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Pestizide: langsam aber systematisch werden wir ermordet

Das Ökosystem der Erde ist aus dem Gleichgewicht. Wie schwer die Natur bereits aufgrund des verantwortungslosen Einsatzes von Insektengift geschädigt wurde, belegt eine aktuelle Studie (November 2013), die Wissenschaftler der University of Colorado vorgelegten. Die Forscher ermittelten, dass jedes Jahr weltweit ein Prozent der Anbauflächen der Erosion zum Opfer fallen. In der Agrarwirtschaft eingesetzte Düngemittel vernichten wichtige Organismen im Boden. Dies kann zu globalen Hungersnöten führen – nicht nur in den Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch in der reichen westlichen Welt.

Was richten Pestizide auf den landwirtschaftlichen Anbauflächen an?

Foto: pixabay / OpenIcons
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Die US-Studie beruht auf DNA-Analysen, die nachweisen, wie massiv sich die Bakterienvielfalt auf Ackerböden verringert hat. Dafür verglichen die Forscher Erde von landwirtschaftlichen Anbauflächen mit solcher, die nicht von der Agrarwirtschaft ausgebeutet wird. Das Ergebnis ist erschreckend: Ackererde hat nach Aussage der Experten nur noch entfernt Ähnlichkeit mit natürlichen Böden. Um diese zu erhalten, sind Bodenmikroben unverzichtbar. Sie besitzen eine Schüsselrolle im gesamten ökologischen System. Deshalb muss der Einsatz von Düngemitteln dringend gestoppt werden, forderte Robert J. Scholes, der Autor der Studie „Dust Unto Dust„, in der britischen Online-Zeitung „The Telegraph„. Er nennt das Gemisch, das auf die Anbauflächen niedergeht, eine „Suppe von Nährstoffen„, die uns in einem falschen Gefühl der Sicherheit wiege.

Jedes Jahr geht ein Prozent Ackerfläche verloren – noch lassen sich gravierende Ernteausfälle aufgrund erodierter Böden mithilfe von Düngemitteln herauszögern. Doch die eklatante Störung des Ökosystems wird dadurch nicht beseitigt: Der Teufelskreis drehe sich weiter, bis irgendwann die Chemie nichts mehr nützen würde und der ausgelaugte Boden für immer verloren sei. Dies komme vor allem in Afrika besonders häufig vor. Der Kontinent ist von der Erosion der Ackerflächen besonders hart betroffen, und gerade von Afrika hängt das zukünftige landwirtschaftliche Wachstum ab. Dort haben sich jedoch als Folge des Bodenverlustes die Erträge bereits um acht Prozent verringert.

Wie könnte eine Trendwende in der Landwirtschaft aussehen?

Nachdrücklich appelliert Robert J. Scholes an die Verantwortlichen. Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass uns in den nächsten 30 bis 40 Jahren Lebensmittelknappheit bevorsteht, wenn nicht gar weltweite Hungersnot. Es gäbe keinerlei Freiheit mehr, weitere Fehler zu begehen. Um die Welt mit Nahrung zu versorgen, müsse ein komplett neuer Kurs eingeschlagen werden. Das heißt: Abkehr von industriell betriebenem Ackerbau, Hinwendung zur Produktion von Lebensmitteln, die den Menschen zugute kommen, in deren Ländern sie erzeugt werden.

Und: nachhaltige Beschneidung der Geschäfte von Großkonzernen, in deren Hand riesige Anteile der globalen Agrarwirtschaft liegen. Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass sich beispielsweise die internationale Saatgut-Industrie entmachten ließe und Großunternehmen auf den für sie höchst profitablen Einsatz von Pestiziden verzichten würden. Die einflussreichen Lobbyisten dieser Konzerne bei der EU oder in den Vereinigten Staaten wüssten eine solche Trendwende gewiss zu verhindern.

Begeht die mächtige Agrar-Lobby „Mord auf Raten“ mit Pestiziden?

Chemische Rückstände in Trinkwasser oder Tee, Brot oder Babybrei, die auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen sind, machen immer wieder Schlagzeilen. Dahinter stecken globale Marktführer in der Produktion von Pestiziden in den USA, in Deutschland und der Schweiz. Sie stellen das her, was als „Giftbrühe“ auf den Äckern der Welt landet und unsere Grundnahrungsmittel wie Getreideprodukte nach und nach ungenießbar macht. Wir können die Gefahr auf unserem Teller nicht sehen, aber dennoch sind Pestizide allgegenwärtig und in Tieren und Menschen nachzuweisen.

Die Produktion dieser zerstörerischen Umweltgifte macht uns krank, schwächt die biologische Vielfalt, schädigt neben den Böden auch das Wasser und die Luft. Deshalb wird der Ruf immer lauter, die Herstellung von Pestiziden zu unterbinden. Wir laufen sonst Gefahr, die Evolution des Lebens auf dramatische Weise zu verändern! Großplantagen, Monokulturen, aufwendige Maschinen kommen ohne das Wissen aus, das Bauern über Generationen erworben und weitergegeben haben. Schon in naher Zukunft könnte es gänzlich verloren gehen. Das Agrarkartell wäre der Alleinherrscher über die weltweite Landwirtschaft.

Das Milliardengeschäft dreht sich um den Markt von Saatgut und die Patente für Pflanzen. Denn die Konzerne drängen erfolgreich kleine Saatgutbetriebe sowie unabhängige Züchter aus dem Wettbewerb. Eine Flut von Patentanträgen überschwemmt das EPA (Europäisches Patentamt). Patente für gentechnisch veränderte Pflanzen werden ebenfalls beantragt. Die internationalen Verflechtungen von weltweit operierenden Multis wie Monsanto, Dow Chemical, Bayer CropScience, BASF, DuPont und Syngenta ermöglichen eine Marktherrschaft in unvorstellbarem Ausmaß. Chemiekonzerne bestimmen den Fortgang der Landwirtschaft, multinationale Unternehmen streben nach dem Saatgutmonopol.

Die Verbreitung von Pestiziden weltweit

1.839 Pflanzenschutzmittel waren Mitte September 2013 in der Datenbank „MANAGER Elektronische Pflanzenschutzsuche“ gelistet. Davon entfielen 142 auf BASF, 36 auf Monsanto, 177 auf Syngenta, 267 auf Bayer und 61 auf Dow AgroSciences. Als Pestizide werden auch Mittel zur Schädlingsbekämpfung und für den Pflanzenschutz bezeichnet. Diese Stoffe dienen dem Zweck, „unerwünschte Lebewesen“ außer Gefecht zu setzen oder zu töten, damit Agrarprodukte besser geschützt sind, leichter geerntet und verarbeitet werden können und besser aussehen. Als hochgiftige Pestizide gelten akut toxische Substanzen, die entweder die Umwelt nachhaltig schädigen oder als Verursacher von Langzeiteffekten bekannt sind.

Zusammen bringen es Syngenta, Bayer CropScience und BASF auf einen Weltmarktanteil von knapp 50 Prozent. Dieses multinationale Trio kontrolliert also fast die Hälfte des internationalen Marktes für Pestizide. Dank ihrer gigantischen Vertriebssysteme sind die Marktführer sehr einflussreich, wenn es darum geht, welche Pestizide beim Anbau bestimmter Lebensmittel eingesetzt werden. Während die Zahl unabhängiger Berater in der Landwirtschaft immer mehr abnimmt, übernehmen Konzerne die Beraterrolle bei den Bauern. Dabei behalten sie den Absatz ihrer Pestizide fest im Auge.

Laut PAN International (Pesticide Action Network) sollen die drei Hersteller insgesamt 175 als hochgefährlich eingestufte Pestizide anbieten. Diese wirken sich nachteilig auf die Fortpflanzung aus, führen zu Geburtsschäden wie Missbildungen, beeinträchtigen die kognitive Entwicklung im Kindesalter und fördern die Entstehung von Krebserkrankungen.

In den letzten Jahrzehnten stieg der Verbrauch an Pestiziden alarmierend. In der EU werden jährlich mehr als 200.000 Tonnen Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Zwischen 2005 und 2010 stieg der Umsatz von 31 Milliarden auf 38 Milliarden Dollar. Der größte Nutzer und Hersteller von Pestiziden ist die Volksrepublik China.

Welche Lebensmittel sind besonders gefährdet?

Neben Getreide und Soja besteht auch bei Obst und Gemüse aus heimischer Produktion der Verdacht auf Rückstände aus Pestiziden, z. B. bei Pflaumen sowie Kopfsalat und Zucchini. Bier gilt ebenfalls als belastet – Greenpeace warnte bereit 2008, dass Braugerste mit Kunstdünger und Pestiziden angebaut und Hopfen geschwefelt wird. Tee aus Asien und Afrika gilt vielfach als hoch belastet.

Wer ist mit wem eng verbandelt, und wem nützt es?

In Europa erfolgt die Festlegung der zugelassenen Rückstandshöchstgehalte gemeinschaftlich. Die Vereinbarung sieht vor, dass diese Werte nicht höher als nötig, aber keinesfalls über einem toxologisch unvertretbaren Limit liegen dürfen. Doch selbst diese Grenzwerte schließen gesundheitliche Risiken nicht aus – etwa in gentechnisch belasteter Babynahrung. Seit dem Jahr 2008 gelten auch in Deutschland fast nur noch die auf EU-Ebene festgelegten Grenzwerte. Das viel diskutierte FreihandelsabkommenTTP“ (Transnational Trade and Investment Partnershop) mit den USA hat auch die Öffnung der Märkte für hormonbehandeltes Rindfleisch sowie genmanipulierte Pflanzen zum Gegenstand.

Die US-Verhandlungsführer gelten längst als etablierte Lobbyisten in Brüssel. Es ist kein Geheimnis mehr, dass von der EU Gesetze in exakt dem Wortlaut beschlossen werden, wie Lobbyisten sie diktieren. Online gewährleistet eine eigene Stiftung von US-Konzernen den Zugang zu den EU-Abgeordneten. Auf dieser Ebene sind Politik, Wirtschaft, Verbände, Institute und Medien miteinander verbandelt, gesponsert von US-Internet-Konzernen. EU-Abgeordnete fungieren nicht nur als Ansprechpartner, sondern sind selbst Mitglieder in diesem „Club“. Wer davon profitiert, liegt auf der Hand.

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