Freitag , 29 März 2024
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Angriff gegen die Pressefreiheit

Budapest_Parlament_CsrflyDie Medien der Welt zeigen sich empört – und das völlig zurecht. Ein demokratischer europäischer Staat, Mitglied der EU, führt die Zensur der Presse wieder ein. Die Entscheidung der ungarischen Regierung lässt Erinnerungen an die kommunistische Diktatur erwachen. Wurde in Budapest das Gulasch zu scharf gewürzt oder zu viel Barack Pálinka getrunken? Bei der Pressefreiheit handelt es sich um eine der größten Errungenschaften unserer demokratischen Welt. Lässt sich dieser Schritt auch nur irgendwie rechtfertigen? Ohne auf politische Gründe einzugehen, lohnt es sich jedoch, die gegebene Freiheit der Presse näher ins Auge zu fassen.

Ohne Zweifel ist es weder mir als Autor noch The Intelligence als Informationsportal möglich, staatliche Steuerung des Informationsflusses, auch wenn wir durch die neuen Regelungen in Ungarn nicht selbst betroffen sind, für gut zu heißen. Nachdem die neue Gesetzeslage im Reich der Magyaren jedoch seit Tagen für Schlagzeilen sorgt, die dortige Regierung gleichzeitig aber auch keinerlei Anzeichen zeigt, sich umstimmen zu lassen, wäre eigentlich der richtige Zeitpunkt gegeben, den Begriff der Pressefreiheit näher ins Auge zu fassen.

Wie wird dieser bei Wikipedia erklärt?

„Pressefreiheit bezeichnet das Recht von Rundfunk, Presse und anderen (etwa Online)-Medien auf freie Ausübung ihrer Tätigkeit, vor allem das unzensierte Veröffentlichen von Informationen und Meinungen. Die Pressefreiheit soll die freie Meinungsbildung gewährleisten.“

Wie allgemein bekannt und ebenso akzeptiert, unterliegt das Recht der freien Meinungsäußerung und somit auch die Informationsweitergabe gewissen Einschränkungen, um einzelnen Personen oder Unternehmen bis hin zur gesamten Öffentlichkeit nicht durch ungerechtfertigte, falsche, bösewillige oder fahrlässige Behauptungen zu schaden oder Gefährdungen zu provozieren. In den meisten Fällen sind diese rechtlichen Schranken auch durchaus willkommen. Wer würde begrüßen, von nationalsozialistischen Propaganda-Parolen überschwemmt zu werden? Wer würde mit Rechtfertigungen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit konfrontiert werden wollen? Ebenso ließe sich nicht wieder gut zu machender Schaden anrichten, wenn ungerechtfertigte Behauptungen, die sich gegen bestimmte Personen oder Unternehmen richten, den Weg in eine breite Öffentlichkeit fänden.

Ein gesondertes Problem entsteht, wenn bestimmte Informationen zwar der Wahrheit entsprechen, eine Veröffentlichung der Allgemeinheit letztendlich jedoch mehr Schaden als Nutzen bringen könnte. In diesen Bereich fällt die zur Zeit hochaktuelle Kritik gegen Wikileaks. Ein Artikel bei Die Welt erinnerte jedoch schon im Mai daran, dass ähnliche Vorfälle schon früher gegeben waren. So wird erwähnt, dass im Jahr 1962 die Staatsanwaltschaft den Spiegel an die Grenze des Ruins gebracht hatte, weil detaillierte Informationen über ein Nato-Manöver gedruckt wurden. Im Jahr 2005 wurde die Redaktion des Cicero-Magazins von den Behörden durchsucht und Unmengen von Material beschlagnahmt, nachdem Informationen aus einem Geheimpapier des Bundeskriminalamtes über ein angebliches Al-Kaida-Mitglied Veröffentlichung fanden. Es werden in diesem Artikel noch andere Beispiele angeführt, die in Summe als „schleichende Aushöhlung der Pressefreiheit“ bezeichnet werden.

Doch von diesen Punkten, die grundsätzlich rechtlichen Aspekten unterliegen, ganz abgesehen, zeigt sich ein Umstand, der zwar nichts mit Zensur im herkömmlichen Sinn zu tun hat, trotzdem aber dem Informationsverlangen der Öffentlichkeit widerspricht. Informationen zu sammeln und ohne nennenswerte staatliche Einschränkungen weiter zu geben ist zwar ein Recht der Presse, aber keine Pflicht. Als das anschaulichste aller möglichen Beispiele möchte ich diesbezüglich die, seit 1954 jährlich stattfindende, Bilderberger-Konferenz anführen, bei der sich regelmäßig mehr als hundert der einflussreichsten Menschen der westlichen Welt zusammenfinden. Leser von The Intelligence sind mit diesem Begriff vertraut. Doch wie viel Augenmerk schenkt der Rest der Medien? Es genügt, im Freundeskreis auf diese Bilderberger-Konferenz zu verweisen, und es wird offensichtlich, wie wenige Menschen diesen Begriff auch nur gehört haben. Gewiss, den Organisatoren sowie den Teilnehmern steht es natürlich zu, den Medien gegenüber Verschwiegenheit zu bewahren. Doch was hält die Übermittler von Nachrichten davon ab, zu recherchieren, Reporter und Kamerateams an den jeweiligen Veranstaltungsorten zu senden, und die Weltöffentlichkeit darüber zu informieren, dass sich namhafte Persönlichkeiten hinter verschlossenen Türen zusammen finden. Wie die vom Veranstalter selbst veröffentlichte Teilnehmerliste des jüngsten Treffens in Spanien zeigt, ist „namhaft“ dabei keinesfalls übertrieben. Unter den mehr als 100 Teilnehmern finden sich die Königinnen von Spanien und den Niederlanden, Henry Kissinger, Richard Perle, Josef Ackermann (Deutsche Bank), Dieter Zetsche (Daimler), Peter Sutherland (Goldman Sachs), Thomas Enders (Airbus SAS), Peter Löscher (Siemens) und Olaf Scholz (SPD), um nur einige zu nennen. Aus Österreich etwa reiste Bundespräsident Heinz Fischer ebenso an wie Zeitungsherausgeber Oscar Bronner.

Für das, von den Medien selbst beschlossene, Unterlassen einer Berichterstattung gibt es den Begriff der „Selbstzensur“. Was immer die Gründe dafür auch sein mögen, Interessen der Herausgeber oder Druck potenter Inserenten, kritischen Beobachtern ist seit langem bekannt, dass der Informationsfluss durch die sogenannten „Qualitätsmedien“ einer unübersehbaren Einseitigkeit unterliegt. Könnten wir davon ausgehen, dass Politik, Volk und Wirtschaft letztendlich am gleichen Strang ziehen, dass aller Interessen einer Verbesserung oder zumindest Erhaltung der Lebensqualität folgten, und ginge es um den Fortbestand dieser Harmonie, könnte diese Selbstzensur auf gewisses Verständnis stoßen. Doch insbesondere in Krisenzeiten wird deutlich – und nicht zum ersten Mal, wie die Geschichte zu berichten weiß – dass die Bestrebungen der Wirtschaftsmächte keineswegs mit denen der gemeinen Bürger übereinstimmen.

Das folgende Beispiel beleuchtet ein rein theoretisches Szenario und soll nicht in direktem Zusammenhang mit der politischen Situation in Ungarn verstanden werden: Wie ein Artikel bei The Intelligence näher erkärt, üben die Mechanismen des Banken- bzw. Wirtschaftssystems mehr Einfluss auf die jeweilige Politik demokratischer Länder aus als das wählende Volk. Gehen wir von der theoretischen Möglichkeit aus, dass die Bürger eines Landes sich für eine politische Führung aussprechen, die sich gegen eine mögliche Vorherrschaft der Wirtschaftsmächte, gegen ein Fortschreiten der Internationalisierung, gegen den Ausverkauf des Landes an ausländische Investoren stellt. Was könnte in so einem angenommenen Fall uneingeschränkte Pressefreiheit mit sich bringen? Wäre nicht zu erwarten, dass die Finanzmächte ihren Einfluss auf die Presse nützen könnten, um die Bevölkerung Schritt um Schritt gegen diese Regierung aufzubringen? Selbst wenn eine politische Führung mit besten Absichten ans Werk geht, so kann es ihr nicht gelingen, in kürzester Zeit merkliche Verbesserungen für die Bevölkerung zu produzieren. Ein vernünftiges Umorganisieren würde mehrere Jahre in Anspruch nehmen, insbesondere, wenn sich die Veränderungen auf ein einziges Land innerhalb einer Staatengemeinschaft beschränkten. Fände sich dieses Land nun einerseits mit internationalen Vorwürfen des Rückschritts und der Isolierung konfrontiert und gleichzeitig mit Medienkampagnen innerhalb des Landes, die jede Veränderung in negatives Licht zu rücken suchen, wie lange würde eine derartige Regierung überleben?

Es mag sein, dass sich die Mehrzahl der Leser und Fernsehzuseher für Mechanismen des Geld- und Wirtschaftswesens ohnehin nicht interessieren. Wie sonst wäre es möglich, dass nur ein kleiner Prozentsatz unserer Landsleute weiß, dass Geld zum überwiegenden Teil von Geschäfts- und nicht von Zentralbanken in Umlauf gesetzt wird? Wie sonst wäre es möglich, dass so viele Menschen die fortschreitende Verarmung der Bürger hinnehmen und gleichzeitig dem sagenhaften Anwachsen der Vermögen Einzelner keinerlei Beachtung schenken? Wieso nimmt seit Jahrzehnten jeder die voranschreitende Staatsverschuldung hin, unsere gewählten Politiker eingeschlossen, obwohl es einer simplen Rechnung entspricht, dass über ein gewisses Maß angewachsene öffentliche Schulden zum Ruin führen müssen? Wie kommt es, dass auch heutzutage, inmitten einer Krise, die wahren Ursachen noch immer nicht verstanden werden?

Im erklärenden Text von Wikipedia steht geschrieben: „Die Pressefreiheit soll die freie Meinungsbildung gewährleisten.“ Wäre die Zahl der Leser von The Intelligence und vergleichbaren Informationsportalen auch nur annähernd so groß wie die der seit langem etablierten Medien, wäre die „freie Meinungsbildung“ mit Sicherheit gewährleistet. Es hat sich aber nun einmal ergeben, dass große Zeitungen und Fernsehsender einen unverhältnismäßig größeren Einfluss auf die Meinungen der Massen ausüben als alternativen Informationsquellen. Davon auszugehen, dass dieses wichtige Instrument der Meinungsbildung außerhalb jeglicher Machtstruktur steht, ist bestenfalls eine Wunschvorstellung. Ob es willkommener ist, den Einfluss Wirtschaftsmächten zu überlassen, anstatt demokratisch gewählten Regierungen, ist eine Frage, die sich bestimmt nicht einfach beantworten lässt. Dass Regierungen Mittel zur Machtausübung missbrauchen können, lehrt uns die Geschichte. Ob das internationale Banken- und Konzernwesen ihre konzentrierte Macht zum Wohle der Menschheit einsetzt, ist eine Frage, die es noch zu beantworten gilt.

Fest steht jedenfalls, dass die Meldungen in den Medien ausnahmslos einer Kontrolle unterstehen, ungeachtet, ob durch staatliche oder durch Selbstzensur. Wird in einem Staat ein Gesetz beschlossen, das erlaubt, auf die Verbreitung von Nachrichten einen erweiterten Einfluss auszuüben, so lässt sich diese Situation nur dadurch beurteilen, zu wessen Gunsten bzw. zu wessen Nachteil dieser Einfluss geplant ist. Es gibt nämlich auf der ganzen Welt nur zwei Menschen, die sich nicht durch die Medien manipulieren lassen. Einer davon bin ich. Der andere sind Sie, lieber Leser! Was die Masse des Volkes betrifft, so wissen wir leider, dass sich diese nur all zu leicht in ihrer Meinungsbildung beeinflussen lässt. Und betrachten wir die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte, so bin ich nicht wirklich überzeugt, dass sich die gegebene Beeinflussung zu unser aller Nutzen erweisen wird.

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