Freitag , 29 März 2024
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Bewohner einer japanischen Kleinstadt blieben der Strahlung ausgesetzt

fukushima_evacuation_zoneMinamisoma, eine Stadt an der Pazifikküste, 20 km von Fukushima entfernt, brauchte nicht evakuiert zu werden. Das erklärten die Behörden dem Bürgermeister, der letztendlich auf eigene Faust zu handeln begann. Nachdem rund 500.000 Menschen in der Region durch den Tsunami ihre Häuser und Wohnungen verloren, ist es nicht einfach, Unterkünfte für die 71.000 Bewohner von Minamisoma zu finden. Der Bürgermeister selbst beschloss, gleich dem Kapitän eines sinkenden Schiffes, die Stadt als Letzter zu verlassen. Von diesem Extremfall abgesehen, erhärtet sich immer mehr der Verdacht, dass die Gefahr der nuklearen Verseuchung deutlich unterbewertet wird.

Katsunobu Sakurai ist der Bürgermeister von Minamisoma, einer Kleinstadt mit 71.000 Bewohnern. Mehr als 1000 Menschen haben durch das Erdbeben der Stärke 9,0 vom 11 März bzw. durch den folgenden Tsunami ihr Leben verloren. Stunden später bemühte er sich, mit den Behörden Kontakt aufzunehmen. Kaum 20 km entfernt liegt das Kraftwerk von Fukushima. Musste die Stadt evakuiert werden?

Zuerst wurden seine Anrufe vom zuständigen Ministerium ignoriert. Als es ihm endlich gelang, mit einem Beamten zu sprechen, versicherte ihm dieser, dass für seine Stadt keinerlei Gefahr bestünde. Diese Information gab er den Bürgern weiter. Und sie vertrauten ihm.

Dann wurde die Evakuierung im Umkreis von 10 km angeordnet. Minamisoma befand sich außerhalb dieser Zone. Eine Erweiterung auf das Doppelte traf auf Minamisoma aber immer noch nicht zu, denn das Rathaus der Stadt befindet sich in einer Distanz von 25 km. Und selbst als die Evakuierung auf 30 km ausgedehnt wurden, sprachen sich Experten dafür aus, dass für Minamisoma keine Gefahr betünde. Als Angehörige des Militärstützpunktes Jieitat (der Regierung unterstellte zivile Verteidigung) plötzlich evakuiert wurden, setzten Katsunobu Sakurais Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Beschwichtigungen ein. Selbstverständlich entging auch den Bürgern seiner Stadt die Evakuierung von Jieitat nicht. Nachdem ihm von offizieller Seite noch immer keine Unterstützung geboten wurde, musst er sich mit lokalen Behörden in Verbindung setzen, um Unterkünfte für die 71.000 Bewohner von Minamisoma zu finden. Schulen, Gemeindesäle und andere Einrichtungen sind natürlich schon mit jenen Menschen restlos überfüllt, die durch den Tsunami ihrer Heimstätten beraubt wurden.

„Natürlich bin ich verärgert“, erklärte er gegenüber Mail-Online. „Zuerst wurde ich ignoriert und danach falsch informiert. Das Ergebnis ist, dass die Menschen hier zum Sterben zurück gelassen wurden. Aber ich war es, der den Leuten gesagt hat, dass es gefahrlos ist, hier zu bleiben. Und deswegen habe ich beschlossen, ich muss die Stadt als Letzter verlassen.“

Während die Medien weltweit über die Entwicklung in den Atomreaktoren von Fukushima berichten, gleichzeitig auch Bilder von Menschen präsentieren, deren Verstrahlung mit Geigerzählern gemessen wird, häufen sich die Erwähnungen, dass die Radioaktivität zwar erhöht, aber noch lange nicht gesundheitsgefährdend sei. Wie in amerikanischen Zeitungen berichtet wird, haben erhöhte Strahlungswerte mittlerweile sogar die Westküste der USA erreicht, allerdings – vorläufig scheint dies wirklich glaubhaft – ohne jegliche Gesundheitsgefährdung. Allerdings, von Fukushima sind es einige Tausend Kilometer bis zur Küste der Vereinigten Staaten. Wie hoch und wie gefährlich sind die Strahlenwerte in nächster Nähe? Im Großraum Tokyo, rund 300 km von Fukushima entfernt, leben 35 Millionen Menschen.

Ein in Japan lebender Franzose setzte vor zwei Tagen ein Video bei Youtube ein, in dem er sichtlich verärgert auf die Unterhaltungsshows im Fernsehen verweist, während das Land von einer unglaublichen Katastrophe heimgesucht wurde. Gleichzeitig klagt er darüber, dass, während alle gespannt auf Informationen bezüglich der Entwicklung in Fukushima warten, diese weitgehend unterbleiben. Natürlich, Japan ist eine Insel. Wohin sollen die Menschen fliehen, wenn sie sich der Situation bewusst werden? Die Botschaften in Tokyo werden langsam geräumt. Den Bürgern wird wohl nichts anderes übrig bleiben als geduldig abzuwarten, was das Schicksal für sie vorgesehen hat.

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