Freitag , 19 April 2024
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Erlebnisse in China (2)

Von Zhengzhou nach Kaifeng – In Zhengzhou angekommen gönnen meine Frau und ich uns einen Aufenthalt in einem luxuriösen 4-Sterne-Tempel, dem Hotel Heyuan Wenquan Minshi Hui. Das Zimmer kostet 419 Yuan, also rund 45 Euro pro Nacht, und ist aller Ehren wert. Gleiches gilt für den Service und das wirklich gute (chinesische) Frühstück am nächsten Morgen – wir sind begeistert. Zudem bietet das Hotel noch einen Badeaufenthalt an einer warmen Quelle, was meine Frau und ich uns für später vormerken.

china hotel heyuan

Ein Tipp für Kaffeetrinker: In Gegenden Chinas, in denen wenige oder gar keine Ausländer zu finden sind, ist Kaffee kein übliches Getränk – weder zum Frühstück noch zu anderen Gelegenheiten. Daher kann man auch in wirklich guten Hotels nicht davon ausgehen, daß zum Frühstück Kaffee serviert wird. Abhilfe schafft hier der vorherige Erwerb von fertig abgepackten Tassenportionen beliebiger Geschmacksrichtung in der Heimat. Zum Frühstück bestellt man dann ganz einfach ein Glas gekochtes Wasser, bessert dieses mit einer oder mehreren Tassenportionen Kaffee auf, und der Tag ist gerettet.

Nach dem Frühstück packen wir unsere Rucksäcke für vier Tage (ein Hoch auf den Kampfrucksack der Bundeswehr – allen Unkenrufen zum Trotz!), lagern die Koffer im Hotel ein und nehmen ein Taxi zur Busstation, um von dort nach Kaifeng aufzubrechen.

Zur Ehrenrettung der chinesischen Taxifahrergilde muss gesagt werden, dass die meisten nicht die Arbeitsweise ihrer Zunftgenossen in Beijing an den Tag legen. In Beihai und anderen Orten, in denen die Fahrer in den Wintermonaten mangels Umsatz oft um jeden Kunden kämpfen müssen, sind uns immer wieder die liebenswürdigsten und korrektesten Taxifahrer begegnet.

Meine Schwiegermutter bestätigt uns allerdings am Telefon, dass die Taxifahrer in Beijing wegen ihres von uns beschriebenen Verhaltens in eine gewisse traurige Berühmtheit in China erlangt haben, worüber sogar der chinesische Fernsehsender CCTV berichtet habe – und das will etwas heißen. Offenbar haben sie dort wirklich zu viele Kunden. Und Geld verdirbt bekanntlich den Charakter, sagt man…

Nicht so jedoch in Zhengzhou: Hier begegnen uns die Taxifahrer ausgesprochen freundlich, offen und überaus korrekt. Die Fahrt vom Hotel zum Busbahnhof dauert ca. 15 Minuten und kostet uns 16 Yuan, also ca. 1,80 Euro – das ist zu verkraften.

Chinesische Taxifahrer zeichnen sich durch zwei Eigenschaften aus: Nerven wie Drahtseile und eine stark ausgeprägte Resistenz gegenüber Verkehrsregeln. Die Qualifikation für die Rallye Monte Carlo würden sie mühelos schaffen, allerdings würde ihre Fahrweise sie in unseren Breitengraden sowohl die Lizenz als auch den Führerschein kosten. Hupe, Gas und Bremse scheinen die am meisten strapazierten Teile ihrer Fahrzeuge zu sein; der Fahrstil ist oft halsbrecherisch. Aber fahren können sie, das muss man neidlos anerkennen. Ein Tipp noch für Interessierte: Korrekte Taxifahrer schalten ungefragt das Taxameter ein. Sollte ein Fahrer dies ablehnen, so sollte man entweder gar nicht erst einsteigen – oder gleich wieder aussteigen. So einfach kann die Welt sein, und man erspart sich Ärger und überhöhte Fahrtkosten.

china bussstatonDie Szenerie an der Busstation ähnelt der Idylle an den Bahnhöfen, nur in kleinerem Maßstab. Die Fahrt nach Kaifeng dauert eine knappe Stunde und kostet uns 7 Yuan, also rund 90 Eurocent. Unterwegs unterhalten meine Frau und ich uns über die Förderung der chinesischen Bauern durch die Regierung. Seit einiger Zeit müssen die Landwirte in China keine Steuern mehr zahlen. Zudem erhalten sie bei geringem Einkommen noch Subventionen für den Kauf von Saatgut. Ich frage mich, was unsere Bauern dazu sagen würden…

In Kaifeng angekommen mieten wir uns im Shuangyu Shangwu-Hotel ein. Es hat einen etwas morbiden Charme. Das Interieur hat schon bessere Tage gesehen und eine Renovierung würde nicht unbedingt schaden. Dafür kostet es nur 188 Yuan, rund 20 Euro, pro Nacht, ist sauber, das Zimmer schön groß, und es hat vom Fernseher über Telefon und Internetzugang alles, was man braucht. Zudem liegt es recht zentral, so dass die Sehenswürdigkeiten Kaifengs gut zu erreichen sind. Was will man mehr?

Meine Frau studiert die Hotelinformation für Gäste. Dort wird darauf hingewiesen, dass, sofern ein Gast Grund zur Beschwerde hat, das verantwortliche Mitglied des Hotelpersonals 100 Yuan – ca. 12 Euro – Strafe zahlen muss, Verantwortliche der Managementebene sogar 1000 Yuan. Auch Beispiele sind dort aufgeführt, wer wann wofür Strafe zahlen musste. Dies geschieht nicht in der Absicht, den armen Sünder bloßzustellen, sondern um die gesamte Belegschaft zu besserer Arbeit anzuspornen.

Der Gedanke an ein solches „Bonussystem“ für unsere Politiker und Banker könnte einen glatt ins Schwärmen geraten lassen. Zu befürchten wäre allerdings, dass unsere „Eliten“ dann beim Sozialamt vorstellig würden – um das Geld abzuholen, das sie für ihre Arbeit noch mitbringen müssten…

Wo wir gerade beim Hotel sind: Besondere Erwähnung verdient an dieser Stelle das chinesische Toilettenpapier. Nicht, dass es keines gäbe – es gibt sogar sehr gutes. In den Hotels hingegen findet regelmäßig eine ganz spezielle Sorte Verwendung: Sie eignet sich hervorragend für den Feinschliff von Harthölzern, und die Perforation stellt zuverlässig sicher, dass das Papier an dieser Stelle NICHT reißt. Überall sonst ja – aber keinesfalls an der Perforation. Ich könnte mir vorstellen, dass unsere Architekten zu Hause sich vielleicht für diese moderne technische Errungenschaft interessieren könnten…

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Nach dem Check-in schauen wir uns den wirklich sehenswerten Drachen-Pavillon-Park an, was nahezu den ganzen Nachmittag in Anspruch nimmt. Hier sollte man sich Zeit nehmen und den Spaziergang wirklich genießen – nur so kann man die vielen Details erkunden.

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Der anschließende Abendspaziergang am See bietet ebenfalls interessante Eindrücke: man trifft sich am Wasser, geht schwimmen oder frönt der Angelleidenschaft. Mir kommt der Gedanke, dass man das mal in Deutschland versuchen sollte: sich abends im Park an einem öffentlichen Gewässer niederzulassen, um dort in aller Öffentlichkeit ganz zwanglos die Fische für das Abendessen zu entnehmen. Ich wage die Prognose, dass die Freude nicht von langer Dauer sein würde. Danach hätte man wohl eine längere Diskussion mit einem Polizeibeamten.

china fischen

Nicht so in China: Hier handelt man nach der guten alten Devise „Tian Xia Wei Gong“ – alles unter dem Himmel gehört dem Volk – und da darf man sich als Angehöriges des Volkes natürlich auch am Eigentum des Volkes bedienen. Der Sozialismus hat durchaus seinen Charme…

Erlebnisse in China – Teil 1

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