein spezielles Potential entfalten und einbringen. So erkennt sich der Mensch als unersetzbar und in seiner geistigen Dimension als vollwertige Individualität. Indem die Menschen lernen mehr aufeinander zuzugehen, werden die individuellen Unterschiede in ihrer ganzen Bedeutung erst aufblühen.

Check Also

Rollentausch – Altersheim statt Gefängnis und Gefängnis statt Altersheim

            Wenn Straftäter statt ins Gefängnis ein Altersheim eingewiesen würden… …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert