Donnerstag , 28 März 2024
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Von der Feudal- zur Kapitalherrschaft

rothschild property waddensdonDer demokratisierte Mensch ist frei. Jahrhunderte, Jahrtausende der Versklavung und Unterdrückung sind vorüber. Endlich. Hier und jetzt. Früher einmal, da wurden die Massen von den wenigen adeligen Herrschern ausgebeutet, finanzierten deren Luxusleben in Schlössern und Palästen. Was für ein ungerechtes Schreckensbild, das die Geschichte da zeigt! Wie verblendet muss der Mensch doch sein, tatsächlich zu glauben, dass die Welt heute wirklich anders aussieht? Bloß Namen und Begriffe haben sich geändert. Und vielleicht ist auch die einstige Transparenz verschwunden. Der Fürst, der Landesherr, stand einst in vorderster Linie. Heute heißt er Banker, Investor, zieht die Fäden aus dem Hintergrund – und genießt denselben Luxus und dieselbe Macht wie der Feudalherrscher der Vergangenheit.

Es waren eigentlich Recherchen über die Veränderungen in Tibet, vor und nach dem Einfall der Chinesen, die mich zum Weiterdenken anregten. Im Westen hören wir meist nur die Stimmen des Dalai Lama und einiger Mönche. Doch wie steht es um die Situation des gemeinen Volkes, jener 80%, die weder der herrschenden Klasse noch jener der nun so unzufriedenen Mönche angehörte?

Es gibt Dokumentationen aus China. Sie zeigen alte Aufnahmen in schwarz-weiß, von Bauern mit gequälten Mienen beim Bearbeiten des Bodens. Dann erfolgte die Befreiung. Und man zeigt strahlende Gesichter, natürlich in Farbe, vor den Maschinen in chinesischen Fabriken.

Im Februar 2010, anlässlich eines Besuches des Dalai Lama beim US-Präsidenten, ließ sich der ansonsten objektive Journalist Webster Tarpley bei Russia Today zu sonderbaren Äußerungen hinreißen. Er verglich die traditionelle Situation Tibets nicht nur mit einer „Hölle auf Erden“, sondern auch mit den „Dark Ages“, dem „finsteren Mittelalter“ in Europa. Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung genossen Luxus, drei bis vier Prozent bezeichnete er als Mittelschicht, und der Rest litt unter Armut und Unterdrückung.

Ich will dieses Geschichtsbild, diese Annahme, dass bis zur Demokratisierung der westlichen Welt das Dasein der überwiegenden Mehrheit der Menschen durch Mangel und Not überschattet war, jetzt in keiner Form korrigieren. Ich möchte mich jedoch mit der Frage auseinandersetzen, was sich daran so sehr geändert haben soll. Von Oberflächlichkeiten wie mehr Wohnraum und Autos für jedermann, was auf technischen Weiterentwicklungen beruht, ebenso abgesehen wie von freier Berufswahl und dem Recht, Landesgrenzen jederzeit zu überschreiten. Verraten die Gesichter der Menschen, die ihr Leben in Fabriken verbringen, sich täglich durch U-Bahnschächte oder Verkehrsstaus quälen, wirklich Glück und Lebensqualität?

Stellen wir kurz einmal fest, worauf sich Macht und Vorherrschaft in erster Linie stützen. Worauf kann kein Mensch unter keinen Umständen verzichten? Auf Luft, Wasser und Nahrung. Um Nahrung zu produzieren, bedarf es entsprechender Anbauflächen. Dementsprechend handelte es sich über Jahrhunderte hinweg um ein Privileg, Grund zu besitzen. Dieses Besitzrecht wurde in Form von Lehen ausgewählten Personen übertragen. Dies bildete den Kern der Machtpyramide zu Zeiten der Feudalherrschaft. An unterster Stelle stand der Bauer, der den Boden bearbeitete und einen Teil der Ernte dem Grundherrn ablieferte. Dieser stand wiederum in Abhängigkeit zu seinem Landesherren. Und daneben fanden sich Hierarchien in der Verwaltung und in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, wie dem Handwerk oder dem Handel.

Auch wenn heutzutage Nahrung noch immer den ersten Rang unter allen Notwendigkeiten einnimmt, so wissen wir, dass es zwei Elemente sind, die über unsere Wirtschaft herrschen: Energie und Geldfluss! Und auch die Landwirtschaft, wie sie heute betrieben wird, kann auf beides nicht verzichten.

Was nützt es, regelmäßig den Zirkus von Wahlen, Parlamentssitzungen und all den politischen Hokuspokus zu praktizieren, wenn die Lebensgrundlage der Menschen von einer auserwählten Elite kontrolliert und gesteuert wird? Doch werfen wir erst einmal einen Blick auf die Gesellschaftsstruktur zu Zeiten der Feudalherrschaft und wie sie heute aussieht:

Es gab Könige und Fürsten, Herzöge und Grafen, Barone und Freiherren. Doch auch in der Masse des gemeinen Volkes fanden sich mehrere Schichten. Der Bauer stand im Rang höher als sein Knecht. Ein Handwerksmeister genoss mehr Ansehen als ein Gastwirt. Der Kammerdiener eines Grafen nahm einen höheren Rang ein als ein Laufbursche.

Heute gibt es einige Herrscher über Banken und Ölkonzerne, deren Namen selten Erwähnung finden. Dann gibt es die mittlerweile bereits legendäre Liste der Milliardäre bei Forbes, die auch dieses Jahr von Carlos Slim mit einem Privatvermögen von 69 Milliarden Dollar, gefolgt von Bill Gates und Warren Buffett, angeführt wird. Die Gesamtzahl der Milliardäre wird mit 1.226 angegeben. Im World Wealth Report, der im Vorjahr von Credit Suisse publiziert wurde, findet sich dann noch die Angabe, dass es weltweit 29.000 Menschen seien, die über mehr als 100 Millionen Dollar verfügten. Das Vermögen von 987.000 Menschen läge zwischen 10 und 100 Millionen, und alles zusammen soll es rund 30 Millionen Dollarmillionäre geben.

Und danach kommt der Rest, die Masse der Armen, die sich so gerne selbst als Mittelstand bezeichnet. Und natürlich zeigen sich auch in dieser Gruppe Hierarchien, trotz des weitverbreiteten Glaubens an eine klassenlose Gesellschaft.

Das ließe sich nicht vergleichen? Reiche verfügten schließlich über keine Privilegien mehr? Sie hätten keine Macht über uns, denn wir verwalten uns schließlich, repräsentiert durch demokratisch gewählte Politiker, selbst? Wir, die Bürger, sind ja schließlich keine Leibeigenen mehr. Wir dürfen selbst entscheiden. Wir dürfen unseren Beruf selbst auswählen. Wir können hart arbeiten, um vielleicht eines Tages selbst reich zu sein. Ja, lieber Leser, wenn wir wollen, dürfen wir weiter träumen.

Es wäre zu umfassend, den Übergang der Feudal- zur Kapitalherrschaft, der sich über gut hundert Jahre erstreckte, im Detail zu analysieren. Die Frage zu behandeln, warum das englische Königshaus, das insbesondere durch den Opiumhandel während des 19. Jahrhunderts den Eingang in die Riege der wirklich Reichen schaffte, das Haus Oranien-Nassau (Royal Shell), die norwegische Königsfamilie (eine Nebenlinie des Hauses Oldenburg, und Norwegen ist reich an Erdöl), in Amt und Würden bleiben durften, die Hohenzollern, die Habsburger oder die Wittelsbacher aber nicht zu den großen Spielern zu zählen scheinen. Mitglieder der erstgenannten Herrscherhäuser zeichnen sich jedenfalls durch ihre regelmäßige Teilnahme an den Bilderberger-Konferenzen aus.

rothschild property mentmore towersWer mögen nun die anderen wahren Herrscher sein, die mächtig genug sind, um ihre Namen vor der Öffentlichkeit weitgehend zu verbergen? Allgemein bekannt ist natürlich das Haus Rothschild, dessen Geschichte ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Dass Mitbesitzer der US-amerikanischen Zentralbank und unzähliger Geschäftsbanken es nicht in die Gruppe der Milliardäre geschafft haben sollten, diese Annahme ist natürlich lächerlich. Wirklich informierte Börseninsider schätzen das gesamte Familienvermögen auf mehrere Billionen – und dabei handelt es sich um keinen Schreibfehler. Die Besitzverhältnisse von Konzernen und Großbanken sind so verschachtelt, dass es absolut unmöglich ist, herauszufinden, wer tatsächlich die Besitzer sind. Auch das Verbergen von Vermögen in sogenannten „Wohltätigkeitsstiftungen“, die absolut nichts mit „Wohltätigkeit“ zu tun haben, gehört zu den Verschleierungsmechanismen.

Ein kleines Detail am Rande. So wie Mitglieder der adeligen Herrscherhäuser gelegentlich Intrigen zum Opfer fielen und liquidiert wurden, so fiel das ranghohe Familienmitglied Amschel Mayor James Rothschild im Jahr 1996 einem mysteriösen Selbstmord in einem Pariser Hotel zum Opfer. Nichts ist neu in der Geschichte.

Zweifellos zählen auch die Herrscherfamilien von Saudi Arabien und Katar zum Kreis der großen Spieler. Durch ihre Miteignerschaft an der Federal Reserve Bank lassen sich auch Spekulationen anstellen, dass Wahrburgs, Schiffs und Rockefellers der ersten Elite angehören müssten. Doch, wie erwähnt, unbestreitbare Nachweise zu erbringen scheitert daran, dass sich die Besitzverhältnisse jener Konzerne, die über Öl, andere Energieformen und vor allem das Bankenwesen herrschen, nicht nachvollziehen lassen.

Wir groß die Zahl jener ist, die über mehr Vermögen verfügen als Slim, Gates & Co, und deren politischer Einfluss dementsprechend größer ist, lässt sich nur schwer schätzen, sollte aber im unteren zweistelligen Bereich liegen. Es gab ja auch zu Zeiten der Feudalherrschaft wenige Könige und Fürsten, aber entsprechend mehr Herzöge und Grafen. So wie bei Forbes eine Zahl von 1.226 Milliardären genannt wird.

yacht lady mouraDas wäre also jene Gruppe, die sich leisten kann, Schlösser zu bewohnen, mit dem eigenen Jet zu reisen und denen jene Yachten gehören, die acht- und gar neunstellige Summen kosten. Menschen, für die wir der Pöbel sind, das Volk, die Arbeiter, die kontrolliert und ausgebeutet werden.

Wer gerade so über 20 oder 30 Millionen verfügt, zählt mit Sicherheit nicht zu den Menschen, die über Einfluss verfügen. Zweifellos reicht es aber für ein durchaus angenehmes Leben.

Doch nun werfen wir einen Blick auf das gemeine Bürgertum. Angestellte der gehobenen Management-Ebene, Advokaten, Chirurgen, Zahnärzte, das sind jene Berufsgruppen, die sich mit gewissem materiellen Wohlstand umgeben können, wenn auch unter der Voraussetzung, dass sie einen Großteil ihrer Zeit der Arbeit verschreiben. Auch Tischlermeister der Feudalzeit erfreuten sich eines gehobenen Status‘. Und gewiss ließe sich über jede einzelne Berufsgruppe das eine oder andere, positive wie negative, erzählen.

Doch halten wir uns vor Augen, woraus die vielen Freiheiten denn bestehen, derer wir uns heute erfreuen. Wie sehr unterscheidet sich unser Leben von dem unserer in Bescheidenheit lebenden Vorfahren? Wir sind keine Leibeigenen mehr? Wir dürfen selbst entscheiden, wie wir unser Leben verbringen? Nicht der Adel ist es, der heute über Vorrechte verfügt, sondern die Besitzenden. Und, wie wir alle wissen, in diesen Kreis vorzudringen, dazu reicht selten eine einzige Lebensspanne aus. Wenn der Großvater die Vorarbeit geleistet hat, der Vater mit Fleiß das Familienvermögen vergrößerte, dann könnte es sein, dass wir in der Position sind, den großen Schritt nach vorne zu tun. Doch selbst wenn wir 10.000 Euro im Monat verdienen, müssten wir über Jahrzehnte hinweg die Hälfte unseres Nettoeinkommens zur Seite legen, um auch nur über eine einzige Million zu verfügen.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass es sich ohne Vermögen nicht leben oder auch glücklich sein lässt. Ich bemühe mich einfach zu beleuchten, dass sich zwischen der ehemaligen Feudalherrschaft und den modernen Bedingungen nicht viel verändert hat. Und wenn, wie es Griechenland offensichtlich geworden ist, den ärmsten Bevölkerungsgruppen das Dasein weiter erschwert wird, um den privaten Finanzsektor zu befriedigen, was nutzt diesen Menschen ihre Freiheit? Können sie sich die Freiheit nehmen und ihre Heimat verlassen, ohne über die entsprechenden Mittel zu verfügen? Was nützt den mehr als zwölf Millionen Menschen, die in Deutschland unter der offiziellen Armutsgrenze leben, ihre Freiheit?

Zu leicht lassen sich die meisten von uns vom Zeitgeist mitreißen. Für wie wenige Menschen ist ihr Beruf wirklich erfüllend? Und trotzdem opfern auch die Anderen ihr halbes Leben, um das bisschen Geld zu verdienen, um sich das Notwendigste, das unverzichtbare Minimum zu leisten. Freiheit reicht immer nur so weit, wie sie sich finanzieren lässt.

Und warum darf sich heutzutage jeder ein Auto kaufen, meist durch kostspielige Fremdmittel finanziert? Wie sonst sollte die Autoindustrie Profite erwirtschaften? Wer würde den Ölmultis die Unmengen an Treibstoff sonst abkaufen? Wer würde am Straßenbau verdienen? Ist es im Interesse der Bürger, dass wir ständig mit Werbung bombardiert werden? Oder dient dies eher dazu, Unzufriedenheit und Konsumwünsche zu schaffen, um das Rad der Wirtschaft, die Machtbasis der Eliten, in Schwung zu halten?

working peopleAls immer mehr Maschinen erschaffen wurden, die eigentlich dazu hätten dienen können, dem Menschen die Arbeit abzunehmen oder zumindest zu erleichtern, wurde dieser in ein Konsumwesen verwandelt. Immer mehr Arbeit wird ihm abverlangt, und dafür darf er sich das Eine oder Andere auch kaufen. Was sonst sollte mit all den Gütern, die der Mensch produziert, denn geschehen? Nicht philanthropische Anwandlungen der Mächtigen brachten den scheinbaren Wohlstand der Massen mit sich, sondern der Wunsch nach Profit, mehr Reichtum und einer Ausweitung der Macht. An jeder Arbeitsstunde, die Sie leisten, verdient der Finanzsektor ebenso mit wie an jedem Euro, den Sie ausgeben.

Und wehe dem, der nicht bereit ist, bei diesem Spiel mitzumachen.

Sind all die technischen Errungenschaften deswegen entstanden, dass jeder Mensch fünf Tage der Woche mit Arbeit verschwendet? Und von Verschwendung spreche ich deswegen, weil die überwiegende Mehrzahl der Menschen keineswegs mit einer ausfüllenden Arbeit beschäftigt ist. Nur wer seinen Beruf auch dann ausüben würde, nachdem er einen Sechser im Lotto errät, der kann behaupten, seinen Beurf zu lieben. Ja, übrigens auch beim Lottospielen werden wir abgezockt. Denn nur die Hälfte der Einsätze wird an die Gewinner umverteilt. Der Rest wird abgezweigt. So funktionieren Monopole schließlich.

Schon im Vorjahr stellte Stefan Schneider eine Hochrechnung darüber ins Netz, wie viel dem Bürger von seinem Einkommen tatsächlich verbleibt. Wenn ein Arbeitgeber seiner Firma monatliche Kosten von 2.600 Euro verursacht, und wirklich alle Steuern und Abgaben respektiert werden, inklusive der bezahlten MWSt., KFZ-Steuer, Benzinsteuer und vieles mehr, dann kommen am unteren Ende der Rechnung kaum mehr als 700 Euro heraus. Und da gibt es wirklich Leute, die glauben, der Adel hätte unsere Vorfahren ausgebeutet und wir hätten uns von diesem Schicksal befreit?

Ich könnte gewiss noch endlose Beispiele anführen, die beleuchten, dass wir um nichts freier sind als das gemeine Volk unter den Feudalherren. Außer es ist uns tatsächlich so wichtig, dass wir uns die Plantage, auf der wir die Baumwolle pflücken, selbst auswählen dürfen. Doch was schreibe ich da: selbst auswählen? Jeder, der jemals nach einem Job gesucht hat, kann ein Lied davon singen, welche Anstrengungen es kostet, seine wertvolle Zeit gegen geringes Entgelt eintauschen zu dürfen.

Ich bin mir völlig bewusst, dass dieses Schicksal, rechtloses Geschöpf im Zeitalter der Kapitalherrschaft zu sein, wesentlich leichter zu ertragen ist, wenn man der Wahrheit nicht ins Auge sieht. Wenn man am Glauben festhält, dem Mittelstand anzugehören, weil es unter einem selbst ja noch Hartz-IV-Empfänger oder gar Bettler geben mag. Vergleiche mit Geschöpfen, denen es noch schlechter ergeht, scheinen dem eigenen Dasein mehr Qualität zu verleihen. Und deswegen geben wir uns ja auch so gerne dem Glauben hin, dass es uns allen heute besser erginge als unseren Vorfahren, die unter Knechtschaft litten, während nur der Adel Freiheit genoss.

Der Begriff „Humankapital“ hat sich nicht zufällig in unseren Sprachschatz eingeschlichen. Und Schaudern kommt mir über den Rücken, wenn ich bedenke, wie viel überschüssiges Humankapital zur Verfügung zu stehen scheint. Die Zukunft wird zeigen, was mit diesem geschehen soll.

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