Donnerstag , 18 April 2024
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Gott bewahre – Kein Roman für Zartbesaitete

gott_bewahre_minicoverDas Buch, um das es heute geht, hat so ziemlich alles, was der Papst vermutlich als Blasphemie bezeichnen würde. Auch sehr stark christlich orientierten Menschen, ich vermeide bewusst den Begriff „religiöse Spinner“, würde es die Schamesröte ins Gesicht treiben. Es ist eine moderne Version der Story, die unter dem Namen „Neues Testament“ seit Jahrhunderten rund um die Welt geht und genauso wie das „Original“ ist die Handlung durchaus spannend, sowie größtenteils erfunden. Man könnte beinahe sagen, es ist eine Alternative, die, wenn sie denn Bibel-Status erreichen würde, vermutlich wieder mehr junge Menschen in die Kirchen bringen könnte.

Autor John Niven ist mit dem Roman „Gott bewahre“ ein Stück Lesestoff gelungen, das nicht nur mit dem, was man heute unter „Glaube“ versteht, hart ins Gericht geht, sondern ganz nebenbei auch noch Casting-Shows à la DSDS aufs Korn nimmt und dem amerikanischen Polizeisystem ordentlich eine mitgibt. Das Ganze wird gewürzt mit zum Teil derben Sprüchen, vielen F***-, A****- und S***-Wörtern und an manchen Stellen ist es sogar ein bisschen ekelig, aber das dürfte wohl nur Moralapostel stören, sehen wir also einfach drüber weg.

Die Geschichte beginnt damit, dass der liebe Gott (ja es gibt ihn wirklich) nach einer Woche Angelurlaub in sein Büro zurückkommt und sich ansieht, was in der Zwischenzeit auf der Erde so alles passiert ist. Dazu muss man wissen, dass ein Tag im Himmel genau 57 Erdenjahre ausmacht, somit also rund vier Jahrunderte ins Land gegangen sind. Und um es vorsichtig auszudrücken, er ist „not amused“ über das, was er da kredenzt bekommt. Er bemerkt, dass vieles von dem, was die Menschheit in seiner Abwesenheit angestellt hat, oftmals dem oben bereits genannten Irrglauben seiner Person gegenüber geschuldet ist und so beschließt er, seinen Sohn, Jesus Christus, alias J.C., wieder auf die Erde zu schicken und den Laden aufzuräumen. Der ist darüber zwar wenig begeistert, fügt sich dann aber seinem alten Herrn und wird daraufhin einer Jungfrau im mittleren Westen der USA implantiert, die ihn Ende der 1970er Jahre zur Welt bringt

Mittlerweile ist er über 30 und kümmert sich in New York um sozial Benachteiligte, spielt virtuos Gitarre, was dank seiner Bekanntschaft mit Jimi Hendrix im Himmel auch kein Wunder ist, und lebt in einer WG, in der das Geld reichlich knapp ist. Nicht wirklich ideale Voraussetzungen um die Welt zu retten. Doch eines Tages wird auf einem Werbeplakat am gegenüberliegenden Gebäude zum Casting einer neuen Staffel der bekanntesten Unterhaltungs-Show in den USA aufgerufen. Gemeint ist damit „American Idol“, das Pendant zu DSDS. Jesus lässt sich überreden, daran teilzunehmen und kommt, wie könnte es anders sein, bis in die Live-Shows. Vom verkauften Flugticket 1. Klasse nach Los Angeles, wo die Show stattfindet, kauft seine Gang einen alten Greyhound-Bus und macht sich auf den Weg an die Westküste.

Schon unterwegs muss die eine oder andere Hürde überwunden werden und was dann im Rahmen der Motto-Shows passiert, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, die Spannung soll ja erhalten bleiben. Allerdings ist das noch nicht das Ende der Geschichte, denn knapp ein Jahr später kommt es in der von J.C. neu gegründeten Siedlung in Texas zum großen Showdown.

gott_bewahre_coverJohn Niven hat es geschafft, ein Buch zum Thema Religion(en) zu schreiben, das so gar nicht religiös daherkommt und auch Ungläubige ansprechen wird. Bei denen, die einem (christlichen) Glauben angehören, könnte der ein oder andere zum Nachdenken motiviert werden, ob denn die überlieferten Geschichten aus dem Altertum nicht doch falsch interpretiert wurden und die Menschheit heute mit den daraus resultierenden Folgen leben muss. Und wer mit Religion nichts weiter am Hut hat, der wird ebenfalls seine Freude daran haben, es gibt viel zu lachen. Ein echter Pageturner also, den man in der Kurzversion mit „derb aber genial“ beschreiben kann. Aus meiner Sicht ein Must Read!

„Gott bewahre“ ist bei Heyne erschienen und hat 400 Seiten, Für gut angelegte 19,99 € ist es im Buchhandel, oder direkt hier erhältlich.

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