Donnerstag , 28 März 2024
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Protestaktionen sind natürliche Grenzen gesetzt

lincoln_assassinationGeneralstreik in Griechenland. Das öffentliche Leben ist weitgehend lahmgelegt. Die Schlagzeile der FAZ trifft den Nagel auf den Kopf: „Kein Brot, kein Benzin“. Worin liegt der Sinn von Demonstrationen? In erster Linie geht es darum, unter Beweis zu stellen, dass eine bestimmte Anzahl von Bürgern mit einer Entwicklung oder einem Vorhaben nicht einverstanden ist; bereit ist, dafür auf die Straße zu gehen. Allerdings, durch massive Protestaktionen, Generalstreiks und Ausschreitungen, zu versuchen, Veränderungen zu erzwingen, scheitert an einem wesentlichen Punkt: Wir alle sind von der Infrastruktur, die wir auf diesem Wege lahm legen, abhängig.

Am vergangenen Samstag haben sich relativ wenige Menschen an den Kundgebungen gegen die Vorherrschaft des Finanzsektors beteiligt. In ganz Deutschland sollen es nicht mehr als 40.000 gewesen sein. Es wäre durchaus begrüßenswert gewesen, hätten mehr Bürger unter Beweis gestellt, dass sie endlich „die Nase voll“ haben. Dass sie verstehen, wie Finanzmechanismen nicht nur über die Realwirtschaft herrschen, sondern auch die Profite in Anspruch nehmen, die am Ende in undurchschaubaren Kanälen verschwinden. Jedes Jahr sind es Billionen, die ausschließlich für die Kapitalbereitstellung entrichtet werden. Ein wesentlicher Teil davon versickert völlig legal, meist mit Hilfe von Zweckgesellschaften, in Steueroasen. In Finanzzentren, wie Jersey, auf den Bahamas, den Kaiman-Inseln, den Jungferneininseln.  Dass es nicht mehr Leute waren, die sich bereit erklärten, sich diesen Protestaktionen anzuschließen, liegt mit Sicherheit daran, dass die meisten Menschen noch immer nicht verstehen, wie unser Geldsystem funktioniert. Henry Ford soll diesbezüglich schon geäußert haben, dass dies gut sei, ansonsten hätten wir die Revolution schon vor morgen früh.

Es scheint, in Griechenland könnte die Zahl derer, die zur Revolution bereit sind, zur kritischen Masse angewachsen sein. Gerne berichten Zeitungen darüber, wie gut sich’s die Griechen gehen lassen, Geschäfte „unter dem Tisch“ abschließen, hohe Renten kassieren, so wenig wie möglich arbeiten. Nun, für einige Leute mag dies ja durchaus zutreffen. Die überwiegende Mehrheit schlägt sich aber gerade so durch. Und dieser Mehrheit soll der Gürtel noch enger geschnallt werden, um die Zinsen für jene Schulden zu begleichen, von denen der Normalbürger niemals profitiert hatte. Der Fehler Griechenlands liegt nicht nur im Anschluss an die Eurozone, sondern die dortige Regierung beging schon vor vielen Jahrzehnten den selben Fehler wie alle anderen westlichen Staaten. Sie überließen die Geldschöpfung dem privaten Finanzsektor. Anstatt die eigene Währung selbst in Umlauf zu setzen, beschränken sich die Zentralbanken darauf, Banknoten zu drucken

Zur besseren Veranschaulichung. Die folgende Graphik zeigt den Anstieg der Euromenge von 1998 bis 2007. Die oberste Kurve bezieht sich auf die Geldmenge M3, die praktisch alle weltweit existierenden Euros, also Zentralbankgeld ebenso wie Buchgeld, einschließt. Die unterste Kurve (violett) zeigt den Umlauf von Banknoten und Münzen, also jene Menge, die tatsächlich von Zentralbanken ausgegeben wird. Hätten unsere Regierungen das Recht für sich in Anspruch genommen, alles Geld in Umlauf zu setzen, gäbe es keine Staatsschulden, keine Krise und keine Not.

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Und in Griechenland bräuchten die Menschen nicht gegen die Einsparungen zu demonstrieren. Doch, wie wir alle wissen, schon seit langem ziehen die Griechen immer wieder durch die Straßen. Bemühen sich, auf ihre Regierung Druck auszuüben. Wehren sich gegen Einsparungen, die insbesondere die ohnehin mittellosen Massen treffen.

Und nun weiteten sich die Proteste zum Generalstreik aus.

Doch was bringt das Einstellen jeglicher Aktivität mit sich? Die gesamte Infrastruktur wird lahmgelegt. An den Tankstellen gibt es keinen Treibstoff, in den Läden keine Lebensmittel. Unumstritten handelt es sich bei einem Generalstreik um das letzte Mittel des Volkes, gegen ein System zu protestieren. Doch vergleichen wir mit einem regulären Streik, der sich gegen ein bestimmtes Unternehmen richtet und, wie in den meisten Fällen, bessere Arbeitsbedingungen oder höher Löhne durchzusetzen versucht. Für den Betrieb stellt sich die Frage, was letztendlich weniger Unkosten mit sich bringt? Ein Nachgeben oder ein langfristiger Produktionsausfall? Einzelne Arbeitnehmer lassen sich im Handumdrehen ersetzen. Die gesamte Belegschaft zu erneuern, ist nicht mehr so einfach. Die Konsequenzen für die Streikenden beschränken sich auf den Verdienstausfall, sofern dieser nicht von der Gewerkschaft, zumindest teilweise, vergütet wird.

Bei einem Generalstreik fällt jedoch die Versorgung mit allen, auch lebensnotwendigen, Gütern aus. Erstreckt sich dieser über einen Tag, gut, dies bringt monetäre Verluste mit sich, führt aber zu keiner Tragödie. Doch wie lange ließe er sich fortsetzen?

Nehmen wir an, entscheidungsbefugte Politiker würden erkennen, dass nur eine Systemumstellung, also eine massive Reform der Geldpolitik, die Massen besänftigen würde. Nehmen wir an, entsprechende Schritte würden in die Wege geleitet werden. Was würde die „internationale Gemeinschaft“ dazu sagen? Würde diese erlauben, dass ein derartiges Beispiel Schule machen könnte?

Überlegen wir kurz einen wirklich radikalen Schritt: Verträge werden gebrochen. Es wird beschlossen, Schulden nicht mehr zu bezahlen. Banken werden verstaatlicht. Private Anleger, die ihre Ersparnisse in diese Bankaktien investiert haben, werden zwar befriedigt, doch das „internationale Kapital“ wird schlicht enteignet. Griechenland wäre schuldenfrei und würde ganz von vorne beginnen. Eine neue Wirtschaft könnte innerhalb der eigenen Grenzen aufgebaut werden. Importe könnten durch Zölle verteuert werden, dass es sich wieder lohnt, Fabriken im Land zu errichten. Es gäbe plötzlich genügend Arbeitsplätze. Es stünde zinsenloses Geld zur Verfügung. Die Krise wäre mit einem Schlag vorüber.

Was würde andere Staaten davon abhalten, ähnliche Maßnahmen zu setzen? Wie würde die Weltöffentlichkeit – und damit meine ich wirklich die Menschen, und nicht ihre herkömmlichen Denkapparate – reagieren, würde ihr die mögliche Lösung vor Augen geführt werden?

Nein, so etwas darf natürlich nicht passieren. Auch die slowakischen Politiker änderten im letzten Moment ihre Meinung und stimmten dem Rettungspaket zu – und Gerüchte sprechen davon, dass internationaler Druck dazu geführt haben könnte. Wenn man den Interviews, die in den Straßen durchgeführt wurden, Glauben schenken darf, so sprachen sich die Bewohner der Slowakei mehrheitlich dagegen aus.

Wie immer sich die Lage in Griechenland entwickeln wird, die „internationale Gemeinschaft“ wird es nicht zulassen, dass die einzig richtigen Maßnahmen gesetzt werden. Und wenn die Menschen nicht von selbst „zur Vernunft“ kommen, dann kann man sie schließlich einige Zeit hungern lassen. Man kann ihnen den Strom abschalten. Man kann die Wasserversorgung einstellen.

Im Jahr 1999 wurde, auf Betreiben der Weltbank, die Wasserversorgung der bolivianischen Stadt Cochabamba privatisiert. Die Kosten für Wasser stiegen sprunghaft an. Sogar das Einsammeln von Regenwasser wurde unter Strafe gestellt. Es folgten blutige Proteste, die als „Wasserkrieg“ in die Geschichte eingingen. In diesem Fall gaben die Autoritäten nach, denn international fand dieser Erfolg einer Bürgerbewegung herzlich wenig Beachtung. Doch, und darauf dürfen Sie Gift nehmen, die Macht des Finanzsektors ist zu weit fortgeschritten, um sie gewaltsam zu brechen.

Soll dies bedeuten, dass wir alle den Herren der Wall Street und der Londoner City und ihren Tentakeln in Frankfurt und Wien, in Zürich und in Athen hilflos ausgeliefert sind? Nicht unbedingt. Voraussetzung für eine vernünftige Gegenwehr ist jedoch die Aufklärung der Öffentlichkeit. Solange die überwiegende Mehrheit der Bürger kaum Interesse an den Machenschaften der Finanzmärkte zeigt, sich nicht einmal dafür interessiert, wo Geld herkommt, nicht hinterfragt, wie es möglich war, absolut unbezahlbare Schuldenberge anzuhäufen, sind effiziente Gegenmaßnahmen praktisch ausgeschlossen. Wer protestiert soll wissen, wogegen er sich auflehnt. Und er sollte auch wissen, welche Veränderungen er fordert.

Wir leben im sogenannten Informationszeitalter. Wenn bei einem Autorennen in Las Vegas ein spektakulärer Unfall passiert, wird weltweit innerhalb weniger Stunden über dieses Ereignis berichtet. Wenn Staaten ihr Münzrecht an private Bankiers abtreten, findet es die Öffentlichkeit allerdings nicht der Mühe wert, diesem Umstand Beachtung zu schenken. Man zahlt weiter Steuern, um die Zinsen für die Schulden zu begleichen, die nicht entstanden wären, hätten unsere Staaten das benötigte Geld selbst in Umlauf gesetzt. Ein Schritt, den übrigens Abraham Lincoln durch die legendären „Greenbacks“, einer vom Staat ausgegeben US-Währung, gesetzt hatte, die nach seiner mysteriösen Ermordung 1865 jedoch sofort wieder aus dem Verkehr gezogen wurden.

Wissen ist Macht, besagt ein altes Sprichwort. Die Menschen des 21. Jahrhunderts erachten sich als intelligent, als mündig und als entscheidungsfähig. Motivieren wir diese Menschen, das unübertroffen bedeutendste Wissen, wie unser Finanz- und damit das Wirtschaftssystem überhaupt funktioniert, zu erlangen. Unwissende Massen lassen sich jederzeit manipulieren. Eine informierte Bevölkerung darf auf Respekt bestehen. Darin liegt der Sinn von Demokratie und von freier Meinungsäußerung. Und sobald eine sogenannte „kritische Masse“ mit dem Spiel der Finanzwelt vertraut ist, lassen sich durchaus gezielte Gegenmaßnahmen setzen. Aktionen, die wesentlich effizienter und erfolgversprechender sind als bloß einen Generalstreik anzusagen, der letztendlich an dem Ast sägt, auf dem wir alle sitzen.

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